Einteilung

 

Wir haben hier drei Verhältnisse der Idee zu ihrer Gestaltung zu betrachten.

 1. Den Anfang nämlich erstens macht die Idee, insofern sie selbst noch in ihrer Unbestimmtheit und Unklarheit oder in schlechter, unwahrer Bestimmtheit zum Gehalt der Kunstgestalten gemacht wird. Als unbestimmt hat sie an sich selbst noch nicht diejenige Individualität, welche das Ideal erheischt; ihre Abstraktion und Einseitigkeit läßt die Gestalt äußerlich mangelhaft und zufällig. Die erste Kunstform ist deshalb mehr ein bloßes Suchen der Verbildlichung als ein Vermögen wahrhafter Darstellung. Die Idee hat die Form noch in sich selber nicht gefunden und bleibt somit nur das Ringen und Streben danach. Wir können diese Form im allgemeinen die symbolische Kunstform nennen. Die abstrakte Idee hat in dieser Form ihre Gestalt außerhalb ihrer in dem natürlichen sinnlichen Stoff, von welchem nun das Gestalten ausgeht und daran gebunden erscheint. Die Gegenstände der Naturanschauungen werden einerseits zunächst gelassen, wie sie sind, doch zugleich [wird] die substantielle Idee als ihre Bedeutung in sie hineingelegt, so daß sie nun dieselbe auszudrücken den Beruf erhalten und so interpretiert werden sollen, als ob in ihnen die Idee selbst gegenwärtig wäre. Dazu gehört, daß die Gegenstände der Wirklichkeit in sich eine Seite haben, nach welcher hin sie eine allgemeine Bedeutung darzustellen imstande sind. Da aber ein vollständiges Entsprechen noch nicht möglich ist, so kann dies Beziehen nur eine abstrakte Bestimmtheit betreffen, wie wenn im Löwen z. B. die Stärke gemeint ist.   

Bei dieser Abstraktion der Beziehung kommt andererseits ebenso die Fremdheit der Idee und der Naturerscheinungen ins Bewußtsein, und wenn sich nun auch die Idee, welche keine andere Wirklichkeit zu ihrem Ausdruck hat, in allen diesen Gestalten ergeht, in ihrer Unruhe und Maßlosigkeit in ihnen sich sucht, aber sie dennoch sich nicht adäquat findet, so steigert sie nun die Naturgestalten und Erscheinungen der Wirklichkeit selber ins Unbestimmte und Maßlose; sie taumelt in ihnen herum, sie braut und gärt in ihnen, tut ihnen Gewalt an, verzerrt und spreizt sie unnatürlich auf und versucht, durch Zerstreuung, Unermeßlichkeit und Pracht der Gebilde die Erscheinung zur Idee zu erheben. Denn die Idee ist hier noch das mehr oder weniger Unbestimmte, Ungestaltbare, die Naturgegenstände aber in ihrer Gestalt sind durchweg bestimmt.

 Bei der Unangemessenheit beider gegeneinander wird das Verhältnis der Idee zur Gegenständlichkeit daher ein negatives, denn sie als Inneres ist selbst unzufrieden mit solcher Äußerlichkeit und setzt sich als deren innere allgemeine Substanz über alle diese ihr nicht entsprechende Gestaltenfülle erhaben fort. In dieser Erhabenheit wird dann freilich die Naturerscheinung und menschliche Gestalt und Begebenheit genommen und gelassen, wie sie ist, doch zugleich als unangemessen gegen ihre Bedeutung erkannt, welche sich weit über allen Weltinhalt hinaushebt.

 Diese Seiten machen im allgemeinen den Charakter des ersten Kunstpantheismus des Morgenlandes aus, der einerseits auch in die schlechtesten Gegenstände die absolute Bedeutung hineinlegt, andererseits die Erscheinungen gewaltsam zum Ausdruck seiner Weltanschauung zwingt und dadurch bizarr, grotesk und geschmacklos wird oder die unendliche, aber abstrakte Freiheit der Substanz verachtend gegen alle Erscheinungen als nichtige und verschwindende kehrt. Dadurch kann die Bedeutung dem Ausdruck nicht vollendet eingebildet werden, und bei allem Streben und Versuchen bleibt die Unangemessenheit von Idee und Gestalt dennoch unüberwunden bestehen. — Dies wäre die erste Kunstform, die symbolische, mit ihrem Suchen, ihrer Gärung, Rätselhaftigkeit und Erhabenheit.

