Anmerkung


Hier ist nun vorzüglich nötig, die Erklärung der Lust, als sinnlicher Vorstellung der Vollkommenheit eines Gegenstandes zu beleuchten. Nach dieser Erklärung würde ein ästhetisches Sinnen- oder Reflexionsurteil jederzeit ein Erkenntnisurteil vom Objekte sein; denn Vollkommenheit ist eine Bestimmung, die einen Begriff vom Gegenstande voraussetzt, wodurch also das Urteil, welches dem Gegenstande Vollkommenheit beilegt, von andern logischen Urteilen gar nicht unterschieden wird, als etwa, wie man vorgibt, durch die Verworrenheit, die dem Begriffe anhängt (die man Sinnlichkeit zu nennen sich anmaßt), die aber schlechterdings keinen spezifischen Unterschied der Urteile ausmachen kann. Denn sonst würde eine unendliche Menge, nicht allein von Verstandes, sondern so gar von Vernunfturteilen, auch ästhetisch heißen müssen, weil in ihnen ein Objekt durch einen Begriff, der verworren ist, bestimmt wird, wie z.B. die Urteile über Recht und Unrecht; denn wie wenig Menschen (so gar Philosophen) haben einen deutlichen Begriff von dem was Recht ist.*) Sinnliche Vorstellung der Vollkommenheit ist ein ausdrücklicher Widerspruch, und wenn die Zusammenstimmung des Mannigfaltigen zu Einem Vollkommenheit heißen soll, so muß sie durch einen Begriff vorgestellt werden, sonst kann sie nicht den Namen der Vollkommenheit führen. Will man, daß Lust und Unlust nichts als bloße Erkenntnisse der Dinge durch den Verstand (der sich nur nicht seiner Begriffe bewußt sei) sein sollen und daß sie uns nur bloße Empfindungen zu sein scheinen, so müßte man die Beurteilung der Dinge durch dieselbe nicht ästhetisch (sinnlich), sondern allerwärts intellektuell nennen und Sinne wären im Grunde nichts als ein (obzwar ohne hinreichendes Bewußtsein seiner eigenen Handlungen) urteilender Verstand, die ästhetische Vorstellungsart wäre von der logischen nicht spezifisch unterschieden, und so wäre, da man die Grenzscheidung beider unmöglich auf bestimmte Art ziehen kann, diese Verschiedenheit der Benennung ganz unbrauchbar. (Von dieser mystischen Vorstellungsart der Dinge der Welt, welche keine von Begriffen überhaupt unterschiedene Anschauung als sinnlich zuläßt, wo alsdann für die erstere wohl nichts als ein anschauender Verstand übrig bleiben würde, hier nichts zu erwähnen.)

Noch könnte man fragen: Bedeutet unser Begriff einer Zweckmäßigkeit der Natur nicht eben dasselbe, was der Begriff der Vollkommenheit sagt, und ist also das empirische Bewußtsein der subjektiven Zweckmäßigkeit, oder das Gefühl der Lust an gewissen Gegenständen, nicht die sinnliche Anschauung einer Vollkommenheit, wie einige die Lust überhaupt erklärt wissen wollen?

