4. Befürchtungen hinsichtlich der Aufnahme des Werkes


Um die Wahrheit zu sagen, so bin ich mit mir selbst noch nicht einig, ob ich die Utopie überhaupt herausgeben soll. Der Geschmack der Menschen ist so verschieden, die Gemüter Mancher sind so mürrisch, ihre Sinnesart so unerquicklich, ihre Urteile so abgeschmackt, dass diejenigen besser zu fahren scheinen, die sich dem Genusse und der Fröhlichkeit hingeben, als diejenigen, welche sich mit Sorgen abäschern, etwas zu veröffentlichen, was andern zum Vergnügen oder zur Belehrung gereichen könne, während es eben diese verschmähen oder unfreundlich aufnehmen. Die Meisten wissen nichts von Wissenschaft und Literatur, viele verachten sie. Ein barbarischer Geschmack verwirft alles, was nicht wieder barbarisch ist. Die Halbwisser verachten alles als trivial, was nicht von altertümlichen Ausdrücken wimmelt. Gewissen Leuten gefällt nur das Alte, den meisten nur das, was sie selbst gemacht haben! Dieser ist so sauertöpfisch, dass er von keinem Scherze etwas wissen will, jener so platt und albern, dass er das Salz des Witzes nicht verträgt, andere so stumpfnasig, dass sie vor einer kräftigen Nase scheuen, wie ein von einem wütenden Hunde Gebissener vor dem Wasser. Wieder Andere sind so wetterwendisch, dass sie etwas gut heißen, während sie jetzt sitzen, und schon wieder etwas anderes, wenn sie dann aufstehen. Noch andere sitzen in der Kneipe und urteilen auf der Bierbank über literarische Erzeugnisse und verdammen mit einer ungeheuren Autorität alles Beliebige und die Schriften jedermanns, indem sie alle Welt durchzausen, während sie selbst in Sicherheit sind, außer Schußweite, nach dem Sprichworte, denn diese guten Leute sind um und um so glatt und kahl, dass sie kein gutes Haar an sich haben, bei dem man sie fassen könnte. Überdies gibt es so undankbare Gemüter, dass sie, während sie sich im höchsten Grade an einem Werke ergötzen, den Autor doch nicht leiden mögen, nicht unähnlich jenen unwirschen Gästen, die, nachdem sie an einem opulenten Gastmahl vollauf sich gelabt haben, nach Hause gehen, ohne dem Gastgeber ein Wort des Dankes zu sagen.

Nun geh und richte für Leute so verwöhnten Gaumens, so verschiedenen Geschmacks, und obendrein von so dankbarer Gesinnung, die der Wohltaten so eingedenk sind, auf Deine Kosten einen Schmaus her.

Aber trotzdem, lieber Peter, verfahre gegen Hythlodäus, wie ich oben gesagt: es bleibt mir ja unbenommen, hinterdrein immer noch zu tun, was ich will. Aber da ich doch einmal die Mühe des Niederschreibens gehabt habe, so möge das nicht gegen seinen Willen geschehen sein. In allem übrigen, was bei der Herausgabe noch in Betracht kommt, werde ich den Rat meiner Freunde befolgen, vor allem den Deinigen.

Lebe wohl, geliebtester Petrus Ädigius, samt Deiner lieben Frau, und bleibe mir wie bisher zugetan, wie auch ich Dich immer lieber gewonnen habe. 


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