Zweite Szene

Schlafzimmer.

Desdemona schlafend, im Bett. Ein Licht brennt neben ihr.

Othello tritt herein.


OTHELLO.

Die Sache will's, die Sache will's, mein Herz!

Laßt sie mich euch nicht nennen, keusche Sterne! –

Die Sache will's. – Doch nicht ihr Blut vergieß' ich;

Noch ritz' ich diese Haut, so weiß wie Schnee

Und sanft wie eines Denkmals Alabaster. –

 

Er legt seinen Degen ab.

 

Doch sterben muß sie, sonst betrügt sie andre.

Tu' aus das Licht und dann – Tu' aus das Licht; –

Ja, lösch' ich dich, du flammenheller Diener –

Kann ich dein vorig Licht dir wiedergeben,

Sollt' ich's bereun; – doch dein Licht ausgetan,

Du reizend Muster herrlichster Natur,

Nie find' ich den Prometheusfunken wieder,

Dein Licht zu zünden. Pflückt' ich deine Rose,

Nie kann ich ihr den Lebenswuchs erneun,

Sie muß, muß welken; dufte mir vom Stamm! –

 

Küßt sie.

 

O würz'ger Hauch, der selbst Gerechtigkeit

Ihr Schwert zu brechen zwingt! – Noch einen! einen!

Sei, wann du tot bist, so: dann töt' ich dich,

Und liebe dich nachher – noch einen und den letzten!

So süß war nie so tödlich. Ich muß weinen.

Doch sind's grausame Tränen: dieser Schmerz

Ist wie des Himmels, strafend, wo er liebt. –

Sie wacht. –

DESDEMONA.

Wer da? Othello?

OTHELLO.

Ja, Desdemona.

DESDEMONA.

Wollt Ihr zu Bett gehn, mein Gemahl?

OTHELLO.

Hast du zu Nacht gebetet, Desdemona?

DESDEMONA.

Ja, mein Gemahl!

OTHELLO.

Kannst du dich einer Sünde noch erinnern,

Nicht ausgesöhnt dem Himmel und der Gnade,

So flehe jetzt alsbald!

DESDEMONA.

Ach, mein Gemahl! Was willst du damit sagen?

OTHELLO.

Wohl, tu' es und sei kurz; ich geh' beiseite;

Nicht möcht' ich deinen Geist in Sünden töten,

Nein, Gott verhüt's! nicht deine Seele töten.

DESDEMONA.

Sprichst du vom Töten?

OTHELLO.

Ja!

DESDEMONA.

Dann, güt'ger Himmel,

Erbarm' dich mein!

OTHELLO.

Amen von ganzem Herzen!

DESDEMONA.

Wenn du so sprichst, dann wirst du mich nicht töten!

OTHELLO.

Hum! –

DESDEMONA.

Und dennoch fürcht' ich dich, denn du bist schrecklich,

Wenn so dein Auge rollt,

Warum ich fürchten sollte, weiß ich nicht,

Da ich von Schuld nichts weiß; doch fühl' ich, daß ich fürchte.

OTHELLO.

Denk' deiner Sünde!

DESDEMONA.

Das ist zu dir die Herzensliebe!

OTHELLO.

Und dafür stirbst du.

DESDEMONA.

Grausamer Tod, der nur um Liebe tötet! –

Ach, warum nagst du so die Unterlippe?

Dein ganzer Bau erbebt in blut'ger Wut.

Das sind Vorzeichen; doch ich hoff', ich hoffe,

Sie deuten nicht auf mich.

OTHELLO.

Schweig' und sei still! –

DESDEMONA.

Ich schweige; was begehrst du? –

OTHELLO.

Das Tuch, das ich so wert hielt und dir schenkte,

Du gabst es Cassio.

DESDEMONA.

Nein, bei Seel' und Leben!

Ruf ihn herbei und frag' ihn!

OTHELLO.

Behüte, Kind, behüte dich vor Meineid,

Du liegst auf deinem Sterbebette!

DESDEMONA.

Ja, doch nicht jetzt zu sterben.

OTHELLO.

Ja, alsbald.

Darum bekenn' aufrichtig deine Sünde;

Denn jeden Punkt mit einem Eid verleugnen,

Nicht wälzt es ab, noch beugt's der Überzeugung Last,

Die mich zu Boden drückt. Du bist am Sterben!

DESDEMONA.

Dann, Gott erbarm' dich mein!

OTHELLO.

Ich sage Amen!

DESDEMONA.

