Blitzerscheinungen


Solch ein Getöse entsteht, wenn ein Blitz von Wolke zu Wolke

Überspringt; wenn das Feuer gerade auf reichliches Wasser

Auftrifft, tötet das Naß ihn sofort mit lautem Geprassel,

Wie wenn glühendes Eisen aus lodernder Esse genommen

Aufzischt, wenn man sofort es in eisiges Wasser hineintaucht.

     Springt dagegen das Feuer auf trocknere Wolke hinüber,

Lodert sie plötzlich empor und verbrennt mit gewaltigem Prasseln,

Wie wenn die Lorbeerhänge der Berge verwüstet ein Waldbrand,

Der von wirbelnden Winden genährt mit Heftigkeit wütet.

Denn nichts brennt auf der Welt mit so entsetzlichem Prasseln

Als die Flamme des Baums, der dem delphischen Phöbus geweiht ist.

     Oft macht schließlich das Eis, wenn es kracht, und das Fallen

des Hagels

In den größeren Wolken ein lautes Gelärm in der Höhe.

Denn wenn der Wind in der Enge zusammen sie drängt, dann zerbrechen

Jene Wolkengebirge aus Eis, das mit Hagel gemischt ist.

     Ebenso blitzt's, wenn die Wolken bei ihrer Begegnung in Menge

Feueratome entladen, wie wenn man den Stein mit dem Stahl schlägt

Oder auch Stein auf Stein; auch dann springt plötzlich ein Lichtblitz

Aus ihm heraus und das Feuer verstreut hellsprühende Funken.

     Daß man den Donner jedoch meist später vernimmt mit dem Ohre

Als man den Blitz mit dem Auge erschaut, kommt daher, daß alles

Langsamer trifft auf das Ohr als das Auge die Reizung empfindet.

     Dies ersieht man auch hieraus: so oft aus der Ferne du zuschaust,

Wie man ragende Bäume mit doppelschneidiger Axt fällt,

Wirst du den Axthieb früher gewahr, als der Schlag dir zu Ohren

Kommt. So sehen wir auch den Blitzstrahl früher mit Augen,

Als wir den Donner vernehmen, obwohl er zugleich mit dem Feuer

Und aus ähnlichem Grund beim Zusammenstoße erzeugt wird.

     Auch auf folgende Art erleuchten mit fliegendem Lichtglanz

Wetterwolken die Räume und zuckendes Wettergeleuchte.

Hat sich der Wind in die Wolken gebohrt und ein sich genistet,

Daß er, wie früher gelehrt, die Wolkenhöhlung verdichtet,

Dann macht diese Bewegung ihn glühend, wie alles Bewegte

Sich durchhitzt und erglüht, wie du siehst. Ja die bleierne Kugel

Schmilzt sogar bei längerem Flug infolge der Drehung.

     So zerreißt der entzündete Wind die dunkele Wolke

Und streut die durch den plötzlichen Druck entladnen Atome

Glühenden Feuers hinaus; sie entflammen die nickenden Blitze;

Dann erst hört man den Donner, der später an unser Gehör schlägt,

Als was von dorten gelangt in unserer Augen Gesichtsfeld.

     Freilich erfolgt dies nur, wenn die Wolken sich dichter geschichtet

Und mit erstaunlicher Wucht aufeinander sich haben geschoben.

Laß dich dabei nicht beirren, daß wir von hier unten erblicken

Mehr, wie sie ziehn in die Breite als wie sie nach oben sich türmen.

Schau dir nur an, wenn die Wolken wie mächtige Berge gestaltet

Quer durch die Luft hin jagen von stürmischen Winden getrieben,

Oder wie Wolkenmassen um hochaufragende Berge

Übereinander sich häufen und dort in Ruhe gelagert

Schwer von oben her drücken, wenn ringsum schlafen die Winde:

Dann erst kannst du ermessen, wie hoch sich die Massen erheben,

Kannst auch die Höhlen erblicken, die gleichsam von hängenden Felsen

Werden gebildet und die, wenn ein Sturm sich erhebt, von den Winden

Werden gefüllt; und diese nun rings von den Wolken umschlossen

Grollen mit lautem Geheul wie die wilden Tiere im Käfig,

Lassen bald hier bald dort durch die Wolken ihr Brüllen erschallen,

Wälzen sich hin und her, um die Ausgangspforte zu finden,

Wirbeln dadurch im Gewölk viel Feueratome zusammen,

Und so drehn sie die Flammen herum in der Höhlung des Ofens,

Bis das Gewölke zerplatzt und der Blitzstrahl zuckend herausfährt.

     Auch aus folgendem Grunde mag jener goldengefärbte,

Helle, bewegliche Strahl zur Erde hinunter sich schwingen,

Weil notwendigerweise die Wolken schon selber mit Feuer

Stark geladen sein müssen. Denn wenn sich in ihnen kein Naß mehr

Findet, dann sind sie zumeist von glänzendfeuriger Farbe.

Nämlich vom Lichte der Sonne erhalten sie reichlichen Abglanz,

Daß sie mit Grund rot glänzen und feurige Strahlen entsenden.

Treibt nun ein Windstoß diese an einem Ort aufeinander

Und zwängt hier sie zusammen, dann pressen sie Feueratome

Aus und diese bewirken das feuerfarbene Blitzlicht.

     Auch wenn dünn das Gewölk nur ist, blitzt's öfter am Himmel.

Denn wenn der Wind nur leise den Zug der Wolken zerschneidet

Und voneinander löst, dann fallen von selbst die Atome,

Welche das Blitzen erzeugen, heraus. Dann gibt es ein stilles

Wetterleuchten und ohne den widrigen Schrecken und Aufruhr.


 © textlog.de 2004 • 29.03.2024 13:05:20 •
Seite zuletzt aktualisiert: 14.09.2005 
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