Quinten

Quinten. (Musik) Eine besondere Betrachtung verdienen die Quinten in der Fortschreitung nach gerader Bewegung, wovor die Anfänger der Setzkunst als vor einem der wichtigsten Fehler gewarnet werden.

 Es ist nämlich eine Sache, die sich leicht empfinden lässt, dass zwei oder mehr in gerader Bewegung auf einander folgende Quinten, als: etwas widriges haben und deswegen als ein Hauptfehler gegen den Satz verboten werden.

 Es haben viel Theoristen versucht den wahren Grund der so missfälligen Wirkung dieser Fortschreitung anzugeben. Aber es scheint noch immer, dass Huygens den Grund davon am richtigsten angegeben habe, da er angemerkt, dass durch eine solche Fortschreitung das Ohr über die Modulation ungewiss werde; indem die so aufeinander folgende Akkorde wirklich zwei Tonarten anzeigen. Die scharfsinnige Anmerkung dieses großen Mannes, verdient hier wörtlich angeführt zu werden. »Frägt man, sagt er, unsere Musikverständige, warum es ein Fehler sei zwei Quinten nach einander zu setzen; so sagen einige, es geschehe um die zu große Annehmlichkeit, die zwei so lieblich klingende Konsonanzen machen, zu vermeiden; andere sagen, man müsse in der Harmonie sich der Mannigfaltigkeit befleißigen. – Aber vielleicht werden die Einwohner irgend eines Planeten, des Jupiters oder der Venus, diesen wahrhafteren Grund hiervon angeben; dass in der geraden Fortschreitung von einer Quinte zur anderen, so etwas geschehe als wenn man plötzlich den Ton verändert hätte; dass die Quinte nebst der unter ihr liegenden Terz, die das Gehör, wenn sie auch nicht angeschlagen wird, doch hinzusetzt, den Ton völlig bestimmen, eine so plötzliche Abänderung desselben aber dem Gehör natürlicher Weise unangenehm und hart vorkommen müsse; wie denn überhaupt die Fortschreitung von einem konsonierenden Akkord auf einen anderen, der kein Intervall mit ihm gemein hat, allemal, (es sei denn bloß im Durchgange) hart klingt.«1

 Diesem Grunde kann man noch dem beifügen, dass diese vollkommene Konsonanz, besonders, wenn sie in der obersten Stimme gehört wird, eine Art von Ruhepunkt macht, der nicht unmittelbar darauf wieder vorkommen kann, ohne den Zusammenhang der Melodie ganz aufzuheben. Der genaue melodische Zusammenhang, wird durch Abwechslung der Dissonanzen und der minder vollkommenen Konsonanzen, nämlich der Terzen und Sexten bewirkt; deswegen auch die in gerader Bewegung auf einander folgenden Oktaven etwas widriges haben und selbst eine solche Folge von Quarten nicht ohne Vorsichtigkeit kann gebraucht werden.2

 Deswegen werden also zwei nacheinander folgende Quinten Stufen- und Sprungweise, auf und absteigend als wesentliche Fehler des Satzes verboten. Selbst in entgegengesetzter Bewegung als so: werden sie nicht anders als in sehr vollstimmigen Sachen erlaubt; wo der Reichtum der Harmonie den Fehler etwas bedeckt. So gar in den Fällen, wo diese Quinten nicht einmal wirklich gehört werden, sondern sich nur in der Einbildungskraft, da man sie als Übergänge sich vorstellt, klingen, haben sie diese Wirkung und werden dann verdeckte Quinten genannt. Sie entdecken sich leichte, wenn man das Intervall der nächsten durch einen Sprung auf einander folgenden Töne, durch die dazwischen liegenden Töne ausfüllt, wie in diesem Beispiele zu sehen ist. Folgende drei Fortschreitungen: klingen eben so als wann die zwischen den Sprüngen fehlenden Töne auch gehört werden, wie hier: Also müssen auch dergleichen verdeckte Quinten vermieden werden.

 So bald aber von zwei nach einander folgenden Quinten eine nur durchgehend ist und gar nicht als ein zur Harmonie des Basstons gehöriger Ton vorkommt; so verliert sie natürlicher Weise auch ihre schlechte Wirkung. Deswegen sind folgende Quintenfortschreitungen gar nicht verboten, weil die mit + bezeichneten Quinten, wie der Augenschein zeigt, gar nicht zur Harmonie des Basses gehören.

 

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1 Si enim ex nostris Musicis quæras, cur konsonantia Diapente post aliam similem vitiose ponatur, dicent alii nimiam dulcedinem devitari, quæ ex gratissimæ konsonantiæ iteratione nascatur; alii varietatem in harmonicis sequendam esse. – At Jovis aut Veneris incola forsitan veriorem hanc causam demonstrabit; quod à Diapente ad aliam deinceps pergendo, tale quid fiat, ac si repente toni statum immutemus; cum Diapente una cum interjecto ditoni sono (qui, si desit, mente suppletur) toni speciem certo constituat: hujus modi vero subita commutatio auribus merito injucunda inconditaque judicetur; cum etiam in universum ea plerumque durior accidat, (præterquam in transitu) quæ fit à tribus sonis konsonis ad trium aliorum harmoniam, nullo priorum manente. Hugenii Cosmothoreas L. I. Oper. Varior. T. III. p. 685.

2 S. Den Art. Quarte am Ende.

 


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