Urteil - Lipps, Eberhard, Mill, Bain, Stout, Brentano

Nach LIPPS ist das Urteil »das Bewußtsein der objektiven Notwendigkeit eines Zusammen oder einer Ordnung (Zuordnung, Beziehung) von Gegenständen des Bewußtseins« (Gr. d. Log. S. 17). Das »Satzurteil« ist der (inadäquate) Bewußtseinsrepräsentant des »Sinnurteils« (l. c. S. 28). Das negative Urteil ist »Bewußtsein der objektiven Unmöglichkeit einer Ordnung« (l. c. S. 30). Jedes vollständige materiale Urteil schließt Existentialurteile ein, ist ein »Urteilsgefüge« (l. c. S. 52). Das Urteil ist »die Übermacht einer Vorstellung oder Vorstellungsverbindung über die dabei in Betracht kommenden Gegenvorstellungen, die lediglich an den Objekten oder Inhalten der Vorstellung als solchen haftet, unabhängig von jedem subjektiven Interesse an diesen Inhalten« (Zur Psychol. d. Suggest. S. 10). E. EBERHARD bestimmt das Urteil als die mit dem Bewußtsein der objektiven Notwendigkeit verbundene Aufeinanderbeziehung zweier durch die Aufmerksamkeit gesonderter Vorstellungen (Beitr. zur Lehre vom Urt. 1893). Nach J. v. Kries wird im Urteil eine Anzahl von Begriffen (oder Allgemeinvorstellungen) zusammengedacht mit einem Geltungsbewußtsein. Es gibt (logisch) Realurteile und Beziehungsurteile (Zur Psychol. d. Urteile, Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. Bd. 23, 1899, S. 1 ff.. vgl. Bd. 16). Die »idiogenetische« Urteilstheorie (Ausdruck von F. HILLEBRAND, gegenüber der »allogenetischen« Theorie, Die neuen Theor. d. kategor. Schlüsse S. 27) betrachtet das Urteil als eine besondere, einfache Bewußtseinstatsache, die wesentlich in einem Akte des Glaubens (s. d.), des Anerkennens und Verwerfens besteht. Ansätze dazu schon bei WILH. VON OCCAM, DESCARTES, HUME u. a. (s. o.). J. ST. MILL bestimmt das Urteil als »an order of our sensations or ideas, supposed to be believed«, als »form of speech which expresses a belief that a coexistence or sequence of sensations or ideas did, does, or, under certain conditions, would take place« (Anwerk. zur Ausgabe von James Mills Analys. of the phenom. 1878, p. 161 f., 393 f.. vgl. Log. I, 5, § 1), »Belief is an essential element in a judgment« (Examin. ch. 18, p. 341 ff.). In jedem Urteil ist der Glaube ausgedrückt, »daß das Prädikat ein Name desselben Dinges ist, wovon das Subjekt ein Name ist« (Log. I, 54, 108). Ähnlich lehrt A. BAIN (Log. I, 80). Nach STOUT ist das Urteil »affirmation and denial« (Psychol. I, 97 ff.). Das ist die Ansicht von F. BRENTANO. Nach ihm ist das, Urteil ein elementarer Akt des (als wahr) Anerkennens (s. d.) oder (als falsch) Verwerfens einer Vorstellung (A ist, A ist nicht). Es ist für das Urteil nicht wesentlich, aus Subjekt und Prädikat zu bestehen. Urteil und Vorstellung sind fundamental verschieden. Erstere enthält kein Existenzbewußtsein. Beim Urteil kommt zum Vorstellen eine »zweite intentionale (s. d.) Beziehung zum vorgestellten Gegenstande hinzu, die des Anerkennens oder Verwerfens« (Psychol I, C. 6 f., S. 276 ff.. Vom Urspr. sittl. Erk. S. 15). So auch A. MARTY, F. HILLEBRAND (Die neuen Theor. S. 25 ff.), TWARDOWSKY (Inh. u. Gegenst. d. Vorstell. S. 5 ff.), A. HÖFLER (Grundlehr. d. Log. S. 6P f.). Zusammengesetzte oder »Doppelurteile« nennen die Brentanisten solche Urteile, welche einem Gegenstand etwas zu- oder absprechen (HILLEBRAND, Die neuen Theor. S. 95 ff.. vgl. BRENTANO, Vom Urspr. sittl. Erk. S. 57). -


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