Auch du erbarm' dich mein! Nie hab' ich dich

Jemals beleidigt, Cassio nie geliebt,

Als mit der Liebe, die der Himmel selbst

Gestattet: niemals gab ich ihm ein Pfand.

OTHELLO.

Bei Gott, ich sah mein Tuch in seinen Händen;

Meineidig Weib! Ha! du versteinst mein Herz

Und machst zum Mord, was ich beginnen will,

Was ich als Opfer meinte.

Ich sah das Tuch.

DESDEMONA.

So hat er's denn gefunden;

Nie hab' ich's ihm gegeben: ruf' ihn her,

Daß er bekennt, wie's ist.

OTHELLO.

Er hat bekannt.

DESDEMONA.

Was teurer Herr?

OTHELLO.

Daß er dein Freund gewesen –

DESDEMONA.

Wie? unerlaubt?

OTHELLO.

Ja!

DESDEMONA.

Das kann er nicht sagen.

OTHELLO.

O nein, sein Mund ist stumm;

Der treue Jago hat dafür gesorgt.

DESDEMONA.

Oh! meine Furcht erklärt mir's. Wie? Er tot?

OTHELLO.

Ob jedes Haar ein Leben war, mein Grimm

Verschlang sie alle!

DESDEMONA.

O Gott! Er ist verraten, ich verloren!

OTHELLO.

Ha, Metze! Weinst um ihn vor meinen Augen? –

DESDEMONA.

Verstoße mich! Oh, töte mich nur nicht! –

OTHELLO.

Nieder mit dir, Metze!

DESDEMONA.

Töte mich morgen, laß mich heut noch leben!

OTHELLO.

Kein Sträuben!

DESDEMONA.

Nur ein Stündchen!

OTHELLO.

Ist's getan,

Braucht's keines Zögerns.

DESDEMONA.

Nur, bis ich noch gebetet!

OTHELLO.

's ist zu spät.

 

Er erstickt sie.

 

EMILIA draußen.

Mein gnäd'ger Herr! He! Holla! Gnäd'ger Herr!

OTHELLO.

Was für ein Lärm? Nicht tot? Noch nicht ganz tot? –

Ich bin zwar grausam, aber doch barmherzig;

Nicht möcht' ich dir verlängern deine Qual. –

 

Ersticht sie mit dem Dolch.

 

So, so.

EMILIA.

He, holla! Gnäd'ger Herr!

OTHELLO.

Wer da?

EMILIA.

O bester Herr, nur auf ein Wort mit Euch! –

OTHELLO.

Ja! 's ist Emilia. Gleich! – Jetzt ist sie tot. –

Gewiß, sie kommt und meldet CassiosTod;

Der Lärm war groß. – Ha! Regst du dich nicht mehr?

Still, wie das Grab. – Darf sie herein? – Wär's gut? –

Mir deucht, sie rührt sich. – Nein. – Was ist das beste?

Kommt sie, wird sie nach meinem Weibe fragen –

Mein Weib! Mein Weib! – Welch Weib? Ich hab' kein Weib.

Oh, unerträglich! Oh, furchtbare Stunde!

Nun, dächt' ich, müßt' ein groß Verfinstern sein

An Sonn' und Mond, und die erschreckte Erde

Sich auftun vor Entsetzen.

EMILIA.

Ich bitt' Euch dringend, gönnt mir nur ein Wort,

O bester Herr!

OTHELLO.

O ich vergaß dich. – Komm herein, Emilia!

Sacht, – gleich! Sogleich! – Ich zieh' den Vorhang zu.

Wo kommst du her? Was hast du mir zu sagen?

 

Er schließt die Tür auf. Emilia tritt herein.

 

EMILIA.

Oh, lieber Herr! Ein sünd'ger Mord geschah.

OTHELLO.

Wie, jetzt!

EMILIA.

Jetzt eben, Herr!

OTHELLO.

Das hat wahrhaftig nur der Mond verschuldet;

Er kommt der Erde näher, als er pflegt,

Und macht die Menschen rasend.

EMILIA.

Cassio, Herr,

Bracht' einen jungen Venetianer um,

Genannt Rodrigo.

OTHELLO.

Was! Rodrigo tot?

Und Cassio tot?

EMILIA.

Nein, Cassio ist nicht tot.

OTHELLO.

Cassio nicht tot? Dann klingt der Mord verstimmt,

Und rauh die süße Rache.

DESDEMONA.

O ungerechter Mord!

EMILIA.

