Unbewußt - Hagemann, Fechner, Cornelius

Nach HAGEMANN verlaufen die niederen seelischen Funktionen »mehr oder minder unbewußt und unwillkürlich« (Met.2, S. 126). Nach GUTBERLET ist das Bewußtsein »jene ursprüngliche Fähigkeit und Tätigkeit des Geistes, durch die er das, was in ihm selbst vorgeht, wahrnimmt, erfährt« (Log. u. Erk.2, S. 170) Die Möglichkeit unbewußter Seelenzustände ist zuzugeben (l. c. S. 171. vgl. Psychol. S. 44 ff.). Nach DILTHEY kommen die primären Denk- und Willensakte nicht zum Bewußtsein (Ideen üb. eine beschreib. u. zerglied. Psychol. S. 46, 52, 60). Nach FR. SCHULTZE ist die Entstehung des Bewußtseins selbst ein unbewußter (physiologischer) Prozess (Philos. d. Naturwiss. II, 276). Unbewußte Seelenprocesse lehrt E. DREHER. Es sind dies »geistige Tätigkeiten, die nicht dem Ich entspringen, deren Produkte aber dem Ich zum Bewußtsein kommen können« (Philos. Abhandl. S. 33. Beitr. zu ein. exakt. Psycho-Physiol.). Es gibt ein bewußtes und (relativ) unbewußtes Gedächtnis (Grdz. ein. Gedächtnislehre 1892). B. ERDMANN unterscheidet erregtes und unerregtes Unbewußtes (Log. I, 42 ff.. Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. X, 343). Die Apperzeptionsmasse ist unbewußt, ist »die erregte Disposition« (l. c. S. 344). W. JERUSALEM erklärt: »Das Unbewußte, dessen Existenz wir keineswegs imstande sind durch direkte Erfahrung nachzuweisen, ist für uns ein Denkmittel, dessen wir zum Verständnis des Seelenlebens nicht entraten können.« Das Unbewußte ist wie das Bewußtsein »substratlos, also als ein fortwährendes Geschehen zu denken, welches auf das bewußte Seelenleben ständig einwirkt« (Urteilsfunct. S. 12 f.). In der Wahrnehmung (s. d.) steckt ein unbewußtes Urteil (l. c. S. 220). Unbewußte Schlüsse sind unmöglich (Lehrb. d. Psychol.3, S. 217). Nicht im absoluten Sinne wird das Unbewußte von FECHNER bestimmt. Unbewußt sind »Empfindungen, welche zwar von einem Reize angeregt sind, aber nicht hinreichend, um das Bewußtsein zu afficieren« (Elem. d. Psychophys. II, 15. vgl. S. 87. Üb. d. Seelenfr. S. 226 f.). Unbewußte Vorgänge in uns sind nur Wirkungen und Beziehungen, »die wir uns nicht in besonderer Reflexion zum Bewußtsein bringen«, sie sind ununterschieden im allgemeinen Bewußtsein, bestimmen dieses mit, ohne für sich zu erscheinen (Zend-Av. I, 160). Das höhere, umfassendere Bewußtsein weiß um mehr als die in ihm befaßten niederen Bewußtseine (l. c. S. 159 ff.). Das Unbewußte ist das Unterschwellige und ist graduell abgestuft (Elem. d. Psychophys. II, 39 ff.. vgl. Schwelle, negative Empfindungen). Das Bewußtsein geht dem Unbewußten voran, dieses entsteht (durch Mechanisierung, s. d.) aus jenem. Unbewußt ist es nur, »indem es in einem allgemeinen Bewußtsein aufgeht und Grund zu einer höheren Fortentwicklung desselben gibt« (Zend-Av. I, 282 ff.). HORWICZ faßt das Unbewußtwerden als Verdunkelung (Psychol. Anal. I, 163), nur relativ Unbewußtes (l. c. I, 123, 190 f., 264. II, 121). Nach C. F. FLEMMING besteht das Bewußtsein in einem unmittelbaren Wissen zunächst um Sinnes- Eindrücke, in der Empfindung. »Es gibt kein Bewußtsein ohne Empfindung und keine Empfindung ohne Bewußtsein. Mit andern Worten: Empfindung und Bewußtsein sind untrennbar, oder: das Bewußtsein ist der Empfindung immanent.« Ein völlig unbewußter Seelenzustand ist ein Nonsens (Zur Klär. d. Begr. d. unbewußt. Seelentät. 