4. Kapitel
Von den römischen Komitien
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Der Art waren die verschiedenen Einteilungen des römischen Volkes. Jetzt wollen wir sehen, welche Wirkung sie in den Versammlungen hervorbrachten. Diese gesetzlich berufenen Versammlungen hießen Komitien; gewöhnlich wurden sie auf dem Forum oder dem Marsfelde abgehalten und zerfielen nach den drei Einteilungsformen, nach denen sie berufen wurden, in Komitien nach Kurien, nach Zenturien und nach Tribus. Die comitia curiata waren von Romulus, die c. centuriata von Servius Tullius und die c. tributa von den Volkstribunen eingeführt worden. Nur in den Komitien erhielt ein Gesetz Bestätigung, konnte eine obrigkeitliche Person gewählt werden; und da es keinen Bürger gab, der nicht in eine Kurie, eine Zenturie oder eine Tribus eingeschrieben war, so folgt daraus, dass kein Bürger von dem Stimmrechte ausgeschlossen, und das römische Volk praktisch und theoretisch wirklich Staatsoberhaupt war. Damit die Komitien auf gesetzlichem Wege versammelt wurden und ihre Beschlüsse Gesetzeskraft erhielten, mussten drei Bedingungen erfüllt werden: erstens musste die obrigkeitliche Behörde oder Person, die sie berief, die dazu nötige Vollmacht besitzen; zweitens musste die Versammlung an einem gesetzlich erlaubten Tage stattfinden, und drittens mussten sich die Auguren günstig ausgesprochen haben.
Der Grund der ersten Vorschrift bedarf keiner weiteren Erläuterung; die zweite ist eine polizeiliche Bestimmung; so war es nicht gestattet, die Komitien an Feier- und Markttagen abzuhalten, an denen die Landleute Geschäfte halber nach Rom kamen und deshalb nicht Zeit hatten, den Tag auf dem Forum zuzubringen. Durch die dritte hielt der Senat ein stolzes und unruhiges Volk in Zügel und mäßigte zu rechter Zeit die Hitze der aufrührerischen Tribunen, wenn dieselben auch mehr als ein Mittel fanden, sich von diesem Zwange zu befreien.
Die Gesetze und die Wahl der Oberen waren nicht die einzigen Gegenstände, die von der Abstimmung der Komitien abhingen. Da das römische Volk die wichtigsten Regierungsgeschäfte an sich gerissen hatte, so kann man dreist behaupten, dass in diesen Versammlungen das Schicksal Europas entschieden wurde. Die Mannigfaltigkeit der Gegenstände, über die sich diese Versammlungen auszusprechen hatten, veranlasste die verschiedenen Formen, die sie annahmen.
Um sich über diese verschiedenen Formen ein richtiges Urteil zu bilden, genügt eine Vergleichung derselben. Durch die Gründung der Kurien beabsichtigte Romulus, den Senat durch das Volk und das Volk durch den Senat im Zaume zu halten, während er über alle gleichmäßig herrschte. Durch diese Form gewährte er dem Volke mithin die ganze Macht der Überzahl, um der des Einflusses und des Reichtums, die er den Patriziern ließ, das Gleichgewicht zu halten. Allein trotzdem war der Vorteil, den er den Patriziern ganz im Geiste der Monarchie durch den Einfluss ihrer Klienten auf die Mehrheit der Stimmen ließ, ungleich größer. Die bewundernswerte Einführung von Patronen und Klienten war ein Meisterwerk der Politik und Menschlichkeit, ohne die das dem Geiste der Republik so völlig widerstreitende Patronat unmöglich hätte von Dauer sein können. Rom allein gebührt die Ehre, der Welt dieses schöne Beispiel gegeben zu haben, aus dem nie ein Missbrauch entstand, und das dem ungeachtet nie befolgt wurde.
Da die Einteilung in Kurien unter den Königen bis auf Servius Tullius bestanden hatte und die Regierung des letzten Tarquinius nicht als rechtmäßig betrachtet wurde, so bezeichnete man später die von den Königen erlassenen Gesetze unter dem Namen leges curiatae. Da die Kurien auf die vier städtischen Tribus beschränkt waren und zu ihnen nur noch der städtische Pöbel gehörte, so konnten sie zur Zeit der Republik weder dem Senate, der an der Spitze der Patrizier stand, noch den Tribunen gefallen, die, wenn auch Plebejer, doch für die Häupter der wohlhabenden Bürger galten. Sie gerieten deshalb in Verruf; ihre Verachtung war so groß, dass ihre dreißig Liktoren, sobald sie versammelt waren, alles entschieden, was den comitia curiata selbst zugestanden hätte.
