9. Fabrikgesetzgebung. (Gesundheits- und Erziehungsklauseln.) Ihre Verallgemeinerung in England

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3. Weiberarbeit. Arbeiterinnen werden zwar seit 1842 nicht mehr unter, wohl aber über der Erde zum Aufladen der Kohlen usw., Schleppen der Kufen zu den Kanälen und Eisenbahnwagen, Sortieren der Kohlen usw. verbraucht. Ihre Anwendung hat sehr zugenommen in den letzten 3-4 Jahren. (n. 1727.) Es sind meist Weiber, Töchter und Witwen von Grubenarbeitern, vom 12. bis zum 50. und 60. Jahre. (n. 647, 1779, 1781.)
(n. 648.) "Was denken die Minenarbeiter von Beschäftigung von Weibern bei Bergwerken? - Sie verdammen sie allgemein." (n. 649.) "Warum? - Sie betrachten es erniedrigend für das Geschlecht ... Sie tragen eine Art von Mannskleidern. In vielen Fällen wird alle Scham unterdrückt. Manche Weiber rauchen. Die Arbeit ist so schmutzig wie die in den Gruben selbst. Darunter sind viele verheiratete Frauen, die ihre häuslichen Pflichten nicht erfüllen können." (n. 651 sqq., 701.) (n. 709.) "Können die Witwen ein so einträgliches Geschäft (8-10 sh. wöchentlich) anderswo finden? - Ich kann darüber nichts sagen." (n. 710.) "Und dennoch" (Herz von Stein!) "seid Ihr entschlossen, ihnen diesen Lebensunterhalt abzuschneiden? - Sicher." (n. 1715.) "Woher diese Stimmung? - Wir, Minenarbeiter, haben zu viel Respekt für das schöne Geschlecht, um es zur Kohlengrube verdammt zu sehn ... Diese Arbeit ist großenteils sehr schwer. Viele dieser Mädchen heben 10 Tonnen per Tag." (n. 1732.) "Glaubt Ihr, daß die in den Bergwerken beschäftigten Arbeiterinnen unmoralischer sind als die in den Fabriken beschäftigten? - Der Prozentsatz der Schlechten ist größer als unter den Fabrikmädchen." (n. 1733.) "Aber Ihr seid auch mit dem Stand der Moralität in den Fabriken nicht zufrieden? - Nein." (n. 1734.) "Wollt Ihr denn auch die Weiberarbeit in den Fabriken verbieten? - Nein, ich will nicht." (n. 1735.) "Warum nicht? - Sie ist für das weibliche Geschlecht ehrenvoller und passender." (n. 1736.) "Dennoch ist sie schädlich für ihre Moralität, meint Ihr? - Nein, lange nicht so sehr als die Arbeit an der Grube. Ich spreche übrigens nicht nur aus moralischen, sondern auch aus physischen und sozialen Gründen. Die soziale Degradation der Mädchen ist jammervoll und extrem. Wenn diese Mädchen Frauen der Minenarbeiter werden, leiden die Männer tief unter dieser Degradation, und es treibt sie von Haus und zum Soff." (n. 1737.) "Aber gälte nicht dasselbe für die bei Eisenwerken beschäftigten Weiber? - Ich kann nicht für andre Geschäftszweige sprechen." (n. 1740.) "Aber welcher Unterschied ist denn zwischen den bei Eisenwerken und Bergwerken beschäftigten Weibern? - Ich habe mich nicht mit dieser Frage beschäftigt." (n. 1741.) "Könnt Ihr einen Unterschied zwischen der einen oder der andern Klasse entdecken? - Ich habe nichts darüber vergewissert, kenne aber durch Visite von Haus zu Haus den schmählichen Zustand der Dinge in unsrem Distrikt." (n. 1750.) "Hättet Ihr nicht große Lust, Weiberbeschäftigung überall abzuschaffen, wo sie degradierend ist? - Ja ... die besten Gefühle der Kinder müssen von mütterlicher Zucht herkommen." (n. 1751.) "Aber das paßt ja auch auf agrikole Beschäftigung der Weiber? - Die dauert nur zwei Saisons, bei uns arbeiten sie alle vier Saisons durch, manchmal Tag und Nacht, naß bis auf die Haut, ihre Konstitution geschwächt , ihre Gesundheit gebrochen." (n. 1753.) "Ihr habt die Frage" (nämlich der Weiberbeschäftigung) "nicht allgemein studiert? - Ich habe um mich her geschaut und kann so viel sagen, daß ich nirgendwo etwas der weiblichen Beschäftigung an den Kohlengruben Paralleles gefunden habe. [n. 1793, 1794, 1808.] Es ist Mannsarbeit und Arbeit für starke Männer. Die beßre Klasse der Minenarbeiter, die sich zu heben und zu humanisieren sucht, statt irgend Stütze an ihren Weibern zu finden, wird durch sie heruntergezerrt."