Gott! Welch ein Schrei war das?

OTHELLO.

Das? Was?

EMILIA.

O heil'ger Gott! Die Stimme meiner Frau!

Helft, helft, o helft! O Teure, sprecht noch einmal!

O Desdemona! Süße Herrin, sprecht! –

DESDEMONA.

Ich sterbe schuldlos.

EMILIA.

Oh! Wer hat die Tat vollbracht?

DESDEMONA.

Niemand – ich selbst, – leb wohl!

Empfiehl mich meinem güt'gen Herrn, – leb wohl! –

OTHELLO.

Wie wär' sie denn ermordet?

EMILIA.

Gott! wer weiß es?

OTHELLO.

Du hört'st es von ihr selbst, ich tat es nicht.

EMILA.

So sagte sie: so muß ich's treu berichten.

OTHELLO.

Sie fuhr als Lügnerin zur Flammenhölle:

Ich war ihr Mörder.

EMILIA.

So mehr Engel sie,

Und du so schwärzrer Teufel!

OTHELLO.

Sie fiel der Sünd' anheim und ward zur Hure.

EMILIA.

Nein, du belügst sie, und du bist ein Teufel!

OTHELLO.

Sie war wie Wasser falsch.

EMILIA.

Und du bist wild wie Feuer, wenn du sie

Der Falschheit zeihst: oh, sie war himmlischtreu!

OTHELLO.

Cassio verführte sie: frag' deinen Mann:

Verdammt wär' ich zum tiefsten Höllenabgrund,

Wenn ich nicht vorschritt auf gerechtem Grund

Zu diesem Äußersten; – dein Mann weiß alles.

EMILIA.

Mein Mann?

OTHELLO.

Dein Mann.

EMILIA.

Daß sie die Ehe brach? –

OTHELLO.

Ja doch, mit Cassio. Wär' sie treu gewesen, –

Und schuf mir eine zweite Welt der Himmel

Aus einem fehllos reinen Chrysolith,

Ich gab sie nicht dafür.

EMILIA.

Mein Mann! –

OTHELLO.

Jawohl, er war's, der mich zuerst gewarnt:

Er ist ein Ehrenmann und haßt den Schlamm

Schandbarer Greueltat.

EMILIA.

Mein Mann?

OTHELLO.

Wozu die Wiederholung, Weib?

Ich sage dir, dein Mann.

EMILIA.

O teure Frau, Bosheit treibt Spott mit Liebe!

Mein Mann sagt, daß sie falsch ist?

OTHELLO.

Weib! er sagt's,

Dein Mann, dein Mann, verstehst du?

Mein Freund, dein Mann, der wackre, wackre Jago.

EMILIA.

Sagt' er's, mag ihm die gift'ge Seele täglich

Verfaulen um 'nen Gran! Er lügt als Schelm:

Sie liebte nur zu sehr ihr kläglich Bündnis.

OTHELLO.

Ha!

EMILIA.

Tu' dein Ärgstes;

So wert ist diese deine Tat des Himmels

Als ihrer du.

OTHELLO.

Am besten wohl, du schwiegst.

EMILIA.

Du hast nicht halb die Kraft, mir weh zu tun,

Als ich's zu tragen. Dummkopf! blöder Tor! –

Hirnlos, wie Kot: die Tat, die du getan –

Was kümmert mich dein Schwert? Ich mach' es kund,

Und gölt' es zwanzig Leben. Helft, helft, helft!

Der Mohr hat meine Frau erwürgt: Mord! Mord!

 

Montano, Gratiano und Jago treten auf.

 

MONTANO.

Was geht hier vor? Was gibt es, General?

EMILIA.

Oh, kommst du, Jago? – Ei, du machst es schön,

Daß andre ihre Mordtat auf dich schieben.

GRATIANO.

Was geht hier vor?

EMILIA.

Straf' diesen Bös'wicht Lügen, wenn du Mann bist:

Er spricht: Du sagtest ihm, sein Weib sei falsch;

Ich weiß, das tatst du nicht, du bist kein Schelm: –

Sprich, denn mein Herz ist voll.

JAGO.

Ich sagt' ihm, was ich dachte; sagt' auch nichts,

Als was er selbst glaubwürdig fand und wahr.

EMILIA.

So hast du je gesagt, sie sei nicht treu?

JAGO.

Ich tat's.

EMILIA.

Das war 'ne Lüge; schnöde, höllische Lüge:

Bei Gott, 'ne Lüge, recht verdammte Lüge!

