Home  Impressum  Copyright

III. [Das sachliche und das kulturelle Verhältnis von Form und Quantum, von Quantität und Qualität der Dinge und die Bedeutung des Geldes für dasselbe]

 

Die oben angeführten Beispiele der modernen Quantitätstendenz zeigen ersichtlich zwei Typen: erstens, die objektiven Substanzen und Ereignisse, die den qualitativ unterschiedenen subjektiven Vorstellungen zum Grunde liegen, sind ihrerseits nur quantitativ unterschieden; zweitens, auch im Subjektiven erzeugt die bloße Häufung der Elemente oder Kräfte Erscheinungen, deren Charakter sich von den quantitativ anders bedingten spezifisch und nach Wertgesichtspunkten unterscheidet. Nach beiden Richtungen hin erscheint das Geld als Beispiel, Ausdruck oder Symbol der modernen Betonung des Quantitätsmomentes. Die Tatsache, daß immer mehr Dinge für Geld zu haben sind, sowie die damit solidarische, daß es zum zentralen und absoluten Wert auswächst, hat zur Folge, daß die Dinge schließlich nur noch so weit gelten, wie sie Geld kosten, und daß die Wertqualität, mit der wir sie empfinden, nur als eine Funktion des Mehr oder Weniger ihres Geldpreises erscheint. Unmittelbar hat dieses Mehr oder Weniger die doppelte Folge: im Subjekt die entgegengesetzten Gefühle, das tiefste Leid und die höchste Beseligung samt allen Mittelgliedern zwischen diesen Polen hervorzurufen, wie es seitens Anderer in die nicht weniger reiche Skala zwischen verächtlicher Gleichgültigkeit und kniebeugender Verehrung einzustellen. Und in einer anderen Dimension strahlt das Geld sowohl nach der Seite des Viel wie des Wenig sogar gleichmäßige Wertbedeutungen aus: der typische moderne Mensch schätzt die Dinge, weil sie sehr viel kosten, und er schätzt sie, weil sie sehr wenig kosten. Daß die Geldbedeutung sich der Sachbedeutung substituiert, kann nicht radikaler ausgedrückt werden als durch die gleichsinnige - wenn auch natürlich nicht für jeden einzelnen Fall gleichsinnige - Wirkung des Viel und des Wenig des Geldes. Je zentraler ein Gedanke oder ein Wert seine Provinz beherrscht, von um so gleichmäßigerer Stärke wird die Wichtigkeit sein, die er sowohl mit positivem wie mit negativem Vorzeichen entfaltet. - Andrerseits, im Objektiven, bewirkt das Anwachsen der Geldquantität überhaupt wie seine Akkumulierung in einzelnen Händen eine Steigerung der sachlichen Kultur, eine Herstellung von Produkten, Genießbarkeiten und Lebensformen, von deren Qualitäten bei geringeren oder anders verteilten Geldquantitäten gar nicht die Rede hätte sein können. Ja, man möchte sogar jene Quantitätstendenz am Geld radikaler verwirklicht meinen als auf irgendeinem anderen, diesseits der Metaphysik liegenden Gebiete.. Denn wo immer wir qualitative Tatsächlichkeiten auf quantitative Verhältnisse zurückgliedern, bleiben die Elemente - physischer, personaler, psychischer Art -, deren Mehr oder Weniger den besonderen Erfolg entscheidet, an sich selbst doch in irgendeinem Maße qualitativ charakterisiert; man mag diese Bestimmtheit immer weiter zurückschieben, so daß die gestern noch unauflösliche Qualität des Elementes heute ihrerseits als eine Modifikation nach Maß und Zahl erkennbar wird, dieser Prozeß aber geht ins Unendliche und läßt in jedem gegebenen Augenblick noch eine qualitative Bestimmtheit der Elemente bestehen, um deren Wieviel es sich handelt. Nur der Metaphysik mag die Konstruktion absolut eigenschaftsloser Wesenheiten gelingen, die, nach rein arithmetischen Verhältnissen zusammengeordnet und bewegt, das Spiel der Welt erzeugen. Im Gebiet der Erscheinungen aber erreicht nur das Geld diese Freiheit von allem Wie, diese alleinige Bestimmtheit nach dem Wieviel. Während wir nirgends das reine Sein oder die reine Energie ergreifen können, um aus ihren quantitativen Modifikationen die Besonderheit der Erscheinungen hervorgehen zu lassen, vielmehr zu allen spezifischen Dingen ihre Elemente und Ursachen schon irgendeine Beziehung (wenngleich nicht immer Ähnlichkeit) haben - ist das Geld von den entsprechenden Beziehungen zu dem, was darüber und dadurch wird, völlig gelöst; der reine ökonomische Wert. hat einen Körper gewonnen, aus dessen Quantitätsverhältnissen nun alle möglichen eigenartigen Gebilde hervorgehen, ohne daß er etwas anderes als eben seine Quantität dafür einzusetzen hätte. So erreicht auch hier eine der großen Tendenzen des Lebens - die Reduktion der Qualität auf die Quantität - im Geld ihre äußerste und allein restlose Darstellung; auch hier erscheint es als der Höhepunkt einer geistesgeschichtlichen Entwicklungsreihe, der die Richtung derselben erst unzweideutig festlegt.

 


 © textlog.de 2004 • 29.03.2024 11:46:17 •
Seite zuletzt aktualisiert: 27.09.2004