 2. In der zweiten Kunstform nun, welche wir als die klassische bezeichnen wollen, ist der zwiefache Mangel der symbolischen getilgt. Die symbolische Gestalt ist unvollkommen, weil einerseits in ihr die Idee nur in abstrakter Bestimmtheit oder Unbestimmtheit ins Bewußtsein tritt und andererseits dadurch die Übereinstimmung von Bedeutung und Gestalt stets mangelhaft und selber nur abstrakt bleiben muß. Als Auflösung dieses gedoppelten Mangels ist die klassische Kunstform die freie adäquate Einbildung der Idee in die der Idee selber eigentümlich ihrem Begriff nach zugehörige Gestalt, mit welcher sie deshalb in freien, vollendeten Einklang zu kommen vermag. Somit gibt erst die klassische Form die Produktion und Anschauung des vollendeten Ideals und stellt dasselbe als verwirklicht hin.

 Die Angemessenheit jedoch von Begriff und Realität im Klassischen muß ebensowenig, als es beim Ideal der Fall sein durfte, in dem bloß formellen Sinne der Übereinstimmung eines Inhalts mit seiner äußeren Gestaltung genommen werden. Sonst wäre jedes Porträt der Natur, jede Gesichtsbildung, Gegend, Blume, Szene usf., die den Zweck und Inhalt der Darstellung ausmacht, durch solche Kongruenz von Inhalt und Form schon klassisch. Die Eigentümlichkeit des Inhalts besteht im Gegenteil im Klassischen darin, daß er selbst konkrete Idee ist und als solche das konkret Geistige; denn nur das Geistige ist das wahrhaft Innere. Für solchen Inhalt sodann ist unter dem Natürlichen dasjenige zu erfragen, welches für sich selbst dem Geistigen an und für sich zukommt. Der ursprüngliche Begriff selber muß es sein, der die Gestalt für die konkrete Geistigkeit erfunden hat, so daß jetzt der subjektive Begriff — hier der Geist der Kunst — sie nur gefunden und als natürliches gestaltetes Dasein der freien individuellen Geistigkeit gemäß gemacht hat. Diese Gestalt, welche die Idee als geistige — und zwar die individuell bestimmte Geistigkeit - an sich selbst hat, wenn sie sich in zeitliche Erscheinung herausmachen soll, ist die menschliche Gestalt. Das Personifizieren und Vermenschlichen hat man zwar häufig als eine Degradation des Geistigen verleumdet; die Kunst aber, insofern sie das Geistige in sinnlicher Weise zur Anschauung zu bringen hat, muß zu dieser Vermenschlichung fortgehen, da der Geist nur in seinem Leibe in genügender Art sinnlich erscheint. Die Seelenwanderung ist in dieser Beziehung eine abstrakte Vorstellung, und die Physiologie müßte es zu einem ihrer Hauptsätze machen, daß die Lebendigkeit notwendig in ihrer Entwicklung zur Gestalt des Menschen fortzugehen habe als der einzig für den Geist angemessenen sinnlichen Erscheinung.

 Der menschliche Körper in seinen Formen gilt nun aber in der klassischen Kunstform nicht mehr bloß als sinnliches Dasein, sondern nur als Dasein und Naturgestalt des Geistes und muß deshalb aller Bedürftigkeit des nur Sinnlichen und der zufälligen Endlichkeit des Erscheinens entnommen sein. Ist in dieser Weise die Gestalt gereinigt, um den ihr gemäßen Inhalt in sich auszudrücken, so muß auf der anderen Seite, wenn die Übereinstimmung von Bedeutung und Gestalt vollendet sein soll, ebensosehr auch die Geistigkeit, welche den Inhalt ausmacht, von der Art sein, daß sie vollständig in der menschlichen Naturgestalt sich auszudrücken imstande ist, ohne über diesen Ausdruck im Sinnlichen und Leiblichen hinauszuragen. Dadurch ist der Geist hier zugleich als partikulärer bestimmt, als menschlicher, nicht als schlechthin absoluter und ewiger, indem dieser nur als Geistigkeit selbst sich kundzugeben und auszudrücken fähig ist.

 Dieser letzte Punkt wird wiederum der Mangel, an welchem die klassische Kunstform sich auflöst und den Übergang in eine höhere dritte fordert, nämlich in die romantische.

 


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