Emanation

Emanation (Ausfluss): Hervorgehen des Niederen, Unvollkommenen aus dem Höheren, Vollkommeneren, wobei das Urprinzip selbst, aus dem alles sich herausentwickelt, beharrlich-unveränderlich, eine Einheit bleibt. Die Emanation ist das Gegenstück zur Evolution (s. d.). Die Lehre von der Emanation der Dinge aus der göttlichen Einheit heißt Emanationssystem oder Emanatismus.

XENOKRATES betrachtet das höchste Sein als das Eine und Gute, von dem alles Geringere abstammt (ARISTOTELES, Met. XIV 4, 1091 b 16), wie schon die Pythagoreer die Zahlen (s. d.), PLATO die Ideen (s. d.) auf eine höchste Einheit zurückführen. Die Stoiker nennen die Seele (s. d.), PLUTARCH die Welt einen »Ausfluß« (apospasma) der Gottheit. Auch bei PHILO sind Keime zum Emanatismus enthalten, dieser aber kommt erst bei PLOTIN zur Ausbildung. Aus dem Einen, Überseienden, Vollkommenen, in sich Verbleibenden geht durch Emanation, durch Hervorstrahlung (perilampsis) die Welt hervor (dei de labein ekeino, ouk ekreousan, alla menousan men tên en autô tên de allên hyphistamenên, Enn. V, 1, 3). Das Eine ist zu denken wie die strahlende Sonne (Enn. V, 16), deren Strahlen mit der Entfernung an Intensität abnehmen (Enn. II, 4, 10 squ.). Aus dem Vollkommenen findet ein »Überfließen« (hyperrhoê) statt, durch Überfalle desselben (to hyperplêres autou pepoiêken allo, Enn. V, 2, 1; vgl. III, 8, 10). Aus dem Einen (hen) emaniert der Geist (nous) aus diesem die Ideenwelt (kosmos noêtos), aus dieser die Weltseele (psychên genna nous) und damit die Einzelseelen, die aus sich die Körperwelt herausbilden. Die Materie (s. d.) ist das Geringste in den Produkten der Emanation, denn von oben nach unten nehmen die Kräfte ab (Enn. VI, 7, 9). Die Kräfte, die vom Einen ausgehen, erfüllen das All, und doch bleibt das Eine bei sich (Enn. VI, 4, 3). Nach JAMBLICH geht aus dem Urgrunde (archê) das Eine (hen), aus diesem die intelligible Welt (kosmos noêtos), aus dieser die intellektuelle Welt (kosmos noeros) mit dem Geiste (nous), aus diesem die Seele, aus dieser die Sinnenwelt hervor. Nach PROKLUS ist die Reihe der Emanationen: Urgrund, Henaden (s. d.), Triaden (intelligible, intelligibel-intellektuelle, intellektuelle Welt), Hebdomaden, Seele, Materie.

Die neuplatonische Emanationslehre tritt in verschiedener Form bei den Gnostikern (s. d.), bei DIONYSIUS AREOPAGITA, SCOTUS ERIUGENA auf.

Nach diesem geht aus der ungeschaffen-schaffenden Natur (s. d.) die geschaffen-schaffende Ideenwelt (Logos), aus dieser die geschaffen- nichtschaffende Welt der endlichen Wesen hervor. Auf diesem Wege (processio, s. d.) bleibt die Welt in Gott, Gott mit seinem Wirken in der Welt. »Nam et creatura in Deo est subsistens, et Deus in creatura mirabili et ineffabili modo creatur, se ipsum. manifestans« (De div. nat. III, 17). Die Welt ist eine Selbstoffenbarung Gottes (Theophanie, s. d.). Emanationslehre ist auch der arabische Sufismus. - Unter »emanatio« versteht NICOLAUS CUSANUS die Entfaltung des göttlichen Seins in der Welt. »Emanatio in divinis duplex est, una per modum naturae et haec est generatio, alia per modum voluntatis« (De doct. ignor. II, 27). »Per simplicem emanationem maximi contracti a maximo absoluto universum prodiit in esse« (l.c. II, 4). Emanatistisch sind die Lehren der Mystiker, wie ECKHART, J. BÖHME u. a. LEIBNIZ sieht in den Monaden (s. d.) »Fulgurationen« (fulgurations) Gottes; die Dinge fließen beständig aus der göttlichen Einheit (»effluunt«, Erdm. p. 147 f.). Emanatistisch ist die spätere Philosophie SCHELLINGS (Einfluß J. Böhmes). Vgl. Einheit, Dialektik, Gott, Pantheismus.


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