Naturalienkabinet des Kurfürsten von Köln in Bonn. Fälschlich so genannter fossiler Menschenschädel


Ich kann dieses Blatt, das ohnehin so viel Naturhistorisches enthält, nicht besser ausfüllen, als mit ein paar Worten über das schon vorhin erwähnte Naturalienkabinet in Bonn. Von der herrlichen Lage des kurfürstlichen Schlosses und seiner Aussicht auf das Siebengebirge will ich nichts sagen, da wir die kurze Stunde unseres Aufenthaltes ganz der Ansicht des Naturalienkabinets widmeten. Die dabei befindliche Bibliothek füllt drei Zimmer. In den reichvergoldeten Schränken steht eine Auswahl brauchbarer, teuerer Werke, die eines solchen Behältnisses wohl wert sind. Ich bemerkte darunter die besten Schriftsteller unserer Nation in jedem Fach der Literatur, ganz ohne Vorurteil gesammelt. Aus der Bibliothek kommt man in ein physikalisches Kabinet, worin sich die Elektrisiermaschine, der große metallene Brennspiegel und der ansehnliche Magnet auszeichnen. Die Naturaliensammlung füllt eine Reihe von acht Zimmern. Das größte enthält vierfüßige Tiere, Vögel, Amphibien und getrocknete Fische in keiner systematischen Ordnung, teils in Glasschränken, teils im Zimmer umhergestellt, teils hängend an der Decke und mit Kunstsachen vermischt, die nicht alle von gleichem Wert, oder ihres Platzes würdig sind. Die ausgestopften vierfüßigen Tiere sind meistenteils sehr mißgestaltet; ein Tadel, der mehr oder weniger alle Naturaliensammlungen trift. Die Vögel sind weniger verzerrt, und man sieht darunter manche seltene Gattung nebst ihren Nestern und Eiern. Die Decke des Zimmers ist mit verschiedenen Vögeln bemalt, die der Sammlung fehlen. Das Konchylienkabinet hat nicht viele Seltenheiten, Kostbarkeiten und sogar nicht viele Gattungen; es enthält nur die gemeinsten Sorten und eine Menge Dubletten. Desto reicher ist aber die schöne Mineraliensammlung, die zwar keine methodische Ordnung hat, und eben so wenig eine vollständige Folge aufweisen kann, aber gleichwohl, wenn man sie nicht als ein Ganzes beurteilen will, manches Kostbare enthält, und dem Kenner willkommene und lehrreiche Bruchstücke darbietet, besonders die unvergleichliche vesuvisch-vulkanische Sammlung in einem draußenstehenden Schrank, einen reichen Vorrat von Goldstufen, sehr schönen weißen Bleispat vom Glücksrad am Harz, Eisenglaskopf von den seltensten Konfigurationen, prächtiges rotes Kupferglas, Flußspatdrusen, Versteinerungen, u. dgl. m. Das Merkwürdigste war mir ein Menschenschädel, der gleichsam aus gelbbraunem Tuff von sehr dichtem, festem Bruch, woran keine Lamellen kenntlich sind, besteht. An einigen Stellen ist die Substanz desselben zolldick, ohne dass man auf dem Schnitte die geringste Spur von Inkrustation erkennen kann. Der halbe Oberkopf ist nämlich bis an die Augenbrauen und hinten bis auf die Hälfte des Hinterhaupts, wie ein Segment ausgeschnitten, so dass man es herausnehmen und inwendig alles besehen kann. Ein Umstand ist dabei sehr auffallend: Die Substanz dieses Schädels hat in ihrer Veränderung fast alle feineren Hervorragungen so bedeckt, und alle Vertiefungen so ausgefüllt, dass man sowohl auf der innern, als auf der äußern Oberfläche nur kleine abgerundete Spuren erblickt; gleichwohl sind die Gelenkflächen des Kopfes und des Unterkiefers allein verschont und in ihrem natürlichen Zustande geblieben. Dies allein beweiset schon, dass dieses seltene Stück nur zur Erläuterung der Lehre von den Krankheiten der Knochen dienen kann, und keinesweges, wie man vorgibt, ein versteinerter Menschenschedel ist. Solche Versteinerungen sind zwar von andern Tierklassen nicht selten, hingegen vom Menschen ist bis jetzt noch schlechterdings kein einziges unbezweifeltes Petrefakt gefunden worden. Die Krankheit, welche hier diese sonderbare Erscheinung an einem Menschenschädel hervorgebracht hat, ist eine der ungewöhnlichsten gewesen, nämlich ein Überfluß von wucherndem Knochensaft, oder Knochenstoff, wodurch bei Lebzeiten des unglücklichen Individuums die Teile des Schädels zu einer unförmlichen Gestalt angewachsen sind, und ihn allmählich aller Sinnorgane beraubt haben müssen. Dabei ist es vorzüglicher Aufmerksamkeit wert, dass die Nervenlöcher doch verhältnismäßig nur wenig verengt worden sind. Man hat bereits in d'Argenville's Oryktologie die Abbildung eines dem hiesigen vollkommen ähnlichen Schädels, und unser Sömmerring besitzt einige, auf eben dieselbe Art unförmlich angequollene Hühnerknochen.




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Seite zuletzt aktualisiert: 15.11.2007 
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