Die Einteilung nach Zenturien war der Aristokratie so günstig, dass man im ersten Augenblicke nicht begreift, wie der Senat aus den diesen Namen führenden Komitien, in denen die Konsuln, die Zensoren und die übrigen kurulischen Würdenträger gewählt wurden, nicht immer siegreich hervorging. Von den einhundertdreiundneunzig Zenturien, die die sechs Klassen des ganzen römischen Volkes bildeten, umfasste die erste in der Tat achtundzwanzig, und da die Stimmen nur zenturienweise gezählt wurden, so überwog schon diese erste Klasse allein alle übrigen an Stimmenzahl. Stimmten ihre sämtlichen Zenturien überein, so unterblieb deshalb jede weitere Einsammlung der Stimmen; was die kleinste Zahl festgesetzt hatte, galt für die Entscheidung der Menge, und man darf wohl behaupten, dass in den comitiis centuriatis die Entscheidung der Staatsangelegenheiten in weit höherem Grade von der Mehrheit der Taler als von der Mehrheit der Stimmen ausging.
Aber dieser übertriebene Einfluss wurde durch zwei Mittel abgeschwächt: erstens befanden sich gewöhnlich die Tribunen und stets viele Plebejer in der Klasse der Reichen und hielten dem Ansehen der Patrizier in dieser ersten Klasse die Wage.
Das zweite Mittel bestand darin, dass man die Zenturien nicht der Reihenfolge nach abstimmen ließ, wobei man den Anfang immer mit der ersten hätte machen müssen, sondern eine durch das Los bestimmte, und diese schritt dann allein zur Wahl, worauf dann alle übrigen Zenturien auf einen andern Tag der Reihe nach zusammenberufen wurden, die Wahl wiederholten und gewöhnlich bestätigten. Hierdurch entzog man dem Range den Einfluss des Beispiels, um ihn nach dem Grundsatze der Demokratie dem Zufalle zu überlassen.
Diese Sitte hatte noch einen anderen Vorteil zur Folge, und zwar den Vorteil, dass die auf dem Lande wohnenden Bürger zwischen den beiden Wahlen Zeit gewannen, sich nach dem Verdienste des vorläufig ernannten Kandidaten zu erkundigen, damit sie ihre Stimme mit voller Sachkenntnis abgeben konnten. Allein unter dem Vorwande, eine Beschleunigung der Wahlen, herbeizuführen, wurde die Aufhebung dieser Sitte durchgesetzt, und beide Wahlen fanden an einem und demselben Tage statt.
Die tribusweise abgehaltenen Komitien waren im recht eigentlichen Sinne die Ratsversammlung des römischen Volkes. Nur von den Tribunen durften sie berufen werden; die Tribunen selbst wurden von ihnen erwählt und ließen über die Volksanträge abstimmen. Der Senat durfte ihnen weder beiwohnen, geschweige denn in ihnen abstimmen. Die Senatoren waren gezwungen, sich Gesetzen zu fügen, über die sie nicht hatten mit abstimmen dürfen, und somit in dieser Hinsicht weniger frei als die geringsten Bürger waren. Diese Ungerechtigkeit ging aus einem höchst bedenklichen Missverständnisse hervor und wäre schon allein hinreichend gewesen, die Beschlüsse eines Körpers, an dem nicht alle seine Glieder beteiligt waren, ungültig zu machen. Hätten alle Patrizier nach dem Rechte, das sie als Staatsbürger besaßen, diesen Komitien beigewohnt, so würden sie, da sie dadurch einfache Privatleute geworden wären, keinen wesentlichen Einfluss auf die nach Köpfen stattfindende Abstimmung ausgeübt haben, da ja der geringste Proletarier eine ebenso große Macht wie der Vorsitzende des Senates hatte.
Man sieht, also ein, dass außer der Ordnung, die aus diesen verschiedenen Einteilungen zum Zwecke der Stimmensammlung unter einem so großen Volke hervorging, diese selbst keineswegs zu gleichgültigen Förmlichkeiten herabsanken, sondern dass jede besondere Wirkungen je nach der Absicht hatte, um derwillen man ihr den Vorzug gab.
