Sowohl die »Averroisten« (s. d.) als die »Alexandristen« (s. d.) der Renaissancezeit leugnen die individuelle Unsterblichkeit. nur der allgemeine Intellekt ist, nach den ersteren, unsterblich (so auch nach SIGER VON BRABANT, Quaest. de anima intellectiva. vgl. Mandonnet, Siger de Brab. 1899): die letzteren negieren auch dies. So POMPONATIUS, welcher bemerkt: »Mihi... videtur, quod nullae rationes adduci possunt cogentes, animam esse immortalem, minusque probantes animam esse mortalem« (De immortal. an. C. 15, p. 120. vgl. C. 12). So auch SIMON PORTA (De anim. et mente hum. 1551). - Nach MARSIL. FICINUS sind alle Seelen unsterblich (De immort. animor.). eine Theosis (s. d.) findet im Jenseits statt. Nach AGRIPPA ist die Seele als göttlicher Gedanke unsterblich (Occ. philos. III, 44. vgl. III, 36, 41). Die Unsterblichkeit der Seele lehren J. B. VAN HELMONT (Imago ment. p. 267), CAMPANELLA (De sensu rer. II, 24 f.), CARDANUS (De subtil. 14. De variet. 8), G. BRUNO (De tripl. min. I, C. 3).
Nach SPINOZA ist der menschliche Geist unsterblich, sofern er das Ewige (s. d.) denkt, an diesem teilhat. »Mens humana non potest cum corpore absolute destrui, sed eius aliquid remanet, quod aeternum est« (Eth. V, prop. XXIII). »In Deo datur necessario conceptus seu idea, quae corporis humani essentiam exprimit, quae propterea aliquid necessario est, quod ad essentiam mentis humanae pertinet. Sed menti humanae nullam durationem, quae tempore definiri potest, tribuimus, nisi quatenus corporis actualem existentiam, quae per durationem explicatur et tempore definiri potest, exprimit, hoc est ipsi durationem non tribuimus nisi durante corpore. Quum tamen aliquid nihilo minus sit id, quod aeterna quadam necessitate per ipsam Dei essentiam concipitur, erit necessario hoc aliquid, quod ad mentis essentiam pertinet, aeternum« (l. c. dem.). Unser Geist ist, sofern er die Wesenheit des Körpers »sub specie aeternitatis« einschließt, ewig. »Est... haec idea, quae corporis essentiam sub specie aeternitatis exprimit, certus cogitandi modus, qui ad mentis essentium pertinet quique necessario aeternus est. Nec tamen fieri potest, ut recordemur nos ante corpus exstitisse, quandoquidem nec in corpore ulla eius vestigia dari, nec aeternitas tempore definiri, nec ullam ad tempus relationem habere potest. At nihilo minus sentimus experimurque, nos aeternos esse. Nam mens non minus res illas sentit, quas intelligendo concipit, quam quas in memoria habet. Mentis enim oculi, quibus res videt observatque, sunt ipsae demonstrationes. Quamvis itaque non recordemur nos ante corpus exstitisse, sentimus tamen mentem nostram, quatenus corporis essentium sub aeternitatis specie involvit, aeternam esse, et hanc eius existentiam tempore definiri sive per durationem explicari non posse. Mens igitur nostra eatenus tantum dici durare eiusque existentia certo tempore definiri, potest, quatenus actualem corporis existentiam involvit, et eatenus tantum potentiam habet rerum existentiam tempore determinandi easque sub duratione concipiendi« (l. c. schol.). Sofern der Geist sich und seinen Körper unter der Form der Ewigkeit betrachtet, weiß er unmittelbar, daß er in Gott ist, durch Gott gedacht wird. Je stärker die damit verknüpfte intellektuelle Liebe (s. d.) Gottes, desto mehr weiß sich der Geist als unsterblich, sofern er aktiver Intellekt, nicht bloß sinnliches Bewußtsein (imaginatio, s. d.) ist. Die Unsterblichkeit der Seele lehren DESCARTES, REGIS (Syst. d. Philos. I, 265), CHARRON (als Glaube. De la sag. I, 7), GASSENDI, H. MORE (Opp. II), CLARKE (Works 1738/42) u. a. Nach LEIBNIZ sind alle Lebewesen unvergänglich, der Mensch hat aber auch