Ich antworte: Vollkommenheit, als bloße Vollständigkeit des Vielen, so fern es zusammen Eines ausmacht, ist ein ontologischer Begriff, der mit dem der Totalität (Allheit) eines Zusammengesetzten (durch Koordination des Mannigfaltigen in einem Aggregat, oder zugleich der Subordination derselben als Gründe und Folgen in einer Reihe) einerlei ist und der mit dem Gefühle der Lust oder Unlust nicht das mindeste zu tun hat. Die Vollkommenheit eines Dinges in Beziehung seines Mannigfaltigen auf einen Begriff desselben ist nur formal. Wenn ich aber von einer Vollkommenheit (deren es viele an einem Dinge unter demselben Begriffe desselben geben kann) rede, so liegt immer der Begriff von etwas, als einem Zwecke, zum Grunde, auf welchen jener ontologische, der Zusammenstimmung des Mannigfaltigen zu Einem, angewandt wird. Dieser Zweck darf aber nicht immer ein praktischer Zweck sein, der eine Lust an der Existenz des Objekts voraussetzt, oder einschließt, sondern er kann auch zur Technik gehören, betrifft also bloß die Möglichkeit der Dinge und ist die Gesetzmäßigkeit einer an sich zufälligen Verbindung des Mannigfaltigen in demselben. Zu einem Beispiel mag die Zweckmäßigkeit dienen, die man an einem regulären Sechseck in seiner Möglichkeit notwendig denkt, indem es ganz zufällig ist, daß sechs gleiche Linien auf einer Ebene gerade in lauter gleichen Winkeln zusammenstoßen, denn diese gesetzmäßige Verbindung setzt einen Begriff voraus, der, als Prinzip, sie möglich macht. Dergleichen objektive Zweckmäßigkeit an Dingen der Natur beobachtet (vornehmlich an organisierten Wesen) wird nun als objektiv und material gedacht und führt notwendig den Begriff eines Zwecks der Natur (eines wirklichen oder ihr angedichteten) bei sich, in Beziehung auf welchen wir den Dingen auch Vollkommenheit beilegen, darüber das Urteil teleologisch heißt und gar kein Gefühl der Lust bei sich führt, so wie diese überhaupt indem Urteile über die bloße Kausal-Verbindung gar nicht gesucht werden darf.

Überhaupt hat also der Begriff der Vollkommenheit als objektiver Zweckmäßigkeit mit dem Gefühle der Lust und diese mit jenem gar nichts zu tun. Zu der Beurteilung der ersteren gehört notwendig ein Begriff vom Objekt, zu der durch die zweite ist er dagegen gar nicht nötig und bloße empirische Anschauung kann sie verschaffen. Dagegen ist die Vorstellung einer subjektiven Zweckmäßigkeit eines Objekts mit dem Gefühle der Lust so gar einerlei (ohne daß eben ein abgezogener Begriff eines Zweckverhältnisses dazu gehörte) und zwischen dieser und jener ist eine sehr große Kluft. Denn ob, was subjektiv zweckmäßig ist, es auch objektiv sei, dazu wird eine mehrenteils weitläuftige Untersuchung, nicht allein der praktischen Philosophie, sondern auch der Technik, es sei der Natur oder der Kunst erfordert, d.i., um Vollkommenheit an einem Dinge zu finden, dazu wird Vernunft, um Annehmlichkeit, wird bloßer Sinn, um Schönheit an ihm anzutreffen, nichts als die bloße Reflexion (ohne allen Begriff) über eine gegebene Vorstellung erfordert.

Das ästhetische Reflexionsvermögen urteilt also nur über subjektive Zweckmäßigkeit (nicht über Vollkommenheit) des Gegenstandes: und es frägt sich da, ob nur vermittelst der dabei empfundenen Lust oder Unlust, oder so gar über dieselbe, so daß das Urteil zugleich bestimme, daß mit der Vorstellung des Gegenstandes Lust oder Unlust verbunden sein müsse.

Diese Frage läßt sich, wie oben schon erwähnt, hier noch nicht hinreichend entscheiden. Es muß sich aus der Exposition dieser Art Urteile in der Abhandlung allererst ergeben, ob sie eine Allgemeinheit und Notwendigkeit bei sich führen, welche sie zur Ableitung von einem Bestimmungsgrunde a priori qualifiziere. In diesem Falle würde das Urteil zwar vermittelst der Empfindung der Lust oder Unlust, aber doch auch zugleich über die Allgemeinheit der Regel, sie mit einer gegebenen Vorstellung zu verbinden, durch das Erkenntnisvermögen (namentlich die Urteilskraft) a priori etwas bestimmen. Sollte dagegen das Urteil nichts als das Verhältnis der Vorstellung zum Gefühl (ohne Vermittelung eines Erkenntnisprinzips) enthalten, wie es beim ästhetischen Sinnesurteil der Fall ist (welches weder ein Erkenntnis- noch ein Reflexionsurteil ist), so würden alle ästhetische Urteile ins bloß empirische Fach gehören.