1877, S. 9, 13 f., 17). Nur ein relatives Unbewußtes, Unterbewußtes anerkennt PAULSEN (Einl. in d. Philos. S. 127 f.). Die unbewußten Vorstellungen sind nichts als die Möglichkeit bewußt zu werden. Das Unbewußte ist »nur ein Minderbewußtes, ein vielleicht zur völligen Unmerklichkeit herabgesetztes Bewußten« (ib.). TH. ZIEGLER identifiziert das Unbewußte mit dunklen Vorstellungen und mit Dispositionen (Das Gefühl2, S. 51 f.). Als geistige Disposition (s. d.) bestimmt das Unbewußte EBBINGHAUS. Die unbewußten Vorstellungen sind den bewußten nicht direkt ähnlich (Grdz. d. Psychol. I, 53 f.). »Unbewußt geistig« ist das, »was wir zur Herstellung eines befriedigenden psychischen Kausalzusammenhanges vorauszusetzen haben« (l. c. S. 55). Es besteht in »Vorstellungen in Bereitschaft«, d.h. »Vorstellungen, die noch nicht selbstbewußt, aber dem Bewußtwerden nahe sind« (l. c. S. 56. Ausdruck schon bei HUME, Treat. I, Sct. VII, STEINTHAL). Nach REHMKE ist das Unbewußte nur relativ, nur Unbeachtetes u. dgl. (Allg. Psychol. S. 60 f.). Nach SCHUBERT-SOLDERN sind unbewußte Vorgänge jene, »deren Intensität zu schwach ist, um eine währende Erinnerung zurückzulassen, die daher längere Zeit nach ihrem Eintreten nur aus anderen Tatsachen erschlossen werden könne« (Gr. ein. Erk. B. 48). Nach BRENTANO gibt es keine unbewußten Vorstellungen, nur unbewußte Dispositionen (Psychol. I, 76). Es kann das Bewußtsein um den Bewußtseinsakt fehlen, es gibt also ein relativ Unbewußtes (l. c. S. 132 f., 137, 143, 147, 180, 223). A. HÖFLER bemerkt: »Wir nennen einen psychischen Vorgang oder Zustand bewußt im ursprünglichen Sinne, d. i. gewußt, wenn und insofern er Gegenstand eines Wahrnehmungsurteiles wird. - Ein psychischer Vorgang sei unbewußt, heißt..., er sei nicht Gegenstand eines auf ihn gerichteten Aktes der inneren Wahrnehmung« (Psychol. S. 273 f.). SIGWART betont, »daß unsere psychischen Vorgänge als solche nur insofern existieren, als sie bewußt sind, und daß darin ihr unterscheidender Charakter liegt« (Log. II2, S. 193). Es gibt aber unbemerktes Psychisches, unanalysierten Hintergrund (l. c. S. 195). Es gibt Funktionen, »deren Resultat allein zum deutlichen Bewußtsein kommt, während sie selbst ohne Reflexion, jedenfalls ohne jenes unterscheidende Beachten, vollzogen werden« (l. c. S. 196). In diesem Sinne gibt es auch unbewußt vollzogene Synthesen (ib.). Nach HÖFFDING bedeutet »unbewußt« 1) unter der Schwelle des Selbstbewußtseins, 2) unter der Schwelle des Bewußtseins (Psychol.2, S. 95 f.). »Bei jedem bedeutungsvollen Bewußtseinszustand ist... vieles mitbetätigt, das nicht zu unserem Bewußtsein kommt« (l. c. S. 98). Mittelglieder werden übergangen (l. c. S. 99). »Das bewußte Eingreifen wird teilweise durch unbewußte Motive bestimmt und hinterläßt ebenfalls unbewußte Wirkungen« (ib.). »Durch den Zusammenhang mit dem bewußt Aufgefaßten kann auch ein unbewußter Eindruck wieder in der Erinnerung hervorgerufen werden« (l. c. S. 101 f.). Die unbewußten Vorgänge sind »psychische Analoga«, niedere Grade des Bewußtseins (I. c. S. 108. Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 14. Bd., S. 241). U. CORNELIUS versteht unter unbewußten psychischen Tatsachen die »dauernden gesetzmäßigen Zusammenhänge, welche unser gesamtes psyhisches Leben beherrschen« (Einl. in d. Philos. S. 306 f.).


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