Willensfreiheit - Descartes, Spinoza, Locke

Nach DESCARTES widerstreitet die Willensfreiheit nicht dem Wirken Gottes auf den Menschen (Medit. IV, 36 squ.. Princ. philos. I, 40 f.). Die Wahlfreiheit ist eine unzweifelhafte Tatsache. »Quod autem sit in nostra voluntate libertas, et multis ad arbitrium vel assentiri vel non assentiri possimus, adeo manifestum est, ut inter primas et maxime communes notiones, quae nobis sunt innatae, sit recensendum« (Princ. philos. I, 39). Der Wille kann seine Entscheidung, Zustimmung (»assensio«) zu einem (Denk -)Akte suspendieren, bis er durch eine klare und deutliche Erkenntnis sich leiten lassen kann. »Quippe cum voluntas nostra non determinatur ad aliquid vel persequendum vel fugiendum, nisi quatenus ei ab intellectu exhibetur tanquam bonum vel malum, sufficit, si semper recta indicemus, ut recte faciamus« (De meth. p. 24). »rei cogitantis voluntas fertur voluntarie quidem et libere (hoc enim est de essentia voluntatis) sed nihilo minus infallibiliter in bonum sibi clare cognitum« (App. ad med. ax. 7. vgl. Resp. ad obiect. Vl, 6). Nach MALEBRANCHE ist der Mensch frei, insofern er kann »suspendre son jugement et son amour« (Rech. I, 1, 2). Die »inclinations naturelles« sind »volontaires«, aber nicht im Sinne der »liberté d'indifférence« (l. c. I, 1, 1). - Einen metaphysischen Determinismus, verbunden mit dem ethischen Freiheitsbegriff, lehrt SPINOZA. Frei sein heißt nur, aus der Notwendigkeit der eigenen Natur selbsttätig handeln. »Ea res libera dicetur, quae ex sola suae naturae necessitate existit et a se sola ad agendum determinatur« (Eth. I, def. VII). In diesem Sinne handelt Gott (s. d.) frei und zugleich notwendig. »Deus ex solis suae naturae legibus et a nemine coactus agit« (l. c. prop. XVII). »Sequitur solum Deum esse causam liberam« (l. c. coroll. II). Aber: »Res nullo alio modo neque alio ordine a Deo produci potuerunt, quam productae sunt« (l. c. I, prop. XXXII, coroll.). Der menschliche Wille ist determiniert wie jeder Modus (s. d.) der göttlichen Substanz. »Voluntas non potest vocari causa libera, sed tantum necessaria« (l. c. I, prop. XXXII). Denn der Wille bedarf wie alles Geschehen einer Ursache, »a qua ad operandum certo modo determinatur« (l. c. coroll. 2). Alles in der Welt ist »ex necessitate divinae naturae determinata... ad certo modo existendum et operandum« (l. c. II, prop. XXIX). Es gibt keine absolute Willensfreiheit, jeder Akt ist determiniert durch eine Kette von Ursachen. »In mente nulla est absoluta sive libera voluntas, sed mens ad hoc vel illud volendum determinatur a causa, quae etiam ab alia determinata est et haec iterum ab alia, et sic in infinitum« (l. c. II, prop. XLVIII). »In mente nulla datur volitio sive affirmatio et negatio praeter illam, quam idea, quatenus idea est, involvit« (l. c. prop. XLIX). Nur weil wir uns der Beweggründe oft nicht bewußt sind, dünken wir uns frei (l. c. II, prop. II, schol.. so mußte auch ein geworfener Stein sich frei glauben. »Nempe falluntur homines, quod se liberos esse putant, quae opinio in hoc solo consistit, quod suarum actionum sunt conscii et ignari causarum, a quibus determinantur« (l. c. II, prop. XXXV, schol.). Sittlich frei ist, »qui ratione ducitur«, im Gegensatze zu dem, »qui solo affectu seu opinione ducitur« (l. c. IV, prop. XLVI, schol.). Frei werden wir, indem wir unsere Affekte (s. d.) beherrschen, in klare und deutliche Bewußtseinszustände erheben (l. c. V, prop. III). Determinist ist auch HOBBES. Alles geschieht ursächlich, so auch das Wollen. Das Handeln entspringt aus der Natur des Menschen (De hom. XI, 2. De corp. 25, 13). Die »voluntary actions« sind »necessitated« (Treat. of lib. p. 312. De libert. 1750, p. 483). Nicht das Wollen, das Handeln ist frei insofern es unbehindert aus dem Wollen entspringt. die Menschen haben »facultatem non quidem volendi, sed quae volunt faciendi« (De corp. G. 25, 12). Ähnlich lehrt teilweise LOCKE. »Jeder findet in sich eine Kraft, einzelne Handlungen zu beginnen oder zu unterlassen, fortzusetzen oder zu beenden, aus der Betrachtung des Umfanges dieser Seelenkraft über das menschliche Handeln, die jeder in sich bemerkt, entspringen die Vorstellungen der Freiheit und Notwendigkeit« (Ess. II, ch. 21, § 7). Frei ist der Mensch, insofern er »die Kraft hat, je nachdem seine Seele es vorzieht oder bestimmt, zu denken oder nicht zu denken, zu bewegen oder nicht zu bewegen« (l. c. § 8). Die Freiheit gehört nicht eigentlich dem Wollen, sondern denn Menschen, als Wahlfähigkeit, an (l. c. § 10). »Ein Mensch kann das, was er vermag, dem, was er nicht vermag, und seinen gegenwärtigen Zustand jeder Veränderung vorziehen« (l. c. § 11). »Soweit man die Macht hat, einen Gedanken nach der Wahl der Seele aufzunehmen oder zu beseitigen, ist man frei« (l. c. § 12). Im Wählen wirkt die Seele (l. c. 19). Freiheit ist Fähigkeit, zu tun, was man will (l. c. § 21), aber der Mensch muß notwendig eins oder das andere wollen (l. c. § 23). Die Freiheit besteht nur »in der Abhängigkeit des Seins oder Nichtseins einer Handlung von ihrem Wollen« (l. c. § 27). Motiv für das Verharren in demselben Zustand ist die darin liegende Befriedigung, Motiv zur Änderung des Zustandes ein Unbehagen (uneasiness) (l. c. § 29). Dem stärksten Gefühlsimpulse wird immer gehorcht. der Wille wird durch das drückendste Unbehagen bestimmt (l. c. § 40). Im besten Sinne frei sind wir, wenn wir urteilend handeln (l. c. § 48). Ähnlich lehrt CONDILLAC (Diss. sur la libert. § 18).


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