Nachdem die Bourgeois noch weiter in die Kreuz und Quere gefragt, kommt endlich das Geheimnis ihres "Mitleidens" für Witwen, arme Familien usw. heraus:
"Der Kohleneigentümer ernennt gewisse Gentlemen zur Oberaufsicht und deren Politik ist es, um Beifall zu ernten, alles auf den möglichst ökonomischen Fuß zu setzen und die beschäftigten Mädchen erhalten 1 bis 1 sh. 6 d. täglich, wo ein Mann 2 sh. 6 d. erhalten müßte." (n. 1816.)
4. Totenschau-Juries.
(n. 360.) "Mit Bezug auf die coroner's inquestsin Euren Distrikten, sind die Arbeiter zufrieden mit dem Gerichtsverfahren, wenn Unfälle vorkommen? - Nein, sie sind es nicht." (n. 361-375.) "Warum nicht? - Namentlich weil man Leute zu Juries macht, die absolut nichts von Minen wissen. Arbeiter werden nie zugezogen, außer als Zeugen. Im ganzen nimmt man Krämer aus der Nachbarschaft, welche unter dem Einfluß der Minenbesitzer, ihrer Kunden, stehn und nicht einmal die technischen Ausdrücke der Zeugen verstehn. Wir verlangen, daß Minenarbeiter einen Teil der Jury bilden. Im Durchschnitt steht der Urteilsspruch im Widerspruch zu den Zeugenaussagen." (n. 378.) "Sollen Juries nicht unparteiisch sein? - "Ja." (n. 379.) "Würden die Arbeiter es sein? - Ich sehe keine Motive, warum sie nicht unparteiisch sein sollten. Sie haben Sachkenntnis." (n. 380.) "Aber würden sie nicht die Tendenz haben, im Interesse der Arbeiter ungerecht harte Urteile zu fällen? - Nein, ich glaube nicht."
5. Falsches Maß und Gewicht usw. Die Arbeiter verlangen wöchentliche statt vierzehntägiger Zahlung, Maß nach Gewicht statt nach Kubikraum der Kufen, Schutz gegen die Anwendung falschen Gewichts usw.
(n. 1071.) "Wenn die Kufen fraudulent vergrößert werden, so kann ein Mann ja die Mine verlassen nach 14tägiger Kündigung? - Aber, wenn er zu einem andern Platz geht, findet er dasselbe." (n. 1072.) "Aber er kann den Platz doch verlassen, wo das Unrecht verübt wird? - Es ist allgemein herrschend." (n. 1073.) "Aber der Mann kann seinen jedesmaligen Platz nach 14tägiger Kündigung verlassen? - Ja."
Streusand drauf!