Sie falsch mit Cassio? Sagtest du, mit Cassio?

JAGO.

Mit Cassio, Weib: Still! Bänd'ge deine Zunge!

EMILIA.

Die Zunge bänd'gen? Reden will ich laut: –

In ihrem Bett liegt meine Frau ermordet.

ALLE.

Oh, Gott verhüt' es!

EMILIA.

Und dein Verhetzen stiftete den Mord.

OTHELLO.

Nein, starrt nicht so, ihr Herrn, 's ist wirklich wahr.

GRATIANO.

Unsel'ge Wahrheit!

MONTANO.

Ungeheure Tat! –

EMILIA.

O Büberei, verruchte Büberei! –

Ich denke dran – ich denk' – ich merk's – o Büberei!

Ich dacht' es gleich – vor Gram möcht' ich mich töten!

O Büberei! –

JAGO.

Was, bist du toll? Geh gleich nach Haus, befehl' ich!

EMILIA.

Ihr edlen Herrn! Vergönnt mir, daß ich rede:

Ihm zu gehorchen ziemt mir, doch nicht jetzt.

Vielleicht geh' ich nie mehr nach Hause, Jago.

OTHELLO blickt auf Desdemona.

Oh, oh, oh, oh!

EMILIA.

Ja, wirf dich hin und brülle,

Weil du gemordet hast die holdste Unschuld,

Die je den Blick erhob!

OTHELLO.

Oh, sie war schlecht! –

Ich sah Euch jetzt erst, Ohm: ja, diese Hand

Hat wirklich Eure Nichte jetzt ermordet.

Ich weiß, die Tat sieht greulich aus und schwarz.

GRATIANO.

Du armes Kind! – Gut, daß dein Vater starb;

Dein Bündnis ward ihm tödlich; – Gram allein

Zerschnitt den alten Faden; lebt' er jetzt,

Der Anblick würd' ihn in Verzweiflung stürzen,

Daß er den guten Engel von sich fluchte,

Sein Seelenheil gefährdend.

OTHELLO.

Ja, es ist jammervoll! Doch Jago weiß,

Daß sie die schnöde Tat mit diesem Cassio

Wohl hundertmal beging: Cassio gestand's,

Und sie vergalt ihm seine Liebesglut

Mit dem Gedächtnispfand und Brautgeschenk,

Das ich ihr gab; ich sah's in seiner Hand:

Es war ein Tuch, ein altes Angedenken,

Das einst mein Vater meiner Mutter gab.

EMILIA.

O all ihr Himmelsmächte!

JAGO.

Willst du schweigen?

EMILIA.

Es muß heraus, heraus! Jetzt schweigen? Nein,

Nein, ich will reden, ungehemmt, wie Nordwind:

Laß Himmel, Menschen, Teufel, alle, alle,

Schmach rufen über mich, ich rede doch! –

JAGO.

Sei klug und geh nach Haus'.

EMILIA.

Ich will nicht.

 

Jago macht Miene, sie zu erstechen.

 

GRATIANO.

Den Degen auf ein Weib? –

EMILIA.

O dummer Mohr! Das Tuch, von dem du sagst,

Fand ich durch Zufall und gab's meinem Manne;

Denn oft mit feierlichem Ernst und Nachdruck

(Mehr, als für solche Kleinigkeit sich ziemte)

Hieß er's mich stehlen.

JAGO.

Du verdammte Metze!

EMILIA.

Sie gab es Cassio? – Nein, ach nein! Ich fand's

Und gab es meinem Mann.

JAGO.

Ausbund, du lügst!

EMILIA.

Bei Gott, ich log nicht, nein, ihr edlen Herrn!

Blutdürst'ger Narr! Was sollt' auch dieser Tropf

Mit solcher guten Frau? –

 

Jago ersticht seine Frau und läuft fort.

 

OTHELLO.

Gibt's keinen Keil im Himmel

Als nur zum Donner? – Auserlesner Schurke!

GRATIANO.

Sie sinkt, wahrhaftig, er erstach sein Weib! –

EMILIA.

Ja, ja: o legt mich neben meine Herrin! –

GRATIANO.

Er lief davon, doch seine Frau ist hin.

MONTANO.

's ist ein Erzbösewicht. – Bewahrt dies Schwert,

Das ich jetzt hier dem Mohren weggenommen:

Besetzt die äußre Tür, laßt ihn nicht durch;

Erstecht ihn eh'! – Ich will dem Buben nach,

Denn der ist ein verdammter Hund.

