Der Arbeiter, Sklave der Bourgeoisie, muß sich täglich und stündlich selbst verkaufen


Dies Maß der durchschnittlichen Bedürfnisse und der durchschnittlichen Zivilisation der Arbeiter ist durch die komplizierten Verhältnisse der heutigen englischen Industrie ein sehr verwickeltes und für verschiedene Arbeiterklassen verschiedenes geworden, wie schon oben angedeutet wurde. Die meisten industriellen Arbeiten erfordern indes eine gewisse Geschicklichkeit und Regelmäßigkeit, und für diese, die dann auch einen gewissen Zivilisationsgrad erfordern, muß dann auch der Durchschnittslohn so sein, daß er den Arbeiter veranlaßt, sich diese Geschicklichkeit anzueignen und dieser Regelmäßigkeit der Arbeit sich zu unterwerfen. Daher kommt es, daß der Lohn der Industriearbeiter durchschnittlich höher ist als der der bloßen Lastträger, Tagelöhner usw., namentlich höher als der der Arbeiter auf dem Lande, wozu freilich noch die Verteurung der Lebensmittel in den Städten ihr Teil beiträgt.

Oder deutsch gesprochen: Der Arbeiter ist rechtlich und faktisch Sklave der besitzenden Klasse, der Bourgeoisie, so sehr ihr Sklave, daß er wie eine Ware verkauft wird, wie eine Ware im Preise steigt und fällt. Steigt die Nachfrage nach Arbeitern, so steigen die Arbeiter im Preise; fällt sie, so fallen sie im Preise; fällt sie so sehr, daß eine Anzahl Arbeiter nicht verkäuflich sind, "auf Lager bleiben", so bleiben sie eben liegen, und da sie vom bloßen Liegen nicht leben können, so sterben sie Hungers. Denn, um in der Sprache der Nationalökonomen zu sprechen, die auf ihren Unterhalt verwendeten Kosten würden sich nicht "reproduzieren", würden weggeworfnes Geld sein, und dazu gibt kein Mensch sein Kapital her. Und soweit hat Herr Malthus mit seiner Populationstheorie vollkommen recht. Der ganze Unterschied gegen die alte, offenherzige Sklaverei ist nur der, daß der heutige Arbeiter frei zu sein scheint, weil er nicht auf einmal verkauft wird, sondern stückweise, pro Tag, pro Woche, pro Jahr, und weil nicht ein Eigentümer ihn dem andern verkauft, sondern er sich selbst auf diese Weise verkaufen muß, da er ja nicht der Sklave eines einzelnen, sondern der ganzen besitzenden Klasse ist. Für ihn bleibt die Sache im Grunde dieselbe, und wenn dieser Schein der Freiheit ihm auch einerseits einige wirkliche Freiheit geben muß, so hat er auf der andern Seite auch den Nachteil, daß ihm kein Mensch seinen Unterhalt garantiert, daß er von seinem Herrn, der Bourgeoisie, jeden Augenblick zurückgestoßen und dem Hungertode überlassen werden kann, wenn die Bourgeoisie kein Interesse mehr an seiner Beschäftigung, an seiner Existenz hat. Die Bourgeoisie dagegen steht sich bei dieser Einrichtung viel besser als bei der alten Sklaverei - sie kann ihre Leute abdanken, wenn sie Lust hat, ohne daß sie dadurch ein angelegtes Kapital verlöre, und bekommt überhaupt die Arbeit viel wohlfeiler getan, als es sich durch Sklaven tun läßt, wie dies Adam Smith 2) ihr zu Troste vorrechnet.

Hieraus folgt denn auch, daß Adam Smith ganz recht hat, wenn er (a. a. 0. [p. 133]) den Satz aufstellt:

"daß die Nachfrage nach Arbeitern, gerade wie die Nachfrage nach irgendeinem andern Artikel, die Produktion von Arbeitern, die Quantität der erzeugten Menschen reguliert, diese Produktion beschleunigt, wenn sie zu langsam geht, sie aufhält, wenn sie zu rasch fortschreitet".

 

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2) "Man hat gesagt, daß der Verschleiß eines Sklaven auf Kosten seines Herrn vor sich gehe, während der eines freien Arbeiters für Rechnung dieses Arbeiters geschehe. Aber der Verschleiß des letzteren ist ebenfalls für Rechnung des Herrn. Der den Tagelöhnern, Dienern usw. von jeglicher Art bezahlte Lohn muß so hoch sein, daß er diese in den Stand setzt, die Rasse der Tagelöhner und Diener in der Weise fortzupflanzen, wie es die zunehmende, stationäre oder abnehmende Nachfrage der Gesellschaft nach solchen Leuten gerade verlangt. Aber obgleich der Verschleiß eines freien Arbeiters ebenfalls auf Kosten des Herrn vor sich geht, so kostet er ihm doch in der Regel viel weniger als der eines Sklaven. Der Fonds, der dazu bestimmt ist, den Verschleiß eines Sklaven zu reparieren oder zu ersetzen, wird gewöhnlich von einem nachlässigen Herrn oder unaufmerksamen Aufseher verwaltet etc." - A. Smith, "Wealth of Nations" [Der Reichtum der Nationen], 1, 8, p. 134 der MacCullochschen vierbändigen Ausgabe.


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