XIV.4. Roms Verfall

 

3. Aber es gab nicht nur Senat und Volk in Rom, sondern auch Sklaven, und zwar deren eine um so größere Menge, je mehr die Römer Herren der Welt wurden. Durch Sklaven bearbeiteten sie ihre weitläuftigen, reichen Äcker in Italien, Sizilien, Griechenland u. f.; eine Menge Sklaven war ihr häuslicher Reichtum, und der Handel mit ihnen, ja die Abrichtung derselben war ein großes Gewerbe Roms, dessen sich auch Cato nicht schämte. Längst waren nun die Zeiten vorüber, da der Herr mit seinem Knecht fast brüderlich umging und Romulus das Gesetz geben konnte, daß ein Vater seinen eignen Sohn dreimal zum Knecht verkaufen dürfe; die Sklaven der Weltüberwinder waren aus allen Gegenden der Erde zusammengetrieben und wurden von gütigen Herren gelinde, von unbarmherzigen oft als Tiere behandelt. Ein Wunder wäre es gewesen, wenn aus diesem ungeheuren Haufen unterdrückter Menschen den Römern kein Schade hätte zuwachsen sollen; denn wie jede böse Einrichtung, so mußte auch diese notwendig sich selbst rächen und strafen. Mitnichten war diese Rache allem jener blutige Sklavenkrieg, den Spartakus mit Feldherrnmut und Klugheit drei Jahre lang gegen die Römer führte: von 74 stieg sein Anhang bis zu 70000 Mann; er schlug verschiedene Feldherren, selbst zween Konsuls, und es wurden viel Greuel verübt. Der größere Schade war der, der durch die Lieblinge ihrer Herren, die Freigelassenen, entstand, durch welche Rom zuletzt im eigentlichsten Verstande eine Sklavin der Sklaven wurde. Schon zu Sulla Zeiten fing dieses Übel an, und unter den Kaisern mehrte es sich so schrecklich, daß ich nicht imstande bin, die Unordnungen und Greuel zu schildern, die durch Freigelassene und Lieblingsknechte entstanden.

Geschichte und Satiren der Römer sind davon voll; kein wildes Volk auf der Erde kennt dergleichen. So wurde Rom durch Rom gestraft; die Unterdrücker der Welt wurden der verruchtesten Sklaven demütige Knechte.

4. Endlich kam allerdings der Luxus dazu, dem Rom zu seinem Unglück so bequem lag, als ihm zu seinen Welteroberungen allerdings auch seine Lage geholfen hatte. Wie aus einem Mittelpunkt beherrschte es das Mittelländische Meer, mithin die reichsten Küsten dreier Weltteile; ja, über Alexandrien zog es durch ansehnliche Flotten die Kostbarkeiten Äthiopiens und des äußersten Indiens an sich. Meine Worte reichen nicht hin, jene rohe Verschwendung und Üppigkeit zu schildern, die seit der Eroberung Asiens in Gastmahlen und Spielen, in Leckerbissen und Kleidern, in Gebäuden und Hausgerät nicht nur in Rom selbst, sondern in allem, was zu ihm gehörte, herrschte.240 Man traut seinen Augen nicht, wenn man die Beschreibungen dieser Dinge, den hohen Preis ausländischer Kostbarkeiten und mit der Verschwendung darin zugleich die Schuldenlast der großen Römer, welches zuletzt Freigelassene und Sklaven waren, lieget. Notwendig zog dieser Aufwand die bitterste Armut nach sich, ja er war an sich schon eine elende Armut. Jene Goldquellen, die jahrhundertelang in Rom aus allen Provinzen zusammenflossen, mußten endlich versiegen, und da der ganze Handel der Römer ihnen im höchsten Grad nachteilig war, indem sie Überfluß kauften und Geld hingaben, so ist's nicht zu verwundern, daß Indien allein ihnen jährlich eine ungeheure Summe fraß. Dabei verwilderte das Land: der Ackerbau wurde nicht mehr, wie einst von den alten Römern und ihren Zeitgenossen in Italien, getrieben; die Künste Roms gingen auf das Entbehrliche, nicht auf das Nützliche, auf ungeheure Pracht und Aufwand in Triumphbogen, Bädern, Grabmälern, Theatern, Amphitheatern u. f..

Wundergebäude, die freilich allein diese Plünderer der Welt aufführen konnten. In keiner nützlichen Kunst, in keinem Nahrungszweige der menschlichen Gesellschaft hat je ein Römer etwas erfunden, geschweige daß er damit andern Nationen hätte dienen und von ihnen gerechten und bleibenden Vorteil ziehen mögen. Bald also verarmte das Reich: das Geld wurde schlecht, und schon im dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung bekam ein Feldherr nach diesem schlechtem Gelde kaum das zur Belohnung, was zu den Zeiten Augusts für den gemeinen Soldaten zu gering war. Lauter natürliche Folgen des Laufs der Dinge, die, auch bloß als Handel und Gewerb berechnet, nicht anders als also folgen konnten. Zugleich nahm aus eben diesen verderblichen Ursachen das menschliche Geschlecht ab, nicht nur an Anzahl, sondern auch an Größe, Wuchs und innern Lebenskräften. Eben das Rom und Italien das die volkreichsten, blühendsten Länder der Welt, Sizilien, Griechenland, Spanien, Asien, Afrika und Ägypten, zu einer halben Einöde gemacht hatte, zog durch seine Gesetze und Kriege, noch mehr aber durch seine verderbte, müßige Lebensart, durch seine ausschweifenden Laster, durch die Verstoßung der Weiber, Härte gegen die Sklaven und späterhin durch die Tyrannei gegen die edelsten Menschen sich selbst den natürlich- unnatürlichsten Tod zu. Jahrhunderte hin liegt das kranke Rom in schrecklichen Zuckungen auf seinem Siechbette; das Siechbett ist über eine ganze Welt ausgebreitet, von der es sich seine süßen Gifte erpreßt hat; sie kann ihm jetzt nicht anders helfen, als daß sie seinen Tod befördere. Barbaren kommen herzu, nordische Riesen, denen die entnervten Römer wie Zwerge erscheinen; sie verwüsten Rom und geben dem ermatteten Italien neue Kräfte. Ein fürchterlich- gütiger Erweis, daß alle Ausschweifung in der Natur sich selbst räche und verzehre! Dem Luxus der Morgenländer haben wir es Dank, daß die Welt früher von einem Leichnam befreit wurde, der durch Siege in andern Weltgegenden zwar auch, wahrscheinlich aber nicht so bald und so schrecklich, in die Verwesung gegangen wäre.

