Wille - Kant, Schelling, Hegel

KANT bestimmt den Willen als Kausalität der Vernunft, als Vermögen, nach Prinzipien zu handeln, ein in der Vernunft begründetes Begehrungsvermögen (Met. d. Sitt.), ein Vermögen der vernünftigen Wesen, »ihre Kausalität durch die Vorstellung von Regeln zu bestimmen« (Krit. d. rein. Vern. S. 38). »Verstand und Wille sind bei uns Grundkräfte, deren der letztere, sofern er durch den ersteren bestimmt wird, ein Vermögen ist, etwas gemäß einer Idee, die Zweck genannt wird, hervorzubringen« (WW. IV, 439). Der Wille ist ein Vermögen, »der Vorstellung gewisser Gesetze gemäß sich selbst zum Handeln zu bestimmen« (Grundleg. zur Met. d. Sitt. 2. Absch. S. 63). Reiner Wille ist ein solcher, der nicht sinnlich- empirisch, sondern »ohne alle empirische Bewegungsgründe, völlig aus Prinzipien a priori« bestimmt wird (Grundleg. zur Met. d. Sitt., Vorr. S. 17). Der Wille »ist nichts anderes als praktische Vernunft«. Der vernünftige Wille ist »ein Vermögen, nur dasjenige zu wählen, was die Vernunft unabhängig von der Neigung als praktisch notwendig, d. i. als gut, erkennt« (l. c. 2. Abschn., S. 45. vgl. Autonomie, Imperativ, Sittlichkeit).

Nach KRUG ist der Wille »ein nach Begriffen und Regeln tätiges, mithin ein intellektuelles Begehrungsvermögen« (Fundamentalphilos. S. 185). Der Wille strebt »nach etwas nur darum und sofern, weil und wiefern es als gut gedacht wird« (Handb. d. Philos. I, 62). Nach FRIES ist der Wille das obere Begehrungsvermögen, das Vermögen besonnener Entschlüsse (Psych. Anthropol. § 63), ein »Vermögen, nach der Vorstellung von Regeln zu handeln« (l. c. § 64). Nach BOUTERWEK sind der Wille und die anderen Seelenkräfte »nur besondere Modifikationen einer und derselben lebendigen Tätigkeit« (Lehrb. d. philos. Wissensch. I, S. 80). Nach G. W. GERLACH ist der Wille »der den Organismus des Lebens durchdringende Trieb in der Form des Denkens«. Er ist »als eine Form des Lebens mit bestimmter materieller Erfüllung erst das Werk geistiger Entwicklung«, das Glied eines sukzessiv fortschreitenden Prozesses (Die Hauptmomente d. Philos. S. 150 ff.). Nach BIUNDE ist Wollen »das vernünftige Begehren des bereits gesetzten Zweckes und der Anwendung der Mittel für den Zweck« (Empir. Psychol. II, 436 ff.). Nach LICHTENFELS ist der Wille »die wirkliche Selbstbestimmung der Freiheit« (Gr. d. Psychol. S. 173). Nach HEINROTH ist der Wille die Kraft des Anfanges, der Selbstbestimmung (Psychol. S. 136 ff.). Nach HILLEBRAND ist der Wille »die psychische Selbstmacht..., insofern sie sich aus dem Gesichtspunkte der absoluten Zweckbestimmung der Dinge vollzieht« (Philos. d. Geist. I, 298). Zu unterscheiden sind: »Triebwille«, »willkürlicher Wille«, »freier Wille« (l. c. S. 299 ff.). E. REINHOLD sieht das konstitutive Merkmal des Willens in dem Charakter der Aktivität und Freiheit. »Denn die Willenskraft ist das Vermögen des beschränkten Ich, im Denken seiner Zwecke und der Weisen, wie die Zwecke ausgeführt werden können, und im Gefühle der Teilnahme für und wider die Gegenstände seines Denkens teils zu der Hervorrufung und Festhaltung der Vorstellungen, wie auch mittelbar hierdurch zu der Leitung und Beherrschung seiner Gemütsempfindungen, teils zu dem seine Gedanken und Empfindungen ausdrückenden und seine Absichten vollziehenden Muskelgebrauche - wählend zwischen entgegengesetzten Fällen sowohl der Art des Tuns, als des Tuns und des Unterlassens - mit eigentlichster Selbsttätigkeit sich zu bestimmen« (Lehrb. d. philos. propäd. Psychol. S. 281 ff.). Vgl. die Schriften von WEISS, ÜBERWASSER u. a. (s. Psychologie).

