XIV. Unglücklicher Tod des schönen Hyazinthus


Merkur und Apollo.

 

MERKUR. Warum so finster, Apollo?

APOLLO. Weil mir's in meinen Liebesangelegenheiten so hinderlich geht.

MERKUR. Das ist freilich betrübt. Aber darf man fragen, was dich dermalen veranlaßt, dein Schicksal in der Liebe anzuklagen? Geht dir etwa die Geschichte mit der Daphne noch im Kopfe herum?

APOLLO. Das nicht; ich traure nur um meinen Liebling, den Sohn des Öbalus aus Lakonien.

MERKUR. Wie? der schöne Hyazinth wäre tot?

APOLLO. Leider!

MERKUR. Aber woran denn? Wer konnte ein so großer Feind von allem, was liebenswürdig ist, sein, um einen so schönen Knaben zu töten?

APOLLO. Ich selbst hab es getan.

MERKUR. Bist du rasend, Apollo?

APOLLO. Das nicht; mein Unglück machte mich wider Willen zu seinem Mörder.

MERKUR. Ich wünschte wohl zu hören, wie das zuging.

APOLLO. Er lernte den Diskus werfen, und ich war sein Gespiele dabei. Nun war der verdammteste aller Winde, der Zephyr, auch und schon lange in den Knaben verliebt; weil er aber kein Gehör bei ihm fand, lauerte er auf eine Gelegenheit, sich zu rächen. Indem ich nun den Diskus, wie wir schon so oft getan, in die Höhe werfe, bläst der verfluchte Zephyr vom Taygetus herab und treibt ihn im Herunterfallen dem Knaben mit solcher Gewalt auf den Kopf, daß das Blut gleich stromweise aus der Wunde floß und der Knabe auf der Stelle starb. Wütend verfolgte ich Zephyrn bis an den Berg und verschoß alle meine Pfeile vergebens nach ihm: dem Knaben aber richtete ich zu Amyklä, an dem Orte, wo ihn der unglückliche Diskus niederschlug, einen hohen Grabhügel auf; und aus seinem Blute, Merkur, mußte mir die Erde die schönste und lieblichste aller Blumen hervortreiben, und ich bezeichnete sie mit den Buchstaben der Totenklage. Findest du nun nicht, daß ich Ursache habe, traurig zu sein?

MERKUR. Nein! denn da du wußtest, daß du dir einen Sterblichen zum Liebling erkoren hattest, wie kannst du es übelnehmen, daß er gestorben ist?


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