Identität - Moderne


Nach KANT ist die Identität des reinen Selbstbewußtseins eine Bedingung und die Quelle der Identität der Objekte. »Alle möglichen Erscheinungen gehören, als Vorstellungen, zu dem ganzen möglichen Selbstbewußtsein. Von diesem aber, als einer transzendentalen Vorstellung, ist die numerische Identität gewiß, weil nichts in die Erkenntnis kommen kann, ohne vermittelst dieser ursprünglichen Apperzeption. Da nun diese Identität notwendig in der Synthesis alles Mannigfaltigen der Erscheinungen, sofern sie empirische Erkenntnis werden soll, liegt, so sind die Erscheinungen Bedingungen a priori unterworfen« (Krit. d. r. Vern. S. 125). Die »Identität des Bewußtseins meiner selbst in verschiedenen Zeiten« beweist nicht die numerische Identität meines Subjekts, ist nur »eine formale Bedingung meiner Gedanken und ihres Zusammenhanges« (Krit. d. r. Vern. S. 308). »Wenn ich die numerische Identität eines äußeren Gegenstandes durch Erfahrung erkennen will, so werde ich auf das Beharrliche derjenigen Erscheinung, worauf, als Subjekt, sich alles übrige als Bestimmung bezieht, achthaben und die Identität von jenem in der Zeit, da dieses wechselt, bemerken. Nun aber bin ich ein Gegenstand des inneren Sinnes, und alle Zeit ist bloß die Form des innern Sinnes. Folglich beziehe ich alle und jede meiner sukzessiven Bestimmungen auf das numerisch Identische selbst, in aller Zeit, d. i. in der Form der innern Anschauung meiner selbst.« »In der ganzen Zeit, darin ich mir meiner bewußt bin, bin ich mir dieser Zeit, als zur Einheit meines Selbst gehörig, bewußt« (ib.).

Nach J. G. FICHTE ist der höchste Trieb im Menschen »der Trieb nach Identität, nach vollkommener Übereinstimmung mit sich selbst, und damit er stets mit sich übereinstimmen könne, nach Übereinstimmung alles dessen, was außer ihm ist, mit seinen notwendigen Begriffen davon« (Bestimm. d. Gelehrt. 2. Vorles.). SCHELLING bestimmt die Identität als die Form des absoluten Ich (Vom Ich S. 39). »Nur das Ich ist es, das allem, was ist, Einheit und Beharrlichkeit verleiht; alle Identität kommt nur dem im Ich Gesetzten... zu« (l.c. S. 41). Der Satz A = A (s. d.) wird erst durch das absolute Ich begründet (ib.). Im Ich sind Handeln und Sein ursprünglich identisch (Syst. d. tr. Ideal. S. 317). Die »absolute Identität« des Geistigen und Körperlichen, subjektiven und Objektiven ist der Quell alles Seins (Naturphilos. S. 276; s. Identitätsphilosophie). HEGEL bestimmt: »Das Wesen scheint in sich oder ist reine Reflexion; so ist es nur Beziehung auf sich, nicht als unmittelbare, sondern als reflektierte, - Identität mit sich.« Das ist die »formelle oder Verstandes-Identität« (Encykl. § 115). K. ROSENKRANZ: »Das Wesen ist unmittelbar das Sein, wie es sich auf sich selbst bezieht. So ist es notwendig sich gleich. Es ist als Beziehung auf sich dasselbe, was es an sich ist. Die Gleichheit ist daher auch die durchgängige« (Syst. d. Wiss. S. 50). BOLZANO sieht in der Einerleiheit einen Begriff, »der aus der Vergleichung eines Dinges (lediglich) mit sich selbst entspringt« (Betrachtungen üb. ein. Gegenstände d. Elementargeom. 1804, S. 44). Nach VOLKMANN geht der Identitätsbegriff aus dem Bewußtwerden der Notwendigkeit des analytischen Urteils hervor (Lehrb. d. Psychol. II4, 277). »Der Identität und Dependenz werden wir bewußt, indem mit dem Bewußtsein bestimmter Vorstellungen das Bewußtsein jener Förderungen zusammenfällt, das den Vorstellungen innerhalb des Urteils aus ihrer Zusammengehörigkeit erwächst« (l.c. S. 338). DESTUTT DE TRACY: »Identité veut dire similitude parfaite et complète« (Elem. d'idéol. III, ch. 1, p. 160).