J. G. FICHTE definiert: »Sich mit dem Bewußtsein eigener Tätigkeit zur Hervorbringung einer Vorstellung bestimmen, heißt Wollen« (Vers. ein. Krit. all. Offenbar. § 2). Rein ist der Wille, »wenn Vorstellung sowohl als Bestimmung durch absolute Selbsttätigkeit hervorgebracht ist. - Dieses ist nur in einem Wesen möglich, das bloß tätig und nie leidend ist, in Gott« (ib.). »Ein Wollen ist ein absolut freies Übergehen von Unbestimmtheit zur Bestimmtheit, mit dem Bewußtsein desselben« (Syst. d. Sittenlehre S. 240. vgl. Gr. d. Naturrechts 1796, S. 168). Der Wille ist »derjenige Punkt, in welchem Intelligieren und Anschauen oder Realität sich innig durchdringen« (WW. I 2, 708. vgl. Ich). Nach SCHELLING ist Wille »Ursein« (s. Voluntarismus). Gott bedarf, »als die unmittelbare Potenz des unbegrenzten Seins«, »nichts als zu wollen, und hinwiederum jenes unbegrenzte Sein ist das durch sein bloßes Wollen Gesetzte«. Dieser Wille ist ein »immanenter, ein nur sich selbst bewegender Wille« (WW. I 10, 277). Der Wille, das blind Seiende, ist etwas im Absoluten, das überwunden wird, zum Nichtwollen zurückgebracht, ja zuletzt als »ruhender Wille, als reine Potenz« gesetzt werden kann (l. c. S. 277 f.. vgl. WW. II 3, 206). (Vorläuferin dieser Lehre ist die J. BÖHMEs, nach welcher in Gott ein »Ungrund«, ein unbestimmter Naturwille, Finsternis ist, in welches das erste, das Lichtprinzip sich imaginiert. Beschr. d. drei Prinzip. göttl. Wesens, 1618. vgl. unten E. v. HARTMANN.) - Nach ESCHENMAYER ist das Wollen »eine Funktion, welche aus der uns eingeborenen Idee der Tugend ihren Ursprung nimmt und die höchste Freiheit bezweckt« (Psychol. S. 379). SUABEDISSEN erklärt: »Das Wollen, in seiner Bewegung betrachtet, ist die Tätigkeit des geistigen Lebens, worin es die Richtung zum Wirken nimmt, und ist als Erweisung des geistigen Lebens immer zugleich ein Denken. Für sich betrachtet aber ist jedes Wollen eine bewußte Selbstbestimmung des Lebens«. Der Wille ist »das Leben als bewußte Selbstbestimmungskraft« (Grdz. d. Lehre von d. Mensch. S. 139 ff.). Denken und Wollen sind gegenseitig abhängig voneinander (l. c. S. 167). - Nach CHR. KRAUSE ist Wollen »diejenige Tätigkeit, worin das Ich als ganzes Ich seine Tätigkeit selbst bestimmt, so daß durch die Tätigkeit des Ich das Gute, das ist das Wesentliche, in der Zeit verwirklicht werde« (Vorles. E.. 240. vgl. S. 140. Log. S. 51. Anthropol.. vgl. AHRENS, Naturrecht I, 238).

Nach HEGEL ist der Wille eine Entwicklungsstufe des Geistes, praktischer Geist, freie Intelligenz (Encykl. § 443, 481. vgl. J. E. ERDMANN, Grundr. d. Psych. § 124, 167). Nach K. ROSENKRANZ hebt sich der theoretische Geist zum praktischen auf, oder er ist schon an sich der praktische, »indem das Denken die freie Selbstbestimmung des Subjektes ist, durch die es sich mit sich selbst erfüllt«. Das Denken ist schon Wollen, beide setzen einander voraus (Psychol.3, S. 414 f.). Nach MICHELET will der Wille die Identität von Subjekt und Objekt nicht auf allgemeine Weise, sondern im einzelnen verwirklicht sehen, er ist eine Verendlichung der Intelligenz (Anthropol. S. 441). Der Wille ist sinnlicher, reflektierter und freier Wille (l. c. S. 442 ff.). - Vgl. G. BIEDERMANN, Philos. als Begriffswissensch. I, 297 ff.


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