OTHELLO.

Ich bin auch nicht mehr tapfer:

Nein, jeder winz'ge Knab' entführt mein Schwert.

Was soll auch Ehre Tugend überleben? –

Fahr' alles hin!

EMILIA.

Was deutete dein Lied?

Hörst du mich noch? Ich will dem Schwane gleich

In Wohllaut sterben. Weide, Weide, Weide! –

Mohr, sie war keusch; sie liebte dich, Barbar!

So werde Heil mir, als ich Wahrheit zeuge;

Und redend, wie ich denke, sterb' ich – sterb' ich.

 

Sie stirbt.

 

OTHELLO.

Ich hab' noch einen Degen hier im Zimmer,

Es ist ein spanisch Schwert, in Eis gehärtet.

Aha, hier ist's! – Oheim, ich muß hinaus.

GRATIANO draußen.

Wenn du's versuchst, wirst du es teuer büßen,

Du bist wehrlos und mußt dich unterwerfen.

OTHELLO.

So komm denn hier herein und sprich mit mir,

Sonst mit der nackten Faust fall' ich dich an.

GRATIANO im Hereintreten.

Was willst du mir?

OTHELLO.

Sieh her, ich hab' ein Schwert!

Ein beßres hat noch nie geschmückt die Hüfte

Eines Soldaten. Wohl war einst der Tag,

Wo mir der kleine Arm, dies gute Schwert

Den Ausgang schaffte durch mehr Hindernis,

Als zwanzigmal dein Zwang. Doch eitles Prahlen!

Wer lenkt sein Schicksal? Das ist jetzt vorbei. –

Seid nicht erschreckt, ob Ihr bewehrt mich seht;

Hier ist mein Reiseziel, mein Ankerplatz,

Die fernste Seemark für mein ruhend Schiff.

Trittst du zurück in Furcht? Du bangst umsonst:

Zück' nur ein Schilfrohr auf Othellos Brust,

Er weicht ihm. Wohin sollt' Othello gehn? –

Ach, wie siehst du nun aus, o Kind des Jammers,

Bleich, wie dein Tuch! Wenn wir am Thron erscheinen,

Wird dies dein Bild mich fort vom Himmel schleudern,

Wo Furien mich ergreifen. Kalt, mein Mädchen?

Wie deine Keuschheit!

O du verfluchter Sklav'! Peitscht mich, ihr Teufel,

Weg von dem Anblick dieser Himmelsschönheit!

Stürmt mich in Wirbeln! Röstet mich in Schwefel,

Wascht mich in tiefen Schlünden flüss'ger Glut!

O Desdemona, Desdemona, tot? –

Tot? Oh! Oh! Oh!

 

Lodovico, Cassio, der geführt wird, Montano, Jago als Gefangener und Offiziere.

 

LODOVICO.

Wo ist der rasche, höchst unsel'ge Mann? –

OTHELLO.

Hier steht, der einst Othello war: hier bin ich.

LODOVICO.

Wo ist die Natter? Führt den Buben vor!

OTHELLO.

Ich seh' ihm auf den Fuß; doch das ist Fabel –

Bist du ein Teufel, kann ich dich nicht töten.

 

Othello verwundet den Jago.

 

LODOVICO.

Nehmt ihm sein Schwert!

JAGO.

Ich blute, doch ich lebe.

OTHELLO.

Sonst tät' es mir auch leid. Du sollst noch leben;

Denn wie ich fühl', ist Tod Glückseligkeit.

LODOVICO.

O du, Othello! sonst so groß und gut,

Umgarnt von Schlingen eines Bösewichts!

Was soll man von dir sagen?

OTHELLO.

Was man will:

Daß ich ein ehrenvoller Mörder sei;

Denn nichts tat ich aus Haß, für Ehre alles.

LODOVICO.

Halb hat der Sklav' sein Bubenstück bekannt.

Habt Ihr mit ihm in Cassios Tod gewilligt?

OTHELLO.

Ja.

CASSIO.

Teurer Herr, ich gab Euch niemals Grund.

OTHELLO.

Ich glaub' es, und ich bitt' um dein Verzeihn.

Wollt Ihr von diesem Teufel wohl erfragen,

Warum er Seel' und Leib mir so verstrickt? –

JAGO.

Fragt mich um nichts mehr: was ihr wißt, daß wißt ihr.

Von dieser Stund' an rede ich kein Wort.

LODOVICO.

Was? Nicht zum Beten?

GRATIANO.

Folter wird dich's lehren.

