Identitätsphilosophie - Parmenides, Kant
Eine Identität von Denken (Gedachtsein) und Sein lehren die Eleaten. Von PARMENIDES wird sie behauptet: to gar auto noein estin te kai einai (dasselbe ist Denken und Sein) im Sinne von: tôuton d' esti noein te kai houneken esti noêma. Ou gar anen tou eontos, en hô pephatismenon estin, Heurêseis to noein. ouden gar estin ê estai ê estai 'Allo parex tou eontos (das Denken ist nur als Sein-Denken, als Denken eines Seienden, möglich; Plot., Enn. V, 1, 8; Clem. Alex. Strom. VI, 627 b; Simplic. in Arist. Phys. 25 E, 146 D). Von einer potentiellen Identität des Geistes, Denkens und Denkinhaltes spricht ARISTOTELES, welcher meint, hoti dynamei pôs esti ta noêty ho nous, all' entelecheia ouden, prin an noê (De an. III 4, 429 a 30); to d' auto estin hê gar energeian epistêmê tô pragmati (De all. III 5, 430 a 20). Das pneuma der Stoiker ist der gemeinsame Träger physischer und psychischer Vorgänge. Nach PLOTIN ist der Geist nous identisch mit den seienden Denkinhalten: nois dê kai on tauton. autos ta pragmata. esti de ephexês to on kai nous (Enn. V, 4, 2; 1, 10). Das Seiende ist der Geist, indem er es denkt, setzt. Das Denken ist das Gesetz, die Einheit des Seienden (Enn. V, 9, 5 f.). Eine Natur ist das Seiende und der Geist, die Gedanken sind die Form und Gestalt des Seienden (l.c. V, 9, 8). Denken und Sein haben eine gemeimsame Ursache. Beide konstituieren in ihrer Zweiheit das Eine, welches zugleich Intellekt und seiend und denkend und gedacht ist (Enn. V, 1, 4). Eine realistische Identitätsphilosophie findet sich bei G. BRUNO, besonders aber bei SPINOZA. Die eine Substanz (s. d.) hat (unter vielen auch die) zwei Attribute (s. d.): Denken und Ausdehnung, sie stellt sich als Geist und als Materie dar. »Quod substantia cogitans et substantia extensa una eademque est substantia, quae iam sub hoc, iam sub illo attributo comprehenditur. Sic etiam modus extensionis et idea illius modi eademque est res: sed duobus modis expressa« (Eth. II, prop. VII, schol.). Leib und Seele (s. d.) sind zwei Seinsweisen der einen Substanz, die allen Individuell immanent ist. Eine Ordnung und Gesetzmäßigkeit liegt dem geistigen wie dem physischen Geschehen zugrunde: »Ordo et connexio idearum idem est, ac ordo et connexio rerum« (Eth. II, prop. VII). »Quicquid ex infinita Dei natura sequitur formaliter, id omne ex Dei idea eodem ordine eademque connexione sequitur in Deo obiective« (l.c. coroll.). Mit der Identitätsphilosophie hat der LEIBNIZsche Spiritualismus (s. d.) und Idealismus eine gewisse Verwandtschaft. Hypothetisch formuliert den Identitätsgedanken KANT: »Ob nun... gleich die Ausdehnung, die Undurchdringlichkeit..., kurz alles, was uns äußere Sinne nur liefern können, nicht Gedanken, Gefühl, Neigung oder Entschließung sein oder solche enthalten werden, als die überall keine Gegenstände äußerer Anschauung sind, so könnte doch wohl dasjenige Etwas, welches den äußeren Erscheinungen zugrunde liegt, was unseren Sinn so affiziert, daß er die Vorstellungen von Raum, Materie, Gestalt etc. bekommt, dieses Etwas, als Noumenon (oder besser als transzendentaler Gegenstand) betrachtet, könnte doch auch zugleich das Subjekt der Gedanken sein.« »Auf solche Weise würde ebendasselbe, was in einer Beziehung körperlich heißt, in einer andern zugleich ein denkend Wesen sein, dessen Gedanken wir zwar nicht, aber doch die Zeichen derselben in der Erscheinung anschauen können. Dadurch würde der Ausdruck wegfallen, daß nur Seelen (als besondere Arten von Substanzen) denken; es würde vielmehr wie gewöhnlich heißen, daß Menschen denken, d. i. ebendasselbe, was, als äußere Erscheinung, ausgedehnt ist, innerlich (an sich selbst) ein Subjekt sei, was nicht zusammegesetzt, sondern einfach ist und denkt« (Krit. d. r. Vern. S. 305 f.). In dieser (idealistischen) Form kommt die Identitätsphilosophie von nun an zur Geltung. Schon J. G. FICHTE bemerkt: »Wie ich mich..., wie ich muß, wirkend denke auf ihn (den Stoff), werde ich mir selbst zu Stoff; und inwiefern ich so mich erblicke, nenne ich mich einen materiellen Leib« (Syst. d. Sittenl. S. XV). Ich erscheine, »von zwei Seiten angesehen, als Wille und als Leib« (l.c. S. XVII). Die Außenwelt ist die Erscheinung der »Selbsttätigkeit« des Ich (l.c. S. XVIII). FRIES nennt Geist und Körper »zweierlei Ansichten derselben Welt« (N. Krit. II, 113). »Wir behaupten, daß uns in den Geistestätigkeiten und im körperlichen Leben dasselbe Wesen erscheine, aber nach ganz verschiedenen Erscheinungsweisen« (Anthrop. § 2).