Wissenschaftslehre

Wissenschaftslehre ist die Philosophie als Methodenlehre (s. d.) und Erkenntnistheorie (s. d.), insofern sie die Prinzipien und Methoden des Erkennens, der Wissenschaft im allgemeinen und in ihren Spezifizierungen kritisch prüft. Ihr Ziel ist, das Wissen, die Wissenschaft zum vollen Bewußtsein ihres Tuns, ihres Wesens, ihrer Grenzen zu erheben.

Als Deduktion, absolute Legitimation des Wissens, des erkennenden Bewußtseins aus einem Prinzip, aus absoluten »Tathandlungen« (s. d.) begründet eine Art der Wissenschaftslehre J. G. FICHTE. Sie ist »eine pragmatische Geschichte des menschlichen Geistes« (Gr. d. ges. Wissensch. S. 186). Sie ist die »Ableitung des ganzen Bewußtseins, seinen ersten und Grundbestimmungen nach, aus irgend einer im wirklichen Bewußtsein gegebenen Bestimmung desselben« (WW. II, 349). Sie ist »das zum Wisse von sich selbst, zur Besonnenheit, Klarheit und Herrschaft über sich selbst gekommene allgemeine Wissen. Sie ist gar nicht Objekt des Wissens, sondern nur Form des Wissens von allen möglichen Objekten« (WW. I 2, 10). Sie gibt »nur die Anschauung des unabhängig von ihr vorausgesetzten und vorauszusetzenden Wissens«, »absolutes Wissen, Festigkeit, Unerschütterlichkeit und Unwandelbarkeit des Urteils« (WW. I 2, 9). »Die Wissenschaftslehre, fallen lassend alles besondere und bestimmte Wissen, geht aus von dem Wissen schlechtweg, in seiner Einheit, das ihr als seiend erscheint, und gibt sich zuvörderst die Frage auf, wie dasselbe zu sein vermöge und was es darum in seinem innern und einfachen Wesen sei« (WW. I 2, 696. vgl. S. 7 f.). Nach BOUTERWEK ist das Fundament der Philosophie eine »allgemeine Wahrheitsund Wissenschaftslehre«, eine »Apodiktik« (Lehrb. d. philos. Wissensch. I, 4, 13, 17 ff.). BOLZANO erklärt die Wissenschaftslehre als Lehre von den »Regeln, nach denen wir bei diesem Geschäfte der Zerlegung des gesamten Gebietes der Wahrheit in einzelne Wissenschaften und bei der Abfassung der für eine jede gehörigen Lehrbücher vorgehen müssen« (Wissenschaftslehre I, 6 f.. vgl. IV, § 392 ff.). Als Wissenschaftslehre behandeln teilweise die Logik TWESTEN (Logik S. XXVI, XXIX), CALKER (Denklehre S. 9) u. a. AMPÈRE bezeichnet als Aufgabe der »mathésiologie«, »d'établir d'une part les lois qu'on doit suivre dans l'étude ou l'enseignement des connaissances humaines, et de l'autre la classification naturelle de ces connaissances« (Essai sur la philos. 1834, p. 31). W. ROSENKRANZ behandelt die Philosophie als »Wissenschaft des Wissens«, als allgemeinste Wissenschaft (Wissensch. d. Wiss. I, 22). Sie hat »die Aufgabe, alle übrigen Wissenschaften unter sich zur Einheit zu verbinden, und als höchste Wissenschaft alle übrigen Wissenschaften zu leiten und ihrer Vollendung zuzuführen« (l. c. S. 29 ff.). Sie ist »Analytik des Wissens oder die Lehre vom menschlichen Wissen im allgemeinen« und »Synthetik des Wissens oder die Lehre von den besonderen Gegenständen des menschlichen Wissens« (l. c. S. XXIII). Als Wissenschaft vom Wissen bestimmt die Logik HARMS (Log. S. 38). So auch RABIER (»la science de la science«, Log. p. 2). Nach WUNDT ist die Philosophie Wissenschaftslehre, insofern sie »die Methoden und Ergebnisse der Einzelwissenschaften als den eigentlichen Gegenstand ihrer Forschungen betrachtet« (Log. II 22, S. 641 f.). Nach B. ERDMANN ist die Wissenschaftslehre (Logik) »die Wissenschaft, deren Gegenstand die allen Wissenschaften gemeinsame, also auch ihr selbst zugrunde liegende Voraussetzung bildet« (Log. I, 9). Als Wissenschaftslehre bestimmt die Logik auch HUSSERL. Wir brauchen Begründungen, um in der Wissenschaft über das unmittelbar Evidente hinauszukommen (Log. Unters. I, 12 ff., 16). Als Wissenschaftslehre behandelt die Logik H. COHEN (Syst. d. Philos. I, Logik). Vgl. CHALYBAEUS, Wissenschaftslehre, 1846, S. 57 ff. - Vgl. Logik, Metaphysik, Philosophie, Erkenntnistheorie.


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