Entstehen und Vergehen der Welt


Auch nach dem Weltenbeginne und nach dem Entstehungstage,

Als mit der Sonne zugleich auch das Meer und die Erde sich hoben,

Setzten sich Körper von außen her an, und es kamen noch ringsum

Keime dazu, die das endlose All ausschleudernd entsandte,

Draus sich das Meer wie die Länder zu mehren vermöchten, daraus auch

Raum noch gewänne des Himmels Palast, um ein hohes Gewölbe

Fern von der Erde zu spannen, zugleich auch die Luft sich erhöbe.

     Denn von überallher wird jedem sein eigener Urstoff

Sämtlich durch Stöße vermittelt und trifft auf die eignen Geschlechter

So kommt Wasser zu Wasser, die Erde vermehrt sieh durch Erdstoff,

Feuer vergrößert das Feuer und Äther wiederum Äther,

Bis dann endlich Natur, die Schöpferin, alle Geschöpfe

Als Vollenderin führt zu dem äußersten Ende des Wachstums.

Dies tritt ein, wo der Stoff, der neu in die Lebensgefäße

Kommt, nicht stärker mehr strömt als jener, der weicht und zurückströmt.

So ist allen Geschöpfen ihr Lebensfaden bemessen,

So hemmt Mutter Natur durch eigene Kräfte das Wachstum.

     Alles, was wachsen du siehst in fröhlich gedeihendem Auftrieb

Und was mählich erklimmt die Stufen der reifenden Jahre,

Eignet sich mehr von dem Urstoff an als was ihm entschwindet,

Da sich die Nahrung leicht in die sämtlichen Adern verbreitet,

Diese auch selbst nicht so weit sind gedehnt, um viel zu verlieren

Und mehr Stoff zu vertun, als das Leben zur Nahrung verbrauchet.

Denn daß viel aus den Dingen entweicht und wieder zurückströmt,

Darf man gewiß nicht leugnen. Doch stärket muß immer der Zufluß

Sein, bis sie endlich erreichen den äußersten Gipfel des Wachstums.

Dann zerbricht uns das Leben die Kraft und gewonnene Stärke

Stückweis wieder und schwindet dahin nach der schlechteren Seite.

     Denn natürlich je größer und breiter ein Ding ist geworden,

Wenn es den Zuwachs erhalten, zerstreut es auch größere Mengen

Überallhin von Atomen und schleudert sie ab von dem Körper.

Auch verteilt sich nicht leicht die Nahrung in alle die Adern,

Und sie genügt nicht mehr. Um jetzt für den reichlichen Abfluß

Soviel Neues zu liefern und vollen Ersatz zu beschaffen.

So stirbt alles mit Fug, wenn es durch der Atome Verschwinden

Löcher erhält und den Stößen von außen her preis ist gegeben.

Denn dem höheren Alter muß endlich an Nahrung es fehlen,

Und nie rasten die Stoffe, durch heftigen äußeren Ansturm

Alles dem Tode zu weihn und durch feindlichen Stoß zu bezwingen.

 

Also werden dereinst auch die mächtigen Mauern des Weltrunds

Endlich erliegen dem Sturm und in Schutt und Moder zerfallen.

Denn nur die Nahrung ist's, die alles verjüngen, ergänzen,

Kräftigen müßte, die Nahrung! um alles instand zu erhalten:

Leider umsonst. Denn weder vermögen die Adern genügend

Dienste zu tun noch kann die Natur das Benötigte liefern.

     Unsere Zeit ist so sehr schon gebrochen; erschöpft kann die Erde

Kaum noch kleinre Geschöpfe gebären, obgleich sie doch alle

Arten geschaffen und Tiere von riesigem Körper erzeugt hat,

Denn nicht senkte (so dünkt mich) an goldener Kette der Himmel

Einst die vergänglichen Wesen in unsre Gefilde hernieder,

Noch erschuf sie das Meer und die felsumtosende Brandung,

Sondern die Erde gebar sie, die jetzt auch selbst noch sie nähret.

     Sie ist's auch, die das schimmernde Korn und die labende Rebe

Aus selbsteignem Entschlüsse zuerst uns Sterblichen pflanzte;

Sie gab selbst uns das trauliche Vieh und das labende Futter,

Was jetzt kaum noch gedeiht trotz unseren Mühen und Sorgen.

Ach, wie ermatten die Kräfte der Rinder und Ackerbebauer,

Kaum gibt's Eisen genug, um unseren Boden zu pflügen.

So karg gibt er Ertrag und verdoppelt nur unsere Mühe.

     Ja, jetzt schüttelt schon öfter sein Haupt der gealterte Bauer

Und seufzt drob, daß zunichte ihm ward die unendliche Arbeit,

Und mit der Gegenwart die vergangenen Zeiten vergleichend

Preist er wohl häufig das Glück, das seinem Erzeuger noch hold war.

     Traurig beschwert sich der Pflanzer der alten, vertrockneten Rebe

Über veränderte Zeiten und schickt zu dem Himmel die Klagen.

»Wahrlich, das alte Geschlecht«, so schilt er, »das Frömmigkeit übte,

Konnte mit leichtester Mühe auf kleineren Hufen sich nähren,

Wenn auch des Ackers Maß viel schmäler war jedem bemessen.«

Ach, er begreift nicht, wie alles vergeht und mählich dem Grabe

Zuwankt, müde geworden im langen Laufe der Jahre.


 © textlog.de 2004 • 06.12.2024 05:07:28 •
Seite zuletzt aktualisiert: 13.09.2005 
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