 5. Jetzt sollte ich alles zusammenfassen und die große Ordnung der Natur entwickeln, wie auch ohne Luxus, ohne Pöbel, Senat und Sklaven der Kriegesgeist Roms allein sich zuletzt selbst verderben und das Schwert in seine Eingeweide kehren mußte, das er so oft auf unschuldige Städte und Nationen gezuckt hatte; hierüber aber spricht statt meiner die laute Geschichte. Was sollten die Legionen, die, ungesättigt vom Raube, nichts mehr zu rauben fanden, vielmehr an den parthischen und deutschen Grenzen das Ende ihres Ruhms sahen: was sollten sie tun, als zurückkehrend ihre Mutter selbst würgen? Schon zu Marius und Sulla Zeiten fing dies schreckliche Schauspiel an; anhängend ihrem Feldherrn oder von ihm bezahlt, rächten die wiederkommenden Heere ihren Feldherrn an seiner Gegenpartei mitten im Vaterlande, und Rom floß von Blut über. Dies Schauspiel dauerte fort. Indem Pompejus und Cäsar in dem Lande, wo einst die Musen gesungen und Apollo als Schäfer geweidet, teuer gemietete Heere gegeneinander führten, wurde in dieser Ferne, von Römern, die gegen Römer fochten, das Schicksal ihrer Mutterstadt entschieden. So ging es bei dem grausamen Vergleich der Triumvirs zu Modena, der in einem Verzeichnis dreihundert Ratsglieder und zweitausend Ritter der Acht und dem Tode preisgab und zweihunderttausend Talente meistens aus Rom und von den Weibern selbst erpreßte. So nach der Schlacht bei Philippi, in welcher Brutus fiel; so vor dem Kriege gegen den zweiten Pompejus, den edleren Sohn eines großen Vaters; so nach der Schlacht bei Aktium u. f.

Vergebens, daß der schwache, grausame August den friedsamen Gütigen spielte: das Reich war durchs Schwert gewonnen, es mußte durchs Schwert verteidigt werden oder durch dasselbe fallen. Wenn es den Römern jetzt zu schlummern gefiel, so wollten deshalb nicht auch die beleidigten oder rege gemachten Nationen schlummern; sie federten Rache und gaben Wiedervergeltung, als ihre Zeit kam. Im römischen Reich war und blieb der Kaiser immer nur oberster Feldherr, und als viele derselben ihre Pflicht vergaßen, wurden sie vom Heer daran fürchterlich erinnert. Es setzte und würgte Kaiser, bis endlich der Oberste der Leibwache sich zum Großwesir aufdrang und den Senat zur elenden Puppe machte. Bald bestand auch dieser nur aus Soldaten, aus Soldaten, die mit der Zeit so schwach wurden, daß sie weder im Kriege noch im Rate laugten. Das Reich zerfiel: Gegenkaiser jagten und plagten einander; die Völker drangen hinan, und man mußte Feinde ins Heer nehmen, die andere Feinde lockten. So wurden die Provinzen zerrissen und verwüstet; das stolze ewige Rom ging endlich im Sturz unter, von seinen eignen Befehlshabern verlassen und verraten. Ein fürchterliches Denkmal, wie jede Eroberungswut großer und kleiner Reiche, insonderheit wie der despotische Soldatengeist nach gerechten Naturgesetzen ende. Fester und größer ist nie ein Kriegsstaat gewesen, als es der Staat der Römer war; keine Leiche aber ist auch je schrecklicher zu Grabe getragen worden als Jahrhunderte durch diese in der römischen Geschichte, so daß es hinter Pompejus und Cäsar keinen Eroberer und unter kultivierten Völkern kein Soldatenregiment mehr geben sollte.

Großes Schicksal! ist die Geschichte der Römer uns dazu geblieben, ja einem Teil der Welt mit dem Schwert aufgedrungen worden, damit wir dies lernen sollten? Und doch lernen wir an ihr entweder nur Worte, oder sie hat, unrecht verstanden, neue Römer gebildet, deren doch keiner seinem Vorbilde je gleichkam. Nur einmal standen jene alten Römer auf der Schaubühne und spielten, meistens als Privatpersonen, das fürchterlich-große Spiel, dessen Wiederholung wir der Menschheit nie wünschen mögen. Lasst uns indessen sehen was im Lauf der Dinge auch dies Trauerspiel für Glanz und große Seiten gehabt habe.

 


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