a) Vokale: Ablaut


Weit älter als die Erscheinung des Umlautes ist die des Ablautes. Der Ablaut geht vom starken Verbum aus (Verbalablaut), aber er durchdringt von da aus die ganze deutsche Sprache, indem er auch in Substantiven, Adjektiven usw. (Nominalablaut) auftritt. Der Verbalablaut dient besonders zur Unterscheidung des Präsens und des Präteritums, und man unterscheidet beim starken Verbum verschiedene Ablautsreihen, die Mittelhochdeutschen in vier Stufen zeigten:


 Präsens.Sing. Prät.Plural Prät.2. Partizip.
I. mhd.:î
grîfe
ei
greif
i
griffen
i
gegriffen
nhd.:ei
greife
i
griff
i
griffen
i
gegriffen
II. mhd.:iu (ie)
biuge
(Inf. biegen)
ou (ô)
bouc
ŭ
bŭgen
ŏ
gebŏgen
nhd.:ie
biege
ō
bōg
ō
bōgen
ō
gebōgen
III. mhd.:i, ë
binde
a
bant
u
bunden
u, o
gebunden
nhd.:i, e
binde
schwimme
a
band
schwamm
a
banden
schwammen
u, o
gebunden
geschwommen
IV. mhd.:i, ë
nimge
(Inf. nëmen)
a
nam
â
nâmen
o
genomen
nhd.:e
nehme
quelle
a, o
nahm
quoll
a, o
nahmen
quollen
o
genommen
gequollen
V. mhd.:i, ë
gibe
(Inf. gëben)
a
gap
â
gâben
ë
gegëben
nhd.:e, i
gebe
bitte
a
gab
bat
a
gaben
baten
e
gegeben
gebeten
VI. mhd.:a
trage
uo
truoc
uo
truogen
a
getragen
nhd.:a
trage
u
trug
u
trugen
a
getragen
VII. mhd.:â, ô, uo, ei, au
slâfe
stôze
ruofe
heize
loufe
ie
slief
stiez
rief
hiez
lief
ie
sliefen
stiezen
riefen
hiezen
liefen
â, ô, uo, ei, au
geslâfen
gestôzen
geruofen
geheizen
geloufen
nhd.:a, o, u, ei, au
schlafe
stoße
rufe
heiße
laufe
ie
schlief
stieß
rief
hieß
lief
ie
schliefen
stießen
riefen
hießen
liefen
a, o, u, ei, au
geschlafen
gestoßen
gerufen
geheißen
gelaufen

Die Zeitwörter der siebenten Klasse waren ursprünglich reduplizierende oder vorschlagsilbige Verben. So wurden sie genannt, weil sie die Vergangenheitsform ursprünglich mit einer Vorschlagssilbe bildeten, z. B. got. Präs. halda, ich halte; Prätention: haíhald (spr. hĕhald), ich hielt; 2. Partizip: haldans, gehalten.

Aus der verstehenden Übersicht geht hervor, daß im Neuhochdeutschen infolge des Einflusses der Analogiebildung der Vokal des Singulars Imperfekti und des Plurals Imperfekti stets der gleiche ist, so daß hier also der Unterschied zwischen beiden, wie er noch im Mittelhochdeutschen bestand, verschwunden ist.

Der Ablaut ging aber aueh in Nominalbildungen über, z.B. Griff, greifbar, Begriff, Mißgriff, Griffel zu greifen; Steg, Steig, Stieg, Steige zu steigen; Sprache, Spruch zu sprechen; Trank, Trunk zu trinken; Fahrt, Furt zu fahren; Fluß, Floß zu fließen; Guß, Gosse zu gießen; Tritt, Trott zu treten; Nacken, Genick; Traufe, Tropfen; Knauf, Knopf; Graben, Grube; Verlies, Verlust usw.


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