6. Mineninspektion. Die Arbeiter leiden nicht nur von den Zufällen durch explodierende Gase.
(n. 234 sqq.) "Wir haben uns ebensosehr zu beklagen über die schlechte Ventilation der Kohlengruben, so daß die Leute kaum darin atmen können; sie werden dadurch zu jeder Art Beschäftigung unfähig. So hat z.B. grade jetzt in dem Teil der Mine, wo ich arbeite, die Pestluft viele Leute für Wochen aufs Krankenbett geworfen. Die Hauptgänge sind meist luftig genug, aber nicht die Plätze, worin wir arbeiten. Sendet ein Mann Klage über Ventilation an den Inspektor, so wird er entlassen und ist ein 'gezeichneter' Mann, der auch sonstwo keine Beschäftigung findet. Der 'Mining inspection Act' von 1860 ist ein reiner Papierlappen. Der Inspektor, und ihre Zahl ist viel zu klein, macht vielleicht in 7 Jahren einmal eine formelle Visite. Unser Inspektor ist ein ganz unfähiger, siebzigjähriger Mann, der mehr als 130 Kohlenbergwerken vorsteht. Neben mehr Inspektoren brauchen wir Subinspektoren." (n. 280.) "Soll dann die Regierung solch eine Armee von Inspektoren halten, daß sie alles, was Ihr verlangt, ohne Information der Arbeiter selbst tun können? - Das ist unmöglich, aber sie sollen sich die Information in den Minen selbst holen kommen." (n. 285.) "Glaubt Ihr nicht, daß die Wirkung sein würde, die Verantwortlichkeit (!) für die Ventilation usw. von dem Minenbesitzer auf die Regierungsbeamten zu wälzen? - Keineswegs; es muß ihr Geschäft sein, die Befolgung der bereits bestehenden Gesetze zu erzwingen." (n. 294.) "Wenn Ihr von Subinspektoren sprecht, meint Ihr Leute mit weniger Gehalt und von niedrigerem Charakter als die gegenwärtigen Inspektoren? - Ich wünsche sie keineswegs niedriger, wenn Ihr sie besser haben könnt." (n. 295.) "Wollt Ihr mehr Inspektoren oder eine niedrigere Klasse von Leuten als die Inspektoren? - Wir brauchen Leute, die sich in den Minen selbst umtummeln, Leute, die keine Angst für die eigne Haut haben." (n. 297.) "Wenn man Euren Wunsch nach Inspektoren von einer schlechtren Sorte erfüllte, würde ihr Mangel an Geschick nicht Gefahren erzeugen usw.? - Nein; es ist Sache der Regierung, passende Subjekte anzustellen."
Diese Art Examination wird endlich selbst dem Präsidenten des Untersuchungskomitees zu toll.
"Ihr wollt", fährt er dazwischen, "praktische Leute, die sich in den Minen selbst umsehn und an den Inspektor berichten, der dann seine höhere Wissenschaft verwenden kann." (n. 531.) "Würde die Ventilation aller dieser alten Werke nicht viel Kosten verursachen? - Ja, Unkosten möchten erwachsen, aber Menschenleben würden beschützt."
(n. 581.) Ein Kohlenarbeiter protestiert gegen die 17. Sektion des Akts von 1860:
"Gegenwärtig, wenn der Mineninspektor irgendeinen Teil der Mine in nicht bearbeitsfähigem Zustand findet, muß er es an den Minenbesitzer und den Minister des Innern berichten. Danach hat der Minenbesitzer 20 Tage Bedenkzeit; am Ende der 20 Tage kann er jede Veränderung verweigern. Tut er das aber, so hat er an den Minister des Innern zu schreiben und ihm 5 Bergwerksingenieure vorzuschlagen, worunter der Minister die Schiedsrichter erwählen muß. Wir behaupten, daß in diesem Fall der Minenbesitzer virtuell seine eignen Richter ernennt."
(n.586.) Der Bourgeoisexaminator, selbst Minenbesitzer:
"Dies ist ein rein spekulativer Einwand." (n. 588.) "Ihr habt also sehr geringer Ansicht von der Redlichkeit der Bergwerksingenieure? - Ich sage, es ist sehr unbillig und ungerecht." (n. 589.) "Besitzen Bergwerksingenieure nicht eine Art von öffentlichem Charakter, der ihre Entscheidungen über die von Euch befürchtete Parteilichkeit erhebt? - Ich verweigre, Fragen über den persönlichen Charakter dieser Leute zu beantworten. Ich bin überzeugt, daß sie in vielen Fällen sehr parteiisch handeln und daß diese Macht ihnen genommen werden sollte, wo Menschenleben auf dem Spiel stehn."
