Erkenntnis - Wundt, Husserl


Nach WUNDT ist Erkennen ein Denken »mit dem sich die Überzeugung der Wirklichkeit der Gedankeninhalte verbindet« (Syst. d. Philos.2, S. 85). Ursprünglich gilt alles Denken als Erkennen, ist das Erkennen eins mit seinem Gegenstande. »Allmählich erst scheidet sich, teils infolge der Reflexion über die Gedächtnis- und Phantasie-Tätigkeit, teils aus Anlaß der Konflikte, die sich zwischen verschiedenen Erkenntnisakten erheben der Vorgang des Erkennens von dem Objekt, auf das es bezogen wird, und nun erst wird dem Denken die Rolle einer subjektiven Tätigkeit zugeteilt, die mit, den Objekten, die in sie eingehen, nicht identisch, sondern dazu bestimmt sei, diese in allmählicher Annäherung nachzubilden« (l.c. S. 85 ff.). Das »Postulat von der Begreiflichkeit der Erfahrung« liegt allem Erkennen zugrunde. »Indern die Erkenntnisobjekte beständig die Probe bestehen, daß sie sich durch unser Denken in einen begreiflichen Zusammenhang bringen lassen, zeigt es sich, daß unser Denken auf die Erkenntnis des Wirklichen angelegt ist« (Log. I2, S. 89 f., 59, 435). Erkennen ist »begründendes Denken« (l.c., Syst. d. Philos.2, S. 80 ff., 167 f.). Die Erkenntnis ist »ein Resultat der Bearbeitung unmittelbar gegebener Tatsachen des Bewußtseins durch das Denken« (Log. I2, 423), ein Produkt der Bearbeitung der Erfahrung durch das Denken (Phil. Stud. VII, 47). Drei Stufen solcher logischen Bearbeitung gibt es: Wahrnehmungs-, Verstandes-, Vernunfterkenntnis, d.h. Erkenntnis des praktischen Lebens, einzelwissenschaftliche, philosophische Erkenntnisart (Log. I2, 89 f.; Syst. d. Philos.2, S. 89, 104; Phil. Stud. XII u. XIII). Von den Außendingen haben wir in der Naturwissenschaft eine mittelbare, symbolisch-begriffliche, von uns selbst eine unmittelbare, anschauliche Erkenntnis (s. Erfahrung). Nach UPHUES besteht der Erkenntnisvorgang in einem »Bewußtseinsausdruck des Gegenstandes« (Psychol. d. Erk. I, 101). Nach HUSSERL ist »Erkenntnis« die »Erfüllung der Bedeutungsintention« (Log. Unt. II, 505), ein »Identitätserlebnis«, ein identificierender Akt (l.c. S. 507). »Alles, was ist, ist ›an sich‹ erkennbar...«, aber nicht alles wirklich ausdrückbar (l.c. S. 90 ff.). Nach TH. ZIEGLER ist das Erkennen ein Produkt der Abstumpfung des Gefühles (Das Gefühl S. 147). Nach HAGEMANN ist Erkennen »diejenige Tätigkeit, wodurch wir einen bestimmten Gegenstand auffassen oder die Vorstellung desselben in uns ausdrucken«. Es ist »ein Denken, welches ein Seiendes zum Inhalte hat« (Log. u. Noet.5, S. 124). Nach B. STEINER besteht das Erkennen »in der Verbindung des Begriffes mit der Wahrnehmung durch das Denken« (Phil. d. Freih. S. 228, 90).

Die Kantianer (H. COHEN, P. NATORP u. a.) sehen im Erkennen eine synthetische, gesetzschaffende, Objektivität herstellende Synthesis (s. d.) von Erfahrungsinhalten actualer und potentieller Art, keine Nachbildung von Dingen an sich. Das Letztere behauptet auch die Immanenzphilosophie (s. d.), nach der alles Sein (s. d.) Bewußtsein ist (SCHUPPE, REHMKE, SCHUBERT-SOLDERN, v. LECLAIR, M. KAUFFMANN, ZIEHEN u. a.). - EUCKEN lehrt einen dem Fichteschen verwandten Idealismus (s. d.).


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