Übel - Hegel, Krause, Fechner, Hagemann, Bourdeau


Nach HEGEL wird in der Geschichte das Negative zu einem Untergeordneten und Überwundenen (WW. IX, 19). Nach HILLEBRAND hat das Übel sein Wesen »in dem oppositiv-negativen Verhältnisse der endlichen Dinge gegen die Bedürfnisse der subjektiven Individualität« (Philos. d. Geist. II, 127). CHR. KRAUSE lehrt, daß das Gute selbst an dem Übel der Grundbestand ist, daß »alle einzelnen Grundbeständnisse, Elemente oder Momente des Übels für sich gut sind und nur durch die wesenwidrige Beziehung und Verbindung seiner Grundbeständnisse ein Übel und ein Böses entspringt und wirklich wird« (Allgem. Lebenslehre, S. 96). Grund des Bösen ist die »Ungottinnigkeit« (Vorles. S. 529). Das Böse stammt nicht aus Gottes Willen, sondern aus der Endlichkeit und dem allseitigen Zusammenleben der unvollkommenen Wesen. es wird von Gott aufgehoben (Urb. d. Menschh.3, S. 334). Nach MAMIANI ist das Übel schon mit der Natur des Endlichen gegeben (Conf. II, 107 ff.. vgl. V. COUSIN, Du vrai p. 407 ff.). Nach FECHNER taucht das Übel »nur im Gebiete der Einzelnheiten« auf (Zend. Av. I, 244). Gott selbst wird vom Übel nicht betroffen (Tagesans. S. 50). Das Übel liegt nicht im Willen, sondern in einer »Urnotwendigkeit des Seins«, vermöge der das Sein überhaupt nicht sein konnte, ohne dem Übel zu verfallen (l. c. S. 51 ff.). Von einer »Urschuld« des Alogischen im Absoluten, Unbewußten (s. d.) als Grund des Übels spricht E. v. HARTMANN (s. Pessimismus). E. DÜHRING hält die widerlichen Gebilde und Störungen in der Natur für Nebenabfälle oder Verunstaltungen in der Ausführung des allgemeinen Entwurfs, Verfehlungen von Zwecken (Wirklichkeitsphilos. S. 91). HAGEMANN erklärt das metaphysische Übel als notwendig, da die endliche Welt dem Unendlichen gegenüber unvollkommen, mit Negation behaftet sein muß (Met.2, S. 198 f.). Das physische Übel ist »Privation oder Mangel dessen, was einem Geschöpfe naturgemäß zukommen sollte. Dahin gehören die Leiden, Krankheiten, Defekte der sinnlich-geistigen Menschennatur. Gott hat diese nicht für sich bezweckt, als wenn ihm das Leiden seiner Geschöpfe gefallen könnte, sondern nur als Mittel zu höheren Zwecken, sei es, um das sittlich gute Streben der Menschen zu fördern, sei es, um ihre sittlichen Verkehrtheiten zu strafen und so die moralische Ordnung aufrecht zu erhalten« (l. c. S. 199). Das moralische Übel »haftet nur an dem freien Willen eines geschaffenen Wesens, an dem Eigenwillen desselben, welcher selbstsüchtig sich gegen Gottes heiligen Willen auflehnt. Es gibt also kein Böses als substantielles Sein« Sofern Gott diese Welt und freie Wesen wollte, konnte er nicht umhin, das Böse zu dulden. »Zudem ist es der Weisheit Gottes angemessen, daß er Wesen mit der Freiheit zu sündigen schaffte, damit deren Verähnlichung mit ihm als eine durch angestrengte Willenskraft erworbene, im Kampfe mit dem Bösen erprobte um so wertvoller sei« (ib.). M. PERTY lehrt: »Gottes Werke sind zwar der Idee, der Konzeption nach vollkommen. aber es können während der Entwicklung z.B. der Organismen oder in deren späterem Leben widrige Umstände eintreten, auf welche die Organismen nicht berechnet sein können. Das läßt dann viele an Gottes Weisheit und Liebe zweifeln. Der Konflict mit der äußeren Welt ist aber zur Entwicklung absolut notwendig, zugleich fördernd und störend« (Die myst. Tats. S. 4). O. CASPARI erklärt: »Übel empfinden nur Wesen, die mit Gefühl und Empfindung begabt sind.« Die Übel entstehen dadurch, »daß Wesen, die von Grund aus individuell und autonom sind, unter bestimmten Konstellationen sich gegeneinander verdunkeln, verwirren, aufheben, täuschen, hintergehen und übervorteilen können in der allerverschiedensten Weise. Umgekehrt können freilich auch nur solche Wesen dem gegenüber sich einander wiederum erleuchten, erquicken, hingeben, fördern, lebensvoll erfrischen und ihre tiefste Lebenslust miteinander erhöhen« (Zusammenh. d. Dinge S. 441, 443, 413 ff.). Nach A. DORNER ist das Böse nur am Guten und beruht nur »auf einem falschen Verhältnis an sich guter Faktoren. es ist nur Durchgangspunkt der Entwicklung«, wird überwunden, bis es schließlich »durch gottbegeisterte Tätigkeit in seiner völligen Nichtigkeit offenbar wird und in der Gottmenschheit immer mehr verschwindet, in welcher der von Gottes Geist erfüllte Geist zu freier, alle Gegensätze überwindender Tätigkeit belebt wird« (Gr. d. Relig. S. 238 f.. vgl. Eth. S. 116 f., 534 ff.). Vgl. G. SPICKER, Vers. ein. neuen Gottesbegr. S. 217 ff.. ÖLZELTNEVIN, Kosmodicee. RENOUVIER, Nouv. Monadol. p. 454 ff.. L. BOURDEAU, Cause et origine du mal, Rev. philos. T. 50, 1900, p. 113 ff. - Vgl. Böse, Gut, Optimismus, Pessimismus.


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