Derselbe Bourgeois hat die Unverschämtheit, zu fragen:
"Glaubt Ihr nicht, daß auch die Minenbesitzer Verluste bei den Explosionen haben?"
Endlich (n. 1042.):
"Könnt Ihr Arbeiter Eure eignen Interessen nicht selbst wahrnehmen, ohne die Hilfe der Regierung anzurufen? - Nein."
Im Jahre 1865 gab es 3.217 Kohlenbergwerke in Großbritannien und - 12 Inspektoren. Ein Minenbesitzer von Yorkshire ("Times", 26. Januar 1867) berechnet selbst, daß abgesehn von ihren rein bürokratischen Geschäften, die ihre ganze Zeit absorbieren, jede Mine nur einmal in 10 Jahren besichtigt werden könnte. Kein Wunder, daß die Katastrophen in den letzten Jahren (namentlich auch 1866 und 1867) progressiv in Anzahl und Umfang (manchmal mit einem Opfer von 200-300 Arbeitern) zugenommen haben. Dies sind die Schönheiten der "freien" kapitalistischen Produktion!
Jedenfalls ist der Akt von 1872, so mangelhaft er ist, der erste, der die Arbeitsstunden der in Bergwerken beschäftigten Kinder regelt und die Exploiteure und Grubenbesitzer in gewissem Maß für sogenannte Unfälle verantwortlich macht.
Die königliche Kommission von 1867 zur Untersuchung der Beschäftigung von Kindern, jugendlichen Personen und Weibern in der Agrikultur hat einige sehr wichtige Berichte veröffentlicht. Es sind verschiedne Versuche gemacht worden, die Prinzipien der Fabrikgesetzgebung, in modifizierter Form, auf die Agrikultur anzuwenden, aber bis jetzt schlugen sie alle total fehl. Worauf ich hier aber aufmerksam zu machen habe, ist das Bestehn einer unwiderstehlichen Tendenz zur allgemeinen Anwendung dieser Prinzipien.
Wenn die Verallgemeinerung der Fabrikgesetzgebung als physische und geistiges Schutzmittel der Arbeiterklasse unvermeidlich geworden ist, verallgemeinert und beschleunigt sie andrerseits, wie bereits angedeutet, die Verwandlung zerstreuter Arbeitsprozesse auf Zwergmaßstab in kombinierte Arbeitsprozesse auf großer, gesellschaftlicher Stufenleiter, also die Konzentration des Kapitals und die Alleinherrschaft des Fabrikregimes. Sie zerstört alle altertümlichen und Übergangsformen, wohinter sich die Herrschaft des Kapitals noch teilweise versteckt, und ersetzt sie durch seine direkt, unverhüllte Herrschaft. Sie verallgemeinert damit auch den direkten Kampf gegen diese Herrschaft. Während sie in den individuellen Werkstätten Gleichförmigkeit, Regelmäßigkeit, Ordnung und Ökonomie erzwingt, vermehrt sie durch den ungeheuren Sporn, den Schranke und Regel des Arbeitstags der Technik aufdrücken, die Anarchie und Katastrophen der kapitalistischen Produktion im großen und ganzen, die Intensität der Arbeit und die Konkurrenz der Maschinerie mit dem Arbeiter. Mit den Sphären des Kleinbetriebs und der Hausarbeit vernichtet sie die letzten Zufluchtsstätten der "Überzähligen" und damit das bisherige Sicherheitsventil des ganzen Gesellschaftsmechanismus. Mit den materiellen Bedingungen und der gesellschaftlichen Kombination des Produktionsprozesses reift sie die Widersprüche und Antagonismen seiner kapitalistischen Form, daher gleichzeitig die Bildungselemente einer neuen und die Umwälzungsmomente der alten Gesellschaft.322)
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