Willensfreiheit - Hensel, Ritter, Herbart

Nach P. HENSEL sind Freiheit und Kausalität zwei verschiedene Betrachtungsweisen des Willens. Psychologisch-wissenschaftlich ist das Handeln streng determiniert, vom Subjektiv-ethischen Standpunkt ist es frei, autonom (Hauptprobl. d. Eth. S. 101 f.). Nach K. LASSWITZ steht neben dem Gesetz der Notwendigkeit das »Grundgesetz der Freiheit«. »Wir könnten nicht moralisch urteilen, wenn wir von der Naturnotwendigkeit allein abhingen. wir können es aber, weil wir eine Stellung zu den Dingen einnehmen, ob sie sein sollen oder nicht. Darin sind wir von der Natur unabhängig« (Relig. u. Naturwiss. S. 14. vgl. Wirklichkeiten). Nach MÜNSTERBERG ist die Seele (s. d.) an sich frei (Grdz. d. Psychol. I, 397).

Nach GUTBERLET ist Freiheit »die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Handlungen oder Objekten zu wählen, ein endliches Gut dem andern vorzuziehen« (Die Willensfreih. u. ihre Gegner 1893, S. 23). Unter dem Einflusse der Motive ist der Wille die eigentliche Ursache (l. c. S. 12). Durch das Gute wird im allgemeinen die Richtung des Willens bestimmt, so aber, daß im einzelnen die Wahl frei ist (l. c. S. 23 ff.. vgl. Psychol.2). Nach PH. KNEIB ist Freiheit »Selbstbestimmung aus der begründenden Erkenntnis« (Die Willensfreih. u. d. innere Verantwortlichkeit 1898, S. 4. vgl. S. 8, 35, 55. vgl. LÖWE, Die spekul. Idee d. Freih. 1890. SCHELL, Apologet. II, 1896. vgl. Müffelmann, l. c. S. 65 ff.). Nach HAGEMANN ist die Willensfreiheit das Vermögen der Seele »mit freier, von äußerem Zwange wie von innerer Nötigung unabhängiger Wahl sich zu entscheiden« (Psychol.3, S. 128). Die Statistik beweist nichts dagegen. »Der menschliche Wille betätigt sich ja keineswegs als unbedingte Willkür, sondern er ist von vielfach verschiedenen Motiven und Umständen beeinflußt, welche nicht zwingend, aber mitbestimmend einwirken« (l. c. S. 130 f.). Wir haben das Bewußtsein der freien Selbstbestimmung, auch setzt die Verantwortlichkeit u.s.w. die Willensfreiheit voraus (l. c. S. 132 f.). - Nach F. MACH ist der Wille immer motiviert, aber die Motive zwingen nicht (Die Willensfreih. des Menschen 1887, S. 130). »Stets kann das Subjekt... der aufstrebenden Vorstellung eine andere Vorstellung oder ganze Vorstellungskomplexe in der Form von Grundsätzen entgegenwirken lassen und so jene Vorstellung zurückhalten und auf das Niveau der übrigen herabdrücken« (l. c. S. 133). Der Mensch ist zufolge seiner Vernünftigkeit »eigentlicher und ausschließlicher Urheber seiner Handlungen« (l. c. S. 116). - Dem Indeterminismus neigen zu, ohne abzuschließen, A. ÖLZELT-NEWIN (Weshalb d. Probl. d. Willensfreih. nicht zu lösen ist, 1900), R. MANNO (Heinrich Hertz für d. Willensfreih.? 1900. vgl. Die Voraussetzungen d. Probl. d. Willensfreih., Zeitschr. f. Philos. 117. Bd., 1900, S. 210 f.), K. DUNKMANN (Das Probl. d. Freih. in d. gegenwärt. Philos. 1899. vgl. über diese Denker: Müffelmann, l. c. S. 69 ff.). - Einen psychologisch-ethischen Freiheitsbegriff, bezw. den psychologischen Determinismus (teilweise mit indeterministischer Färbung) vertreten die folgenden Denker. Nach TIEDEMANN ist Freiheit »ein höherer, für uns der höchste Grad von Selbsttätigkeit« (Handb. d. Psychol. S. 258 f.). ZÖLLICH erklärt: »Die menschliche Willensfreiheit besteht... in dem Vermögen des Menschen, alle physischen Kräfte, die ihm zu Gebote stehen, verschieden zu gebrauchen nach Maßgabe seiner Absichten oder der Endzwecke, welche sein Geist denkt« (Üb. Prädeterminism. u. Willensfreih. 