Vorläufig kann noch angemerkt werden: daß vom Erkenntnis zum Gefühl der Lust und Unlust kein Übergang durch Begriffe von Gegenständen (so fern diese auf jenes in Beziehung stehen sollen) statt finde, und daß man also nicht erwarten dürfe, den Einfluß, den eine gegebene Vorstellung auf das Gemüt tut, a priori zu bestimmen, so wie wir ehedem in der Krit. d. prakt. V., daß die Vorstellung einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit des Wollens zugleich Willen bestimmend und dadurch auch das Gefühl der Achtung erweckend sein müsse, als ein in unsern moralischen Urteilen und zwar a priori enthaltenes Gesetz, bemerkten, aber dieses Gefühl nichts desto weniger aus Begriffen doch nicht ableiten konnten. Eben so wird das ästhetische Reflexionsurteil uns in seiner Auflösung den in ihr enthaltenen auf einem Prinzip a priori beruhenden Begriff der formalen aber subjektiven Zweckmäßigkeit der Objekte darlegen, der mit dem Gefühle der Lust im Grunde einerlei ist, aber aus keinen Begriffen abgeleitet werden kann; auf deren Möglichkeit überhaupt gleichwohl die Vorstellungskraft Beziehung nimmt, wenn sie das Gemüt, in der Reflexion über einen Gegenstand, affiziert.

Eine Erklärung dieses Gefühls im allgemeinen betrachtet, ohne auf den Unterschied zu sehen, ob es die Sinnesempfindung, oder die Reflexion, oder die Willensbestimmung begleite, muß transzendental sein.**) Sie kann so lauten: Lust ist ein Zustand des Gemüts, in welchem eine Vorstellung mit sich selbst zusammenstimmt, als Grund, entweder diesen bloß selbst zu erhalten (denn der Zustand einander wechselseitig befördernder Gemütskräfte in einer Vorstellung erhält sich selbst), oder ihr Objekt hervorzubringen. Ist das erstere, so ist das Urteil über die gegebene Vorstellung ein ästhetisches Reflexionsurteil. Ist aber das letztere, so ist ein ästhetisch-pathologisches, oder ästhetisch-praktisches Urteil. Man sieht hier leicht, daß Lust oder Unlust, weil sie keine Erkenntnisarten sind, für sich selbst gar nicht können erklärt werden, und gefühlt, nicht eingesehen werden wollen; daß man sie daher nur durch den Einfluß, den eine Vorstellung vermittelst dieses Gefühls auf die Tätigkeit der Gemütskräfte hat, dürftig erklären kann.

 

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*) Man kann überhaupt sagen: daß Dinge durch eine Qualität, die in jede andere durch die bloße Vermehrung oder Verminderung ihres Grades übergeht, niemals für spezifisch-verschieden gehalten werden müssen. Nun kommt es bei dem Unterschiede der Deutlichkeit und Verworrenheit der Begriffe lediglich auf den Grad des Bewußtseins der Merkmale, nach dem Maße der auf sie gerichteten Aufmerksamkeit, an, mithin ist sofern eine Vorstellungsart von der andern nicht spezifisch verschieden. Anschauung aber und Begriff unterscheiden sich von einander spezifisch; denn sie gehen in einander nicht über: das Bewußtsein beider, und der Merkmale derselben, mag wachsen oder abnehmen, wie es will. Denn die größte Undeutlichkeit einer Vorstellungsart durch Begriffe (wie z.B. des Rechts) läßt noch immer den spezifischen Unterschied der letztern in Ansehung ihres Ursprungs im Verstande übrig und die größte Deutlichkeit der Anschauung bringt diese nicht im mindesten den ersteren näher, weil die letztere Vorstellungsart in der Sinnlichkeit ihren Sitz hat. Die logische Deutlichkeit ist auch von der ästhetischen himmelweit unterschieden und die letztere findet statt, ob wir uns gleich den Gegenstand gar nicht durch Begriffe vorstellig machen, das heißt, obgleich die Vorstellung, als Anschauung, sinnlich ist.

