I. Begrenzung der Ästhetik und Widerlegung einiger Einwürfe gegen die Philosophie der Kunst

 

Durch diesen Ausdruck nun schließen wir sogleich das Naturschöne aus. Solche Begrenzung unseres Gegenstandes kann einerseits als willkürliche Bestimmung erscheinen, wie denn jede Wissenschaft sich ihren Umfang beliebig abzumarken die Befugnis habe. In diesem Sinne aber dürfen wir die Beschränkung der Ästhetik auf das Schöne der Kunst nicht nehmen. Im gewöhnlichen Leben zwar ist man gewohnt, von schöner Farbe, einem schönen Himmel, schönem Strome, ohnehin von schönen Blumen, schönen Tieren und noch mehr von schönen Menschen zu sprechen, doch läßt sich, obschon wir uns hier nicht in den Streit einlassen wollen, inwiefern solchen Gegenständen mit Recht die Qualität Schönheit beigelegt und so überhaupt das Naturschöne neben das Kunstschöne gestellt werden dürfe, hiergegen zunächst schon behaupten, daß das Kunstschöne höher stehe als die Natur. Denn die Kunstschönheit ist die aus dem Geiste geborene und wiedergeborene Schönheit, und um soviel der Geist und seine Produktionen höher steht als die Natur und ihre Erscheinungen, um soviel auch ist das Kunstschöne höher als die Schönheit der Natur. Ja formell betrachtet, ist selbst ein schlechter Einfall, wie er dem Menschen wohl durch den Kopf geht, höher als irgendein Naturprodukt, denn in solchem Einfalle ist immer die Geistigkeit und Freiheit präsent. Dem Inhalt nach freilich erscheint z. B. die Sonne als ein absolut notwendiges Moment, während ein schiefer Einfall als zufällig und vorübergehend verschwindet; aber für sich genommen ist solche Naturexistenz wie die Sonne indifferent, nicht in sich frei und selbstbewußt, und betrachten wir sie in dem Zusammenhange ihrer Notwendigkeit mit anderem, so betrachten wir sie nicht für sich und somit nicht als schön.

Sagten wir nun überhaupt, der Geist und seine Kunstschönheit stehe höher als das Naturschöne, so ist damit allerdings noch soviel als nichts festgestellt, denn höher ist ein ganz unbestimmter Ausdruck, der Naturund Kunstschönheit noch als im Raume der Vorstellung nebeneinanderstehend bezeichnet und nur einen quantitativen und dadurch äußerlichen Unterschied angibt. Das Höhere des Geistes und seiner Kunstschönheit der Natur gegenüber ist aber nicht ein nur relatives, sondern der Geist erst ist das Wahrhaftige, alles in sich Befassende, so daß alles Schöne nur wahrhaft schön ist als dieses Höheren teilhaftig und durch dasselbe erzeugt. In diesem Sinne erscheint das Naturschöne nur als ein Reflex des dem Geiste angehörigen Schönen, als eine unvollkommene, unvollständige Weise, eine Weise, die ihrer Substanz nach im Geiste selber enthalten ist. - Außerdem wird uns die Beschränkung auf die schöne Kunst sehr natürlich vorkommen, denn soviel auch von Naturschönheiten - weniger bei den Alten als bei uns - die Rede ist, so ist doch wohl noch niemand auf den Einfall gekommen, den Gesichtspunkt der Schönheit der natürlichen Dinge herauszuheben und eine Wissenschaft, eine systematische Darstellung dieser Schönheiten machen zu wollen. Man hat wohl den Gesichtspunkt der Nützlichkeit herausgenommen und hat z. B. eine Wissenschaft der gegen die Krankheiten dienlichen natürlichen Dinge, eine materia medica, verfaßt, eine Beschreibung der Mineralien, chemischen Produkte, Pflanzen, Tiere, welche für die Heilung nützlich sind, aber aus dem Gesichtspunkte der Schönheit hat man die Reiche der Natur nicht zusammengestellt und beurteilt. Wir fühlen uns bei der Naturschönheit zu sehr im Unbestimmten, ohne Kriterium zu sein, und deshalb würde solche Zusammenstellung zu wenig Interesse darbieten.

Diese vorläufigen Bemerkungen über die Schönheit in der Natur und Kunst, über das Verhältnis beider und das Ausschließen der ersteren aus dem Bereich unseres eigentlichen Gegenstandes sollen die Vorstellung entfernen, als falle die Beschränkung unserer Wissenschaft nur der Willkür und Beliebigkeit anheim. Bewiesen sollte dies Verhältnis hier noch nicht werden, denn die Betrachtung desselben fällt innerhalb unserer Wissenschaft selber und ist deshalb erst später näher zu erörtern und zu beweisen.

 


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