Moral sense

Moral sense: moralischer Sinn, Gefühl (der Billigung bezw. Miß billigung) für das Gute und Schlechte, angeborenes oder social bedingtes und als Disposition ererbtes Sittlichkeitsgefühl, Sittlichkeitsbewußtsein, moralisches Urteilsvermögen.

Die Lehre vom »moral sense« begründet SHAFTESBURY. Er versteht unter ihm »a real antipathy or aversion to injustice, a natural prevention or prepossession of the mind in favour of the moral distinction« (Inquir. concern. virtue I, 2, sct. 3). Nach HUTCHESON ist der moralische Sinn (»decori et honesti sensus«, »laudi et vituperii sensus«, Philos. moral. I, 1 - 2) ein Teil des »internal sense«, eine Art Instinkt der Billigung oder Mißbilligung (Inquir.5, 1753, p. 43 ff., 125 ff., 159). Ein moralisches Billigungsvermögen nimmt FERGUSON an (History of civil Society I, sct. 6; Grunds. d. Moralphilos. S. 94 ff.). HUME spricht vom »moral sentiment« (Inquir. sct. 12; Ess. II, III), so auch A. SMITH (Theor. of moral Sentiment), JAMES MILL (»moral sense, moral faculty, sense of right and wrong, moral affection«, Anal. II, 18), MERIAN (Sur le sens moral 1758), ROBINET, der auch von moralischen Nervenfibern spricht. Nach CHR. WOLF gibt es einen » instinctus moralis« (Philos. pract. II, § 904). Nach CRUSIUS gibt es eine angeborene Neigung, über die Moralität unserer Handlungen zu urteilen (Moral § 132 ff.). Gegen die Annahme eines »moral sense« sind BERKELEY (Alcyphr. 3), R. PRICE (Review of the principal questions and difficult. in morals 1788), W. PALEY, BASEDOW (Philaleth. I, 43 ff.), FEDER (Üb. d. moral. Gef. 1792) u. a. Nach ROUSSEAU gibt es in der Seele ein angeborenes Prinzip der Gerechtigkeit und Tugend, das Gewissen (Emil IV). PLATNER erklärt: »Von der moralischen Vernunft ist unterschieden das moralische Gefühl. Jene ist die Erkenntnis von der Notwendigkeit und dem Werte der Tugend, in Beziehung auf Eigenschaften und Endzwecke des höchsten Wesens; dieses ist die Fähigkeit, zu unterscheiden Gutes und Böses, Recht und Unrecht, nach Merkmalen des Wahren und Widersinnigen, Natürlichen und Unnatürlichen, in eigenen und fremden Gesinnungen und Handlungen« (Philos. Aphor. II, § 189). »Das moralische Gefühl bezieht sich mehr auf die Vermeidung des Bösen, als auf die Ausübung des Guten« (l.c. §190). »Die Wirksamkeit des moralischen Gefühls bezieht sich teils auf eigene, teils auf fremde Gesinnungen und Handlungen. Jenes ist das Gewissen, dieses ist die moralische Billigung überhaupt« (l.c. § 192). »Das moralische Gefühl hat nicht zum Gegenstand den Erfolg, sondern die Absicht von Gesinnungen und Handlungen« (l.c. § 202). »Inwiefern das moralische Gefühl unterscheidet nach Merkmalen des Wahren und Widersinnigen, insofern ist es eine Äußerung angeborener moralischer Begriffe« (l.c. § 205) als angeborener Gesetze der Vernunft (l.c. § 206; angeborene moralische Begriffe gibt es nach PLATO, CUDWORTH, H. MORE; LOCKE bestreitet sie, s. Ethik). Das moralische Gefühl ißt »das Werk eines eigenen Sinnes« (l.c. § 209), eines »moralischen Sinnes« (l.c. § 212). Es gibt ein »ursprüngliches« und ein »reflektiertes« moralisches Gefühl (l.c. § 218). KANT betrachtet das moralische Gefühl als Gefühl der Achtung (s. d.) vor dem Sittengesetz (Krit. d. prakt. Vern. S. 95 ff.), es entspringt der praktischen Vernunft (s. d.). MAASS erklärt: »So wie ein Urteil des gemeinen Menschenverstandes auf der Angemessenheit des Objektes zu den Gesetzen der Erkenntnis beruht, so stützt sich ein Urteil des moralischen Gefühls auf die Angemessenheit des Gegenstandes zu den Sittengesetzen. Diese Angemessenheit aber wird wiederum nicht aus einem Begriffe von dem Gegenstande hergeleitet..., sondern aus einem Gefühle des innern Sinnes erkannt« (Vers. üb. d. Einbild. S. 205). - HERBARTS Lehre von den »ästhetischen« (moralischen) Urteilen (s. d.) ist durch die englische Theorie der moralischen Gefühle beeinflußt. VOLKMANN versteht unter dem moralischen Gefühle »das Wohlgefallen und Mißfallen an den Verhältnissen der Bilder des Wollens« (Lehrb. d. Psychol. II4, 365). Die Quelle der moralischen Gefühle ist (wie nach HERBART) »die Harmonie und Disharmonie des Wollens mit seinem ideellen Musterbilde« (LINDNER, Lehrb. d. empir. Psychol.9, S. 175; vgl. NAHLOWSKY, Das Gefühlsleb. S. 197 ff.). Nach E. LAAS ist das moralische Gefühl zum Teil ererbt (Ideal. u. Positivism. II, 146). Nach TH. ZIEGLER sind die sittlichen Gefühle zunächst Kraftgefühle, sie enthalten die Freude, causa werden zu können (z.B. im Mitleid). Das Gef.2, S. 165 ff.). UNOLD unterscheidet individuell- und social-ethische Gefühle (Gr. d. Eth. S. 196 ff.). - Vgl. LEWES, Probl. III, p. 44 ff. - Vgl. Sittlichkeit, Sociale Gefühle.


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