
a) Vokale: Umlaut
Unter dem Umlaut verstehen wir Veränderungen des Vokals der Stammsilbe, die durch Assimilation oder Angleichung an den Vokal der Folgesilbe herbeigeführt werden. Wir unterscheiden den a-Umlaut, der von Grimm und seinen Schülern Brechung genannt wurde, und den i-Umlaut, den Grimm schlechthin Umlaut nannte. Der a-Umlaut beruht auf Angleichung des Vokals der Stammsilbe an ein in der Folgesilbe stehendes a, der i-Umlaut auf Angleichung an ein i der Folgesilbe. So besteht der a-Umlaut darin, daß altes u (im Diphthong iu) zu o (im Diphthong io, ie), und altes i, aber in weit engerem Umfange, zu e wurde unter Einfluß eines a der Folgesilbe, das natürlich mit geringen Ausnahmen in der weiteren Entwicklung der Sprache zu e geschwächt wurde oder ganz verschwand. Auf dem a-Umlaut beruhen z. B. geboten (ursprüngl. gabutan, dann gibotan), bieten (althochd. biutu, ich biete, beotan, bieten), gegossen, gießen, gesotten, sieden, gezogen, ziehen, erkoren, erkiesen, erfroren, frieren, verloren, verlieren, der Wechsel zwischen Gold und Gulden, wurden und geworden, Huld und hold, für und vor, Fülle und voll usw.; queck (z. B. Quecksilber, lat. vivus), Steg (zu althochd. stigan, steigen), Speck (angelsächs. spic), Blech (zu althochd. blîchan, glänzen), Leber (engl. liver) usw.
Der i-Umlaut dagegen ist die Wandlung des Stammvokals durch nachfolgendes i. Hierher gehört die Verwandlung des a in ä (althochd. e, den alten Umlaut e statt ä haben wir heute noch in: Eltern, behende, edel u. a.), des o in ö, des u in ü, des au in äu (eu) und des alten ë in i. Wenn in der Folgesilbe ein i stand, ging nämlich altes ë in i über, während es vor folgendem a, e, o erhalten blieb. Darauf beruht der Wechsel von: ich spreche, du sprichst, er spricht, sprich; ich gebe, du gibst, ich nehme, du nimmst, ich sehe, du siehst usw., Erde (althochd. ërda) und irdisch, Berg und Gebirge, Feld und Gefilde, Schwester und Geschwister, Wetter und Gewitter u. a. Im Althochdeutschen gab es außer diesem zu i gewordenen ë nur die Umlaute e (aus a), iu (d. i. langes ü, aus û) und zuweilen auch schon ü (d. i. kurzes ü, aus kurzem u). Erst im Mittelhochdeutschen ist der i-Umlaut vollständig durchgeführt. Im Mittelhochdeutschen war zwar das umlautwirkende i bereits zu e übergegangen, aber die Entwicklung des Umlautes schritt trotzdem weiter. Zugleich aber verlor sich allmählich das Bewußtsein seines Grundes und seiner wahren Bedeutung. Man brachte daher zuweilen den Umlaut auf Grund von Analogiebildung an, indem man unorganische, d. h. nicht durch ein ursprünglich folgendes i begründete Umlautformen bildete. Namentlich im Mittelhochdeutschen tritt daher der Umlaut auch in vielen Wortformen auf, in denen er geschichtlich nicht begründet ist. Er ist aber zugleich im Neuhochdeutschen grammatisch von Bedeutung geworden, indem er zur Unterscheidung von Flexionsformen dient, z. B. bei der Deklination zur Bildung des starken Plurals, z. B. Haus, Häuser, Baum, Bäume, Land, Länder, Hut, Hüte, Sohn, Söhne usw.; bei der Komparation zur Bildung des Komparativs und Superlativs: alt, älter, der älteste, jung, jünger, der jüngste, hoch, höher, der höchste, lang, länger, der längste (doch nicht durchgehend, z. B. straff, straffer, der straffste, zart, zarter, der zarteste u. a.); bei der Konjugation, jedoch nur der starken oder ablautenden Verben, und zwar bei Bildung der 2. und 3. Person Sing. des Präsens, z. B. ich trage, du trägst, er trägt, ich spreche, du sprichst, er spricht, und bei Bildung des Konjunktivs Präter., z. B. ich trug, ich trüge, ich sprach, ich spräche usw. Außerdem wird der Umlaut noch häufig in Ableitungen angewandt, z. B. durchgängig in den Deminutiven (Verkleinerungsformen): Baum, Bäumchen, Bach, Bächlein, Knabe, Knäblein, Blume, Blümchen, Hof, Höfchen usw.; ferner bei den durch die Vorsilbe ge abgeleiteten Sammelnamen, z. B. Wolke, Gewölk, Haus, Gehäuse, Hof, Gehöft, Busch, Gebüsch usw.; bei den abstrakten Substantiven, die durch e (althd. î, în) von Adjektiven gebildet sind, z. B. kalt, Kälte, groß, Größe, gut, Güte, stark, Stärke, hoch, Höhe usw.; bei den weiblichen Gattungsnamen auf in, z. B. Bauer, Bäuerin, Graf, Gräfin, Hund, Hündin, Wolf, Wölfin usw.; häufig in den Personennamen auf er, z. B. kaufen, Kauf, Käufer, laufen, Lauf, Läufer, tanzen, Tanz, Tänzer, spotten, Spott, Spötter, klagen, Klage, Kläger usw.; in den abgeleiteten Adjektiven auf ig, isch, icht, lich, z. B. Macht, mächtig, Pracht, prächtig, Kraft, kräftig, Sturm, stürmisch, Bauer, bäuerisch, Franzose, französisch, Tor, töricht, Nacht, nächtlich, Kunst, künstlich, Jahr, jährlich usw. (aber: mutig blutig, blumig, waldig, spanisch, dornicht, dornig, sprachlich u. a.).