1825, S. 19 f.). M. DE BIRAN erklärt: »La liberté n'est autre chose que le sentiment du pouvoir d'agir, de créer l'effort constitutif du moi« (Oeuvr. I, 284). Die Notwendigkeit der einzelnen Handlungen lehrt SCHLEIERMACHER. Freiheit ist innere, geistige Determination (Üb. d. Freih. d. menschl. Will., bei Dilthey, Das Leb. Schleierm. 1870). »Frei ist jedes Sein, sofern man es als Kraft setzt, und der Notwendigkeit unterworfen, sofern es betrachtet wird im Zusammenhang mit anderen« (Dial. S. 150). Freiheit ist Entwicklung aus sich selbst, ist die Natur des Geistes (Psychol. B. 327). Nach H. RITTER sind die Dinge als Kraftzentren frei in ihrem Tun. Durch das Naturgesetz wird die Freiheit nicht aufgehoben, »denn die allgemeine Weltkraft ist in einem jeden Dinge auf eine besondere Weise gesetzt, und wenn also ein jedes Ding an der allgemeinen Weltkraft, welche alle Tätigkeiten bestimmt, teilhat, so hat es auch an der Bestimmung seiner Tätigkeiten teil, oder es bestimmt sich selbst zur Tätigkeit, das heißt, es ist frei« (Abr. d. philos. Log.2, S. 152 ff.). Als Autonomie des Geistes bestimmen die Freiheit BURDACH (Blicke ins Leben II, 202), JESSEN (Psychol. S. 360 ff.). Auch BENEKE. Die metaphysische Freiheit ist eine »in sich widersprechende Erdichtung« (Lehrb. d. Psychol.3, § 311). Freiheit ist Unabhängigkeit von aller äußern Kausalität und allen inneren Trieben, die dem sittlichen Willen entgegenstehen (Sittenlehre I, 510 ff.. II, 10. vgl. Grundleg. zur Phys. d. Sitt. S. 65 ff., 266. Syst. d. Met. S. 333 ff.. Pragm. Psychol. II, 285 ff., 313 ff.). Der Wille wird »in strengem ursächlichen Zusammenhange gebildet. nachdem er aber einmal gebildet ist, wirkt er in dieser Richtung und mit dieser Stärke unabhängig von aller äußeren Kausalität oder als ein freier« (Lehrb. d. Psychol.3, § 362. vgl. § 311). Nach HERBART sind zwar alle Handlungen determiniert, aber die Aktivität des Charakters bedingt die (relative) Freiheit (Zur Lehre von d. Freih. 1836, S. 46 ff.). In der Herrschaft der stärksten Vorstellungsmassen besteht die Freiheit (WW. I, 201 ff., II, 330, 402, IX, 8 ff.. XI, 214, 322 ff.. XII, 686, 692, 704 ff.. Lehrb. zur Einl.5, S. 306). Auch nach G. SCHILLING ist die absolute Wahlfreiheit eine Illusion (Lehrb. d. Psychol. S. 185). Frei ist vielmehr das Wollen, »welches aus einer vollständigen Überlegung hervorgegangen ist« (ib.). Nach ALLIHN ist psychologische Freiheit »die Fähigkeit, nach inneren Motiven des eigenen Selbst zu denken und zu wollen« (Gr. d. allg. Eth. S. 92). Nach VOLKMANN ist Freiheit »Autonomie, d.h. Bestimmung des Willens durch ein von dem Wollenden selbst anerkanntes Gesetz« (Lehrb. d. Psychol. II4, 485). »Das Gefühl der Freiheit ist das Gefühl der Selbstbeherrschung« (l. c. S. 486). »Der Mensch ist nicht ursprünglich frei, sondern wird frei« (l. c. S. 487). »Wer sein Wollen durch seine Vernunft determiniert, ist sittlich frei« (l. c. S. 492, vgl. THILO, Die Wissenschaftl. d. mod. spekul. Theol., 1851, S. 314. TEPE, Üb. d. Freih. u. Unfreih. d. menschl. Willens, 1861. DROBISCH, Die moral. Statist., 1867. O. FLÜGEL, Von der Freih. d. Willens, Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. X, 128 f.. G. A. LINDNER, Lehrb. d. empir. Psychol.9, S. 224 ff.).


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