persönliche Unsterblichkeit (Theod. I B, § 89 f.). Nach BERKELEY ist die Seele unteilbar, unkörperlich, folglich auch unzerstörbar, von Natur aus unsterblich (Princ. CXLI). Nach FERGUSON ist »die Begierde nach Unsterblichkeit ein Instinkt und kann vernünftigerweise als eine Anzeige dessen angesehen werden, was der Urheber dieser Begierde zu tun willens sei« (Grunds. d. Moralphilos. S. 119). Die Unsterblichkeit der Seele negiert HUME (Ess. on suic. and the immort. of the soul). Nach CONDILLAC (Trait. des anim. II, 7), BONNET besteht sie, während die Materialisten (s. d.) die Annahme derselben bekämpfen. Nach DIDEROT besteht die Unsterblichkeit nur im Fortleben im Andenken der Nachwelt. - Die Unsterblichkeit der Seele lehren CHR. WOLF (Vern. Ged. I, § 926. Theol. natural.), BAUMGARTEN (Met. § 776 ff.), THÜMMIG (De immortal. animae, 1721), VON CREUZ (Vers. üb. d. Seele, 1753), CRUSIUS, G. F. MEIER (Beweis, daß die menschl. Seele ewig lebt, 1753), H. S. REIMARUS (Abhandl. üb. d. natürl. Theol., 1754), SULZER (Verm. philos. Schrift., 1773), MENDELSSOHN (Phaedon, S. 65 ff.). FEDER (Log. u. Met. S. 427 ff.), PLATNER, welcher betont: »Wenn die menschliche Seele eine Kraft im engeren Verstande, eine Substanz und nicht eine Zusammensetzung m Substanzen ist: so läßt sich, weil vom Sein zum Nichtsein kein Übergang stattfindet in der Natur der Dinge, natürlicherweise nicht begreifen das Ende ihres Seins, so wenig als voraussetzen eine allmähliche Vernichtung ihres Wesens« (Philos. Aphor. I, §1174. vgl. Log. u. Met. S. 189). Weitere Gründe sind: »1) Daß der Mensch, vermöge seiner Vernunft und Moralität, zumal in einem analogisch wahrscheinlichen, stufenmäßigen Fortschreiten seiner Kräfte, fähig ist eines immer größeren Anteils an der Einsicht und Bewirkung des Endzwecks der göttlichen Weisheit, ohne Unsterblichkeit aber der ganze Plan der menschlichen Natur ohne Ausführung bleibt und der Endzweck der Welt, zu seiner Ausführung, sehr tüchtiger Mittel beraubt wird. 2) daß der Mensch, durch die Vernunft und Moralität, mit Gott und der Ewigkeit zusammenhängt. 3) daß, ohne Unsterblichkeit, die mehr auf Versagung als auf Genuß hinweisende Vernunft für den Menschen ohne Zweck, und 4) sein leidenvolles Leben ohne Trost und Hoffnung wäre. daß es ganz mit dem Begriffe der göttlichen Güte streitet, den Menschen in dem vorschwebenden Anblicke zahlloser Weltensysteme und eines unendlichen Reichs der Vorsehung, durch die natürlichsten Schlüsse zu dem Gedanken der Unsterblichkeit hinweisen, ihn mit einer Art von vorhergegönnter Offenbarung eines göttlichen Weltplans zu erfreuen und zu einer künftigen höheren Bestimmung zu berufen. und dann, wenn er gelernt hat, daß gegenwärtiges Sein nichts und künftiges Sein alles ist, mit dem Tode seine ganze Existenz zu vernichten« (Log. u. Met. S. 191). AD. WEISHAUPT meint: »Nach dem Tode wird... der Mensch nicht mehr denken... Aber dann wird die vorstellende Kraft nicht gänzlich aufhören. Unser Geist, unser Ich... wird eine neue höhere Modifikation erhalten«. Der Tod ist die (fortschreitende) »Einweihung in höhere Weltkenntnisse« (Üb. Material. u. Ideal. S. 134 f.). Das Ich bleibt weit ein Teil dieses Weltalls (l. c. S. 135 ff.. vgl. FLÜGGE, Gesch. d. Glaub. an Unsterbl.). Letzteres betont auch HERDER, GOETHE, welcher erklärt: »Die Überzeugung von unserer Fortdauer entspringt mir aus dem Begriffe der Tätigkeit. denn wenn ich bis an mein Ende rastlos wirke, so ist die Natur verpflichtet, mir eine andere Form des Daseins anzuweisen, wenn die jetzige meinen Geist nicht mehr auszuhalten vermag« (Gespr. mit Eckerm. II, 56. Gespr. hrsg. von Biedermann III, 62 ff.. Zahme Xenien III).