Quinte

Quinte. (Musik) Ein Intervall, das aus fünf diatonischen Stufen besteht, C-G, daher es seinen Namen hat. Von diesen fünf Stufen sind drei von einem ganzen, eine von einem halben Ton. Die eigentliche reine Quinte bekommt man, wenn man zwischen zwei um eine reine Oktave von einander abstehende Töne, die harmonische Mitte nimmt.1 Dadurch erhält man einen Ton, dessen Verhältnis gegen den Grundton 2/3 ist.

 Dieses Verhältnis zeigt, dass die Quinte nach der Oktave die vollkommenste Konsonanz ausmache und dass es nicht möglich sei, zwischen einem Grundton und dessen Oktave einen Ton zu finden, der so vollkommen als die Quinte mit dem Grundton harmonire. Sie hat überdem noch den Vorteil, dass sie zugleich gegen die Oktave des Grundtons eine vollkommene Konsonanz ausmacht, weil diese Oktave die Quarte von der Quinte des Grundtons ist.

  Wegen der sehr guten Harmonie aber, die dieses Intervall so wohl mit dem Grundton als seiner Oktave hat, verträgt es auch keinen merklichen Mangel; das ist, die Quinte leidet nicht, dass ihr an ihrer reinen Stimmung etwas merkliches fehle.2 Eine Quinte, die schon um das gemeine Komma 80/81 zu tief ist, hat schon eine zu merkliche Unvollkommenheit, da doch die Terzen, diesen Mangel oder Überfluss noch gut vertragen.3

 Weil nun unser diatonisches System so eingerichtet sein muss, dass jeder der verschiedenen Töne der Oktave zu einem Grundton muss können genommen werden, der so viel möglich seine reinen Konsonanzen habe; so war bei der Einrichtung des Systems vornehmlich darauf zu sehen, dass jeder Ton seine ganz reine oder doch beinahe ganz reine Quinte bekomme. Denn ganz vollkommen rein können nicht alle Quinten der zum System gehörigen Töne sein; weil sonst die Oktaven, die absolut rein sein müssen, mangelhaft werden würden.4

 Aus diesem Grunde habe ich in gegenwärtigem Werke das System nach der Kirnbergerischen Temperatur allen anderen vorgezogen; weil darin von den 12 Tönen, neun ihre gänzlich reinen Quinten haben; eine so nahe rein, dass kein menschliches Ohr einen Mangel darin zu empfinden vermag; so dass überhaupt nur zwei temperirte Quinten darin vorkommen, denen es aber an der gänzlichen Reinheit bei weitem an keinem Komma von 80/81 fehlt. Diese Vollkommenheit habe ich in keinem anderen System entdeckt; es sei denn, dass man zugleich gar zu viel sehr unreine, folglich unbrauchbare Terzen zulassen wolle, vermittelst welcher alle Quinten beinahe ganz rein erhalten werden können. Unter den ältern Tonarten, die man noch in Kirchenstücken nach der alten Art braucht, konnte der Ton H gar nicht als ein Grundton gebraucht wer den; weil ihm die Quinte ganz fehlte. Den das Intervall H-f oder die dem H zugehörige Quinte, dessen Verhältnis 45/64 ist, macht eine schwere Dissonanz aus, die um einen halben Ton von der Quinte abweicht, folglich gar nicht als Quinte gebraucht werden konnte. Daher hat auch dieses Intervall den Namen der falschen Quinte bekommen, wovon wir danach besonders sprechen werden.

 Die Quinte kann also nicht wie die Terzen und Sexten, groß oder klein sein; nur in einem einzigen besonderen Falle hat ein konsonierender Dreiklang eine kleine Quinte; ihr Ursprung und warum sie als eine Konsonanz kann gebraucht werden, wird an einem anderen Orte5 erläutert und wie sie von der falschen Quinte zu unterscheiden sei, im Artikel falsche Quinte deutlich gezeigt werden.

 Die Quinte hat ihren eigentlichen Siz in den Dreiklang. Denn die Quinte, welche in dem Quintsextakkord vorkommt, ist eigentlich als eine Septime anzusehen, wie aus dem Artikel über diesen Akkord zu sehen ist. Wegen der sehr befriedigenden Harmonie der Quinte, gegen den Grundton, gilt auch, wiewohl in einem etwas geringern Grade, von ihr, was wir von der Oktave angemerkt haben, dass man sie in der obersten Stimme mitten im Zusammenhang melodischer Sätze, nicht so oft als weniger konsonierende Intervalle anbringen könne.6

 Weil die Quinte nach der Oktave die vollkommenste Harmonie hat, so sind auch in der Fortschreitung des Basses die Sprünge, da die Stimme um eine Quinte steigt oder fällt, diejenigen, die am meisten beruhigen; deswegen werden sie bei Schlüssen oder Kadenzen gebraucht. Besonders ist der Fall von der Quinte des Tones in dem Ton herunter völlig befriedigend und wird zu ganzen oder vollkommenen Schlüssen gebraucht; der Sprung aber vom Grundton in seine Quinte ist es etwas weniger und wird zur halben Kadenz gebraucht.7 Wenn man also diese Sprünge brauchen will, ohne eine sehr merkliche Ruhe zu bewirken, so muss man notwendig durch Einmischung dissonierender Töne oder durch andere merkliche Verminderung der Harmonie, das Gefühl dieser Ruhe vernichten.

 Die Quinte wird in Absicht auf den Hauptton, aus welchem ein Stück oder eine Hauptperiode desselben gesetzt ist, die Dominante genannt.

 Es ist vorher erinnert worden, dass die Quinte nicht, wie die weniger vollkommenen Konsonanzen groß und klein vorkomme, sondern immer in ihrem reinen Verhältnis 2/3 oder doch sehr wenig davon abweichend vorkommen müsse. Dennoch findet man nicht selten übermäßige Quinten, wie C - gis und dergleichen. Deren Ursprung und Beschaffenheit wir erklären müssen.

 Diese übermäßige Quinte, ist wie einige andere übermäßige Intervalle, in der neueren Musik dadurch aufgekommen, dass man gewisse melodische Fortschreitungen dadurch reizender zu machen suchte, dass man anstatt den folgenden Ton unmittelbar zu nehmen, sich des unter ihm liegenden halben Tones als eines Leittons bediente. Folgendes Beispiel zeigt zwei solche Fortschreitungen, die erste durch die übermäßige Quinte, die andere durch die übermäßige Sexte.

Hier wird im ersten Takt statt der reinen Quinte d, eine erhöhte dis genommen, weil dieser Ton das Subsemitonium des folgenden ist, das ihn als sein kräftigster Leitton, zum Voraus ankündigt. Eigentlich kann man nicht sagen, dass diese übermäßige Quinte eine Konsonanz sei: sie dissoniert stark und erweckt eben deswegen das Verlangen, nach dem darüber liegenden halben Ton.

 

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1 S. Quarte.

2 S. Konsonanz S. 225 .

3 S. Rein.

4 S. Temperatur.

5 S. Verminderter Dreiklang

6 S. Oktave.

7 S. Kadenz.

 


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