Die Tiere unterscheiden, was ihnen in ihren Krankeiten nützlich sein kann


Warum sagen wir, der Mensch hätte die Wissenschaft und Erkenntnis, die zu seinem Leben nützlichen und wider seine Krankheiten dienlichen Dinge von andern unnützen und schädlichen zu unterscheiden, und die Kraft der Rhabarbar und des Engelsüsses einzusehen, durch Kunst und Nachdenken erlangt? Wir sehen ja, dass die Ziegen in Candia, wenn sie einen Pfeilschuß bekommen haben, hinlaufen, und unter Millionen Kräutern den Dictam zu ihrer Heilung aussuchen. Wir sehen, dass die Schildkröte, wenn sie von einer Viper gefressen hat, sogleich Orant sucht, um sich damit zu reinigen. Der Drache macht seine Augen mit Fenchel rein und hell. Die Störche setzen sich selbst für alles mit Salzwasser Klystire. Die Elefanten ziehen nicht nur sich, und andern ihres gleichen, sondern auch ihren Herren, (wie das Exempel des Königes Porus (a), den Alexander überwand, bezeugt,) die Pfeile und Wurfspiese, womit sie in der Schlacht getroffen werden, so geschickt aus dem Leibe, dass wir es nicht mit so geringen Schmerz tun können. Warum sagen wir hier nicht ebenfalls, dass dieses Wissenschaft und Klugheit ist? Denn, wenn man, um die Tiere herunter zu machen, vorwendet, sie wüßten dieses bloß aus einer Anweisung und einem Triebe der Natur: so benimmt man ihnen hierdurch den Ruhm der Wissenschaft und der Klugheit noch nicht. Man legt ihnen vielmehr denselben mit weit größerem Rechte, als uns, bei, weil man ihnen die Ehre läßt, dass sie eine so gute Lehrmeisterin haben.

 

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(a) Plutarchus, de Solertia animalium.


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