OTHELLO.

Gut, du tust so am besten.

LODOVICO.

Ihr sollt erfahren, Herr, was sich begab:

Noch, glaub' ich, wißt Ihr's nicht: Hier ist ein Brief,

Der sich in Roderigos Tasche fand,

Und hier ein zweiter. Jener dort enthält,

Wie Roderigo aufgefordert ward

Zu Cassios Tod.

OTHELLO.

Nichtswürdiger!

CASSIO.

Höchst heidnisch, höchst verrucht!

LODOVICO.

Ein andrer Brief, verstimmt und voller Zweifel,

Gefunden auch bei ihm; und diesen, scheint's,

Wollt' Roderigo an den Schurken senden,

Doch kam indes wohl Jago selbst zu ihm,

Ihn zu beruhigen.

OTHELLO.

Meuchlerischer Hund! –

Wie kamst du, Cassio, denn zu jenem Tuch

Von meiner Frau? –

CASSIO.

Ich fand's auf meinem Zimmer;

Und er gestand in diesem Augenblick,

Daß er's dort fallen ließ aus eigner Absicht,

Zu schlechtem Zweck.

OTHELLO.

O Tor! O blöder Tor!

CASSIO.

Dann ferner steht in Roderigos Brief

Der Vorwurf, wie ihn Jago aufgehetzt,

Mir auf der Wacht zu trotzen, was bewirkte,

Daß ich entsetzt ward, und noch sagt' er eben

(Erwacht vom Scheintod), daß ihn Jago reizte,

Mich anzufallen, und ihn dann erstach.

LODOVICO.

Ihr müßt jetzt mit uns dieses Haus verlassen:

Gewalt und Vollmacht sind Euch abgenommen;

Cassio befiehlt in Cypern. Dieser Bube –

Gibt's irgendeine recht geschärfte Marter,

Die lang ihn hinhält und erfind'risch quält,

Die sei für ihn. Ihr bleibt in strenger Haft,

Bis über Eure Tat berichtet ward

Dem Staat Venedigs. Geht und führt ihn weg!

OTHELLO.

Gemach! – Nur noch zwei Worte, eh' Ihr geht!

Ich tat Venedig manchen Dienst, man weiß es:

Nichts mehr davon! – In Euren Briefen, bitt' ich,

Wenn Ihr von diesem Unheil Kunde gebt,

Sprecht von mir, wie ich bin – verkleinert nichts,

Noch setzt in Bosheit zu: Dann müßt Ihr melden

Von einem, der nicht klug, doch zu sehr liebte;

Nicht leicht argwöhnte, doch, einmal erregt,

Unendlich raste: von einem, dessen Hand,

Dem niedern Juden gleich, die Perle wegwarf,

Mehr wert als all sein Volk; des überwundnes Auge,

Sonst nicht gewöhnt zu schmelzen, sich ergeußt

In Tränen, wie Arabiens Bäume taun

Von heilungskräft'gem Balsam – schreibt das alles;

Und fügt hinzu: daß in Aleppo, wo

Ein gift'ger Türk' in hohem Turban einst

'nen Venetianer schlug und schalt den Staat, –

Ich den beschnittnen Hund am Hals ergriff

Und traf ihn – so!

 

Er ersticht sich.

 

LODOVICO.

O blut'ges Ende!

GRATIANO.

Umsonst nun unser Wort.

OTHELLO.

Ich küßte dich,

Eh' ich dir Tod gab – nun sei dies der Schluß:

Mich selber tötend sterb' ich so im Kuß.

CASSIO.

Dies fürchtet' ich – doch glaubt' ihn ohne Waffen –:

Denn er war hochgesinnt.

LODOVICO.

Spartan'scher Hund,

Verderblicher als Hunger, Pest und Meer!

Schau dort die trag'sche Bürde dieses Betts:

Das ist dein Werk. Das Aug' erliegt dem Anblick;

Verhüllt ihn! Ihr, Gratiano, bleibt im Schloß,

Und nehmt des Mohren Güter in Beschlag,

Denn Ihr beerbt Ihn.

 

Zu Cassio.

 

Euch, Herr Gouverneur,

Liegt ob das Urteil dieses höll'schen Buben;

Die Zeit, der Ort, die Marter – schärft, o schärft sie ihm! –

Ich will sogleich an Bord, und dem Senat

Mit schwerem Herzen künden schwere Tat.

 

Alle gehn ab.

 


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Seite zuletzt aktualisiert: 06.10.2007 
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