Hans Georg Sigismund von Lestwitz

1763–1788


Lestwitz, ebenso wie Prittwitz, gehört in die Reihe derjenigen Offiziere des großen Königs, denen es bei verhältnismäßig jungen Jahren vergönnt war, durch irgendeine glänzende Kriegstat in die Geschichte einzutreten, denen wir aber während der letzten dreißig Jahre ihres Lebens kaum wieder begegnen, weil ihnen der andauernde Friede jede Gelegenheit zu historisch aufzeichnenswerten Taten versagte. Ich gebe hier alles, was ich über Lestwitz habe in Erfahrung bringen können.

Hans Sigismund von Lestwitz wurde am 19. Juni 1718 zu Kontopp im Glogauschen geboren. Sein Vater war der spätere Generalleutnant Johann George von Lestwitz, seine Mutter Helene geb. Freiin von Kottwitz. Die Lestwitze, die im Mannesstamme mit unserem Hans Sigismund ausstarben, gehörten den fünf alten schlesischen Familien an: Rothkirch, Lestwitz, Prittwitz, Strachwitz, Zedlitz, die schon bei Liegnitz in der Mongolenschlacht gefochten hatten. Hans Sigismund machte seine Studien auf der Universität zu Frankfurt a. d. O. und trat 1734 als Fahnenjunker in das daselbst garnisonierende Schwerinsche Regiment. Er machte die beiden Schlesischen Kriege mit, focht bei Mollwitz, Chotusitz, Hohenfriedberg und Soor mit Auszeichnung und erhielt gleich in der ersten Schlacht des Siebenjährigen Krieges (bei Lobositz) den Pour le mérite. 1757 ward er Major im Regiment Alt-Braunschweig. Er war noch Major in eben diesem Regiment, als die blutige Schlacht bei Torgau am 3. November 1760 ihm Gelegenheit gab, sich in besonderem Grade auszuzeichnen. Eine vortreffliche, von Graf Waldersee herrührende Schilderung der »Schlacht bei Torgau« sagt darüber im wesentlichen folgendes:

Der Flügel des Königs war geschlagen; nur vier Bataillone vom Regiment Schenkendorf standen noch in Reserve; unter ihrem Schutze sollte sich die Armee wieder sammeln. Der König fühlte sich durch eine starke Kontusion (eine Kartätschenkugel hatte ihn besinnungslos vom Pferde geworfen) so ermattet, daß er sich nicht mehr fähig hielt, das Kommando der Armee fortzuführen. Er trat es also – auch Markgraf Karl war blessiert – an den Generalleutnant von Hülsen ab. Er selbst zog sich aus dem Getümmel zurück.

Um diese Zeit war es, daß einzelne Offiziere die Mannschaften wieder zu sammeln suchten. Besonders zeichnete sich der Major von Lestwitz vom Regiment Alt-Braunschweig dabei aus. Es war ihm bereits gelungen, einige hundert Infanteristen von verschiedenen Regimentern und eine Anzahl Tambours in eine Masse zu formieren, als der König in der Absicht, das Schlachtfeld zu verlassen, vorüberritt.

»Wer ist Er und was will Er hier machen?« fragte der König.

»Ew. Majestät, ich bin der Major Lestwitz von Alt-Braunschweig und sammle Offiziere und Leute, um mit ihnen die Höhen zu stürmen.«

»Na, Herr, das ist brav, sehr brav. Da mach' Er nur geschwind und formier' Er einige Bataillone.«

Beim Fortreiten wandte der König sein Pferd noch einmal um und sagte: »Hör' Er, mein lieber Lestwitz, sei Er versichert, daß ich Ihm dies nie vergessen werde.«

Der König mochte sich erinnern, daß der Major von Lestwitz der Sohn des Generalleutnants von Lestwitz 25) war, den wegen der unglücklichen Kapitulation von Breslau (1757) die Ungnade des Königs und die ganze Schwere der Militärgesetze getroffen hatte.

Es glückte Lestwitz in der Tat, aus den Zersprengten drei Bataillone zu bilden, zu denen sich nun die vier noch intakt gebliebenen Bataillone des Regiments Schenkendorf gesellten. Diese sieben Bataillone waren es, die, als spät am Abend Zieten die Süptitzer Höhen in der Front attackierte, diesen Frontangriff durch einen Flankenangriff unterstützten und dadurch den Tag entschieden.

Der König schrieb – vielleicht nicht ohne eine gewisse Ungerechtigkeit gegen Zieten, den er übrigens andern Tags unter Tränen umarmte – den Erfolg dieses Gefechtes, nächst dem Major von Lestwitz, dem Regimente Schenkendorf zu. Er vergaß auch Lestwitzen nicht. Unmittelbar nach dem Kriege, wie wir bereits gesehen haben, erhielt er Amt Friedland, also die Hälfte des ehemaligen Markgraf Karlschen Besitzes, und der König, wie um zu zeigen, daß Prittwitz und Lestwitz seinem Herzen gleich nahe ständen, verfuhr bei der Teilung mit solcher Gewissenhaftigkeit, daß er z.B. dem etwas kleineren Amt Friedland einige Quilitzer Höfe hinzufügte.

1765 wurde Lestwitz Oberst, 1766 Chef des Leibgrenadierbataillons, 1767 Generalmajor. Er blieb ein Liebling König Friedrichs, der ihn oft in seine Gesellschaft zog. Auch das Testament des Königs vom 8. Januar 1769 erwähnt seiner wenigstens mittelbar. Es heißt darin § 28: »Einem jeden Stabsoffizier von meinem Regiment und von Lestwitz, wie auch von der Garde du Corps, vermache ich eine goldene Denkmünze, die bei Gelegenheit unserer glücklichen Waffen und der Vorteile, die unsere Truppen unter meiner Anführung erhalten haben, geprägt worden ist.« 1779, wahrscheinlich unmittelbar nach dem bayrischen Erbfolgekrieg, an dem er noch teilnahm, zog sich von Lestwitz aus dem Dienste zurück. Er starb 1788 am 16. Februar.

 

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25) Der Vater – von dem es heißt, daß er an militärischen Gaben den Sohn überragte – ward durch die Kapitulation von Breslau (1757) in Ungnade gefallen und wurde durch den erzürnten König auf die Festung geschickt. Er verblieb indessen, vielleicht mit Rücksicht auf sein hohes Alter (er war bereits siebzig) nur kurze Zeit in eigentlicher Haft und erhielt von da ab bloßen Stadtarrest. Er durfte nunmehr in Berlin leben, war aber durch Ehrenwort verpflichtet, nie das Stadtviertel zu verlassen, das einerseits durch die Koch- und Zimmer-, andererseits durch die Friedrich- und Wilhelmstraße gebildet wird. Hier starb er auch (1767). Nur einmal erhielt er Urlaub. Als sein Sohn, der spätere Generalmajor, zum ersten Male nach Amt Friedland reiste, um von dem schönen Gute Besitz zu nehmen, durfte ihm der alte Lestwitz dahin folgen, um Zeuge von dem Glück seines Sohnes zu sein. Der König, der ein Interesse an diesem Ereignis nahm, hatte ihm eigens zwei Adjutanten mitgegeben, damit der Alte, an diesem Ehrentage seines Sohnes, auch seinerseits in allen Ehren eines Generalleutnants erscheinen könne. Anderen Tages kehrte der sechsundsiebzigjährige Herr nach Berlin zurück und trat wieder seinen »Stadtarrest zwischen Koch- und Zimmerstraße« an.




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