Ohne mich noch ausführlicher darüber zu äußern, ist doch aus den vorhergehenden Erörterungen so viel ersichtlich, dass die Komitien nach Tribus der Volksregierung und die nach Zenturien der Aristokratie günstiger waren. Was nun die Komitien nach Kurien anlangt, in denen ausschließlich der Pöbel Roms die Mehrheit bildete, so mussten sie, weil sie nur zur Begünstigung der Tyrannei und allerlei böser Anschläge dienten, um so mehr in Verruf kommen, als die Aufrührer selbst ein Mittel verschmähten, dass ihre Absichten allzu deutlich verriet. So viel steht fest, dass die volle Majestät des römischen Volkes nur in den Komitien nach Zenturien als den allein vollzähligen vorhanden war, da in den Komitien nach Kurien die ländlichen Tribus, und in den Komitien nach Tribus der Senat und die Patrizier fehlten.
Die Stimmeneinsammlung war bei den Römern in der ersten Zeit ebenso einfach wie ihre Sitten, wenn auch nicht ganz so einfach wie in Sparta. Jeder gab seine Stimme laut ab, während ein Schreiber sie der Reihe nach aufschrieb. In jeder Tribus galt die Stimmenmehrheit für das Votum der Tribus, die Stimmenmehrheit innerhalb einzelner Tribus für das Votum des Volkes, und in gleicher Weise wurde bei den Kurien und den Zenturien verfahren. Diese Sitte war gut, solange noch Redlichkeit unter den Staatsbürgern herrschte und jeder sich schämte, öffentlich für eine ungerechte Sache oder einen ungerechten Menschen zu stimmen; als das Volk jedoch verdorben war und man die Stimmung kaufte, zog man geheime Abstimmungen vor, um die Käufer in der Gewalt zu behalten und die Betrüger nicht als Verräter erscheinen zu lassen.
Ich weiß, dass Cicero diese Änderung tadelt und ihr zum Teil den Untergang der Republik zuschreibt. Allein obgleich ich fühle, ein wie großes Gewicht hier der Ausspruch eines Mannes wie Cicero haben muss, so vermag ich seine Ansicht doch nicht zu teilen; ich bin vielmehr überzeugt, dass man das Verderben des Staates gerade dadurch beschleunigte, dass man nicht genug ähnliche Veränderungen vornahm. Wie sich die Lebensordnung gesunder Leute nicht für kranke eignet, so darf man auch ein verdorbenes Volk nicht nach denselben Gesetzen regieren wollen, die für ein noch gesundes Volk angemessen sind. Die Richtigkeit dieses Satzes beweist nichts besser als die Dauer der Republik Venedig, deren Schattenbild noch besteht, und zwar einzig und allein deshalb, weil ihre Gesetze nur für schlechte Menschen bestimmt sind.
Man verteilte also unter die Bürger Täfelchen, auf die jeder sein Votum schreiben konnte, ohne dass ein anderer erfuhr, wie er stimmte; ferner führte man behufs Einsammlung der Täfelchen, Zählung der Stimmen, Vergleichung der Wahlresultate usw. neue gesetzliche Formen ein, was durchaus nicht hinderte, dass auf die Treue der mit diesen Geschäften betrauten Beamten oft Verdacht geworfen wurde. Um dem Parteihader und dem Stimmenhandel ein Ende zu machen, erließ man endlich Verordnungen, deren große Zahl ihre Fruchtlosigkeit beweist.
In den letzten Zeiten der Republik sah man sich oft genötigt, zu außerordentlichen Maßregeln seine Zuflucht zu nehmen, um der Unzulänglichkeit der Gesetze abzuhelfen; bald ersann man Wunder, ein Mittel, das wohl imstande war, das Volk zu betrügen, aber nicht die, die es leiteten; bald berief man auf der Stelle eine Versammlung zusammen, ehe noch die Bewerber Zeit zu Umtrieben hatten; bald verbrachte man eine ganze Sitzung mit lauter Reden, sobald man gewahrte, dass das bereits gewonnene Volk im Begriff stand, einen unheilvollen Beschluss zu fassen. Allein die Ehrsucht machte schließlich doch alle diese Maßregeln vergeblich, und dank seiner alten Satzungen fuhr dieses zahllose Volk unglaublicherweise fort, trotz so vieler Missbräuche Obrigkeiten zu wählen, Gesetze zu erlassen, Prozesse zu entscheiden, Privat- und Staatsangelegenheiten zu ordnen und zwar mit beinahe ebenso großer Leichtigkeit, wie es der Senat selbst nur hätte tun können.
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