Einbildungskraft

Einbildungskraft, transzendentale oder reine, produktive unterscheidet KANT von der reproduktiven Einbildungskraft (s. Phantasie). Erstere ist eine der, »subjektiven Erkenntnisquellen« (Krit. d. r. Vern. S. 126) die aller Assoziation der Vorstellung schon zugrunde liegt (l.c. S. 127). Sie ist »eine Bedingung a priori der Möglichkeit aller Zusammensetzung des Mannigfaltigen in einer Erkenntnis« (l.c. S. 128). Sie ist »transzendental« (s. d.), weil »ohne Unterschied der Anschauungen sie auf nichts als bloß auf die Verbindung des Mannigfaltigen a priori geht« (l.c. S. 129). Sie vermittelt zwischen Anschauung und Denken, ermöglicht die Anwendung der Kategorien (s. d.) auf den Erfahrungsinhalt (ib.). Sie »bringt das Mannigfaltige der Anschauung in ein Bild« (l.c. S. 130). »Wir haben... eine reime Einbildungskraft, als ein Grundvermögen der menschlichen Seele, das aller Erkenntnis a priori zum Grunde liegt. Vermittelst deren bringen wir das Mannigfaltige der Anschauung einerseits mit der Bedingung der notwendigen Einheit der reimen Apperzeption anderseits in Verbindung. Beide äußerste Enden, nämlich Sinnlichkeit und Verstand, müssen vermittelst dieser transzendentalen Funktion der Einbildungskraft notwendig zusammenhängen, weil jene sonst zwar Erscheinungen, aber keine Gegenstände eines empirischen Erkenntnisses, mithin keine Erfahrung geben würden« (l.c. S. 133). In der 2. Ausgabe der Kr. d. r. Vern. heißt es: »Einbildungskraft ist das Vermögen, einen Gegenstand auch ohne dessen Gegenwart in der Anschauung vorzustellen. Da nun alle unsere Anschauung sinnlich ist, so gehört die Einbildungskraft? der subjektiven Bedingung wegen, unter der sie allein den Verstandesbegriffen eine korrespondierende Anschauung geben kann, zur Sinnlichkeit; sofern aber doch ihre Synthesis eine Ausübung ihrer Spontaneität ist, welche bestimmend und nicht, wie der Sinn, bloß bestimmbar ist, mithin a priori den Sinn seiner Form nach der Einheit der Apperzeption gemäß bestimmen kann, so ist die Einbildungskraft sofern ein Vermögen, die Sinnlichkeit a priori zu bestimmen, und ihre Synthesis der Anschauungen, den Kategorien gemäß, muß die transcendentale Synthesis der Einbildungskraft sein, welches eine Wirkung des Verstandes auf die Sinnlichkeit und die erste Einwirkung desselben (zugleich der Grund aller übrigen) auf Gegenstände der uns möglichen Anschauung ist« (l.c. S. 673). - J. G. FICHTE führt diese Lehre weiter. Ihm ist die productive Einbildungskraft die unbewußt Anschauungs-Inhalte und -Formen setzende Tätigkeit des Ich (Gr. d. g. Wiss. S. 415). So auch SCHELLING (Syst. d. tr. Ideal. I, 223). Über die erkenntnistheoretische Wertung der Einbildungskraft bei HUME, NIETZSCHE u. a. s. Phantasie.


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