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II. [Die Abhängigkeit seines Zweckcharakters von den kulturellen Tendenzen der Epochen]

 

In sehr eigentümlicher Weise zeigt sich die Verabsolutierung eines ökonomischen Wertes, das Abbrechen der teleologischen Reihe, bevor sie zum Subjekt zurückgekehrt ist, an einer gewissen Bedeutung des Grundbesitzes, die sich mit seiner eigentlich ökonomischen Bedeutung in mannigfaltiger Weise - oft freilich nur wie ein Oberton mitschwebend - mischt. So sicher nämlich der Grundbesitz kein Wert geworden wäre, wenn er nicht dem Eigentümer subjektive Nutzerfolge einbrächte, so erschöpft sich doch sein. Wert nicht völlig in diesen angebbaren Wertfaktoren: in dem Ertrage, in der größeren Sicherheit des Immobiliarbesitzes, in der sozialen Macht, die er verleiht usw. Sondern darüber hinaus verbindet sich mit ihm vielfach ein gewissermaßen idealer Wert und die Empfindung, es sei an sich wertvoll, daß der Mensch dieses Herrschaftsverhältnis zum Boden habe, daß er zu der Grundlage menschlicher Existenz überhaupt eine so enge und sie gleichsam in das Ich hineinziehende Beziehung besitze. Der Grundbesitz hat und verleiht so eine gewisse Dignität, die ihn vor allen ändern Besitzarten selbst dann auszeichnet, wenn der Nutzerfolg dieser für den Besitzer ein gleicher oder auch größerer ist, so daß er oft genug unter Opfern festgehalten worden ist, wie man sie in ähnlicher Weise nur für ein objektives Ideal bringt. Es steckt also in der Bedeutung des Grundbesitzes ein Element absoluten Wertes, die Vorstellung begleitet ihn - oder hat ihn wenigstens begleitet -, es sei eben wertvoll, Grundbesitzer zu sein, und selbst dann, wenn dieser Wert nicht in einem Nutzen zum Ausdruck komme. So kann die Bindung an den Grundbesitz eine religiöse Färbung annehmen, der sie sich z.B. in der besten Zeit Griechenlands näherte. Die Veräußerung des Grundbesitzes erschien als ein Vergehen nicht nur gegen die Kinder, sondern auch gegen die Ahnen, da sie die Familienkontinuität unterbrach; ja, gerade auch der Umstand, daß er nicht leicht vermehrbar war, begünstigte seine Funktion als Träger der überindividuellen, religiös geheiligten Familieneinheit. Insbesondere aber im Mittelalter hatte der Grundbesitz viel mehr den Rang eines absoluten Wertes, als er ihn jetzt hat; denn wenn er auch selbstverständlich zunächst um seines Ertrages und des Genusses desselben willen gesucht und insofern ein relativer Wert war, so hatte er an und für sich doch gegenüber seiner Rolle in der Geldwirtschaft eine eigenartige Bedeutung, weil er nicht immerzu in Geld umgesetzt und nach Geld taxiert wurde. Er hatte sozusagen kein Äquivalent; die Wertreihe, in der er stand, schloß mit ihm ab. Mobilien mochte man gegeneinander vertauschen, der immobile Besitz war, cum grano salis, etwas Unvergleichliches, der Wert schlechthin, der unbewegte Grund, über dem sich die eigentliche ökonomische Bewegung erst vollzog, und der an sich jenseits dieser stand. So war es doch wohl nicht nur das ökonomisch-relativistische Interesse, aus dem die Kirche ihn sich anzueignen strebte: soll doch anfangs des 14. Jahrhunderts fast die Hälfte des englischen Grundes und Bodens und zur Zeit Philipps II. mehr als die Hälfte des spanischen in den Händen des Klerus gewesen sein - wie noch jetzt im Kirchenstaat Tibet zwei Drittel aller produktiven Ländereien dem Klerus gehören! Wie die Kirche dem mittelalterlichen Leben die festen, scheinbar für die Ewigkeit gegründeten Normen seines Verlaufes gab, so mußte es im realen wie im symbolischen Sinn angemessen scheinen, daß sie auch jenen fundamentierenden Wert aller Werte in ihrer Hand umschloß. Die Unveräußerlichkeit des kirchlichen Grundbesitzes war nur die bewußte und gesetzmäßige Festlegung dieses inneren Charakters seiner. Sie dokumentierte nur, daß die Wertbewegung hier an ihren Endpunkt gekommen, daß hier das Äußerste und Definitive im ökonomischen Gebiet erreicht war. Kann man so die Tote Hand mit der Höhle des Löwen vergleichen, in die alle Fußspuren hinein-, aus der aber keine herausführen, so ist sie doch auch ein Symbol der allumfassenden Absolutheit und der Ewigkeit des Prinzips, auf dem die Kirche sich gründete.

 


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