**) Es ist von Nutzen: zu Begriffen, welche man als empirische Prinzipien braucht, eine transzendentale Definition zu versuchen, wenn man Ursache hat zu vermuten, daß sie mit dem reinen Erkenntnisvermögen a priori in Verwandtschaft stehen. Man verfährt alsdenn wie der Mathematiker, welcher die Auflösung seiner Aufgabe dadurch sehr erleichtert, daß er die empirische Data derselben unbestimmt läßt und die bloße Synthesis derselben unter die Ausdrücke der reinen Arithmetik bringt. Man hat mir aber wider eine dergleichen Erklärung des Begehrungsvermögens (Krit. d. p. V., Vorrede Seite 16) den Einwurf gemacht: daß es nicht als das Vermögen, durch seine Vorstellungen Ursache von der Wirklichkeit der Gegenstände dieser Vorstellungen zu sein, definiert werden könne, weil bloße Wünsche auch Begehrungen wären, von denen man sich doch selbst bescheidet, daß sie ihre Objekte nicht hervorbringen können. Dieses beweiset aber nichts weiter, als daß es auch Bestimmungen des Begehrungsvermögens gebe, da dieses mit sich selbst im Widerspruche steht: ein zwar für die empirische Psychologie merkwürdiges Phänomen (wie etwa die Bemerkung des Einflusses, den Vorurteile auf den Verstand haben, für die Logik), welches aber auf die Definition des Begehrungsvermögens objektiv betrachtet, was es nämlich an sich sei, ehe es irgend wodurch von seiner Bestimmung abgelenkt wird, nicht einfließen muß. In der Tat kann der Mensch etwas aufs lebhafteste und anhaltend begehren, wovon er doch überzeugt ist, daß er es nicht ausrichten kann, oder daß es wohl gar schlechterdings unmöglich sei: z.B. das Geschehene als ungeschehen zu wünschen, sehnsüchtig den schnelleren Ablauf einer uns lästigen Zeit zu begehren, u.s.w. Es ist auf für die Moral ein wichtiger Artikel, wider solche leere und phantastische Begehrungen, welche häufig durch Romanen, bisweilen auch durch diesen ähnliche mystische Vorstellungen übermenschlicher Vollkommenheiten und fanatischer Seligkeit, genährt werden, nachdrücklich zu warnen. Aber selbst die Wirkung, welche solche leere Begierden und Sehnsuchten, die das Herz ausdehnen und welk machen, aufs Gemüt haben, das Schmachten desselben durch Erschöpfung seiner Kräfte, beweisen gnugsam, daß diese in der Tat wiederholentlich durch Vorstellungen angespannt werden, um ihr Objekt wirklich zu machen, aber eben so oft das Gemüt in das Bewußtsein seines Unvermögens zurück sinken lassen. Für die Anthropologie ist es auch eine nicht unwichtige Aufgabe zur Untersuchung: warum wohl die Natur in uns zu solchem fruchtlosen Kraftaufwande, als leere Wünsche und Sehnsuchten sind (welche gewiß eine große Rolle im menschlichen Leben spielen), die Anlage gemacht habe. Mir scheint sie hierin, so wie in allen anderen Stücken, ihre Anstalt weislich getroffen zu haben. Denn sollten wir nicht eher, als bis wir uns von der Zulänglichkeit unseres Vermögens zur Hervorbringung des Objekts versichert hätten, durch die Vorstellung desselben zur Kraftanwendung bestimmt werden, so würde diese wohl größtenteils unbenutzt bleiben. Denn gemeiniglich lernen wir unsere Kräfte nur kennen, dadurch daß wir sie versuchen. Die Natur hat also die Kraftbestimmung mit der Vorstellung des Objekts noch vor der Kenntnis unseres Vermögens verbunden, welches oftmals eben durch diese Bestrebung, welche dem Gemüte selbst anfangs ein leerer Wunsch schien, allererst hervorgebracht wird. Nun liegt es der Weisheit ob, diesen Instinkt in Schranken zu setzen, niemals aber wird es ihr gelingen, oder sie wird es niemals nur verlangen, ihn auszurotten.


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