Nach MEINONG ist die Identität an den Umstand geknüpft, daß ein Ding an mehreren Relationen participiert (Hume-Stud. II, 137 ff., 140 f.). UPHUES: »Wir nennen das identisch oder dasselbe, was als gemeinschaftliches Relationsglied mehrerer Relationen auftritt« (Psychol. d. Erk. I, 125). Nach MARTY heißt identisch das, »wovon das eine mit Recht dem andern zuerkannt werden kann«, »dasjenige, wovon in Wahrheit das eine das andere ist« (Viertelj. f. wiss. Philos. 19. Bd., S. 76 f.). Nach B. ERDMANN ist Identität »ein Merkmal, das jedem Gegenstande eigen« ist (Log. I, 168). Identität ist »kein allgemeines Merkmal des Bewußten als solchen..., sondern des vorgestellten Bewußten« (l.c. S. 170). »Das Merkmal der Identität mit sich selbst ist ein ursprüngliches, kein abgeleitetes« (ib.). Nach SCHUPPE bedeutet »Identität« entweder, »daß zwei Eindrücke, wenn wir von dem unterscheidenden Wann absehen, dasselbe sind«, oder daß ein Bestimmtes, zweimal wahrgenommen oder zweimal gedacht, als dasselbe bewußt ist (Log. S. 39). Es kann »bei allen Fragen, ob noch dasselbe oder etwas anderes (Neues), nur auf die mitgebrachten Gesichtspunkte, auf welche das Interesse sich richtet, ankommen« (l.c. S. 122, vgl. S. 45). Nach SCHUBERT-SOLDERN beruht die Identität des Dinges »auf der Beständigkeit seiner inhaltlich bestimmten Kausalverhältnisse« (Gr. e. Erk. S. 19) Nach H. CORNELIUS beruht sie auf denselben Wahrnehmungsmöglichkeiten (Psychol. S. 98 f.). »Identität ist keine Beziehung zwischen Inhalten als solchen - zwei Inhalte können niemals identisch sein, da sie dann eben nicht zwei Inhalte wären, sondern nur einer. Identität kann vielmehr nur zwischen den Bedeutungen verschiedener Symbole bestehen, insofern diese tatsächlich dieselbe Bedeutung besitzen« (Einl. in d. Phil. S. 247). Nach WUNDT beruht die Relation der Identität in ihrer Anwendung stets »auf einem Denkprozess..., der nicht bloß das Gleiche gleichsetzt, sondern auch, was zur Identität unbrauchbar ist, davon absondert« (Log. I, 114). RIEHL sieht in der Identität das Grundprinzip alles Erkennens. Das Identitätsbewußtsein ist die »Quelle aller apriorischen Begriffe« (Philos. Krit. II, 1, 78). Es ist »das allgemeine logische Prinzip der Erfahrung« (ib.). »Einerseits ist diese Einheit und Sich-selbst-Gleichheit aller bewußten Tätigkeit das Ergebnis beharrlicher Erfahrungsgrundlagen, anderseits ist sie das Prinzip und die erste Bedingung ihrer Erkenntnis« (l.c. II 1, 234). »Damit im Wechsel der Eindrücke eine beharrliche Ich-Vorstellung entspringen kann, muß der Inhalt der Erfahrung außer der Verschiedenheit und Veränderung eine durchgreifende Gleichförmigkeit zeigen. Um aber das Gleiche als Gleiches zu erkennen, ist erforderlich, daß vor allem die Erkenntnistätigkeit selber gleichförmig ist, daß das Bewußtsein sich als dasselbe weiß und erhält« (ib.). »Nichts kann erfahren werden, was nicht zu einem Bewußtsein vereinigt gedacht werden kann« (l.c. S. 235). H. COHEN betont: »Die Selbigkeit des Seins ist ein Reflex der Identität des Denkens« (Log. S. 78). Die Identität scheidet das Urteil von der Vorstellung. »Die Veränderungen, denen die Vorstellung unterliegen mag, tangieren das Urteil nicht. Die Werte, die dem Urteil entspringen, sind unveränderlich« (l.c. S. 79). Die Identität macht das Urteil zum Urteil (ib.). Ähnlich M. PALÁGYI: »Dieselbe Wahrheit ist es..., die sich in unendlich vielen gleichlautenden Urteilsakten darstellen kann« (Die Log. auf d. Scheidewege S. 167). »Erst indem der urteilende Geist des Menschen in dem vergänglichen Eindruck etwas Unvergängliches findet, erhält der Eindruck eine Dieselbigkeit, eine Identität, d.h. er ist konstatiert oder identifiziert« (l.c. S. 217). Vgl. Identität, Satz der; Identitätsphilosophie, Selbstbewußtsein, Ich.


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