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Waffe gegen den Krieg

Ich trete heute an meine Leser mit einer Bitte heran.

Wir sind uns alle darüber einig, dass die pazifistische Arbeit der letzten Jahre nicht kräftig genug gewesen ist, und die Gründe hierfür sind oft genug dargelegt worden. Jetzt haben wir einmal Gelegenheit, etwas Wirksames für die Ausbreitung unsrer Ideen zu tun – und wir sollten es tun.

Im Verlag der Freien Jugend (Berlin C 2, Parochial-Straße 29) ist ein Bilderalbum erschienen: ›Krieg dem Kriege!‹ Die Unterschriften der Bilder sind deutsch, englisch, französisch und holländisch. Ernst Friedrich hat es zusammengestellt.

Durch einen Zufall bin ich darüber unterrichtet, mit welcher Selbstaufopferung, mit welchen Schwierigkeiten, mit welcher Mühe dieser Band mitten in der Inflationszeit zustandegekommen ist. Friedrich hat eine übermenschliche Arbeit getan, und er hat sie gut getan. Es dreht sich jetzt nicht darum, das Buch geschwollen zu zensieren und ihm irgendwelche kleinen Mängel vorzuhalten – dazu haben wir an solchem Propagandastoff viel zu wenig, eigentlich gar nichts. Wir müssen etwas andres tun.

Das Buch, das fast zweihundert der entsetzlichsten und grausigsten Dokumente wiedergibt, sollten wir bestellen und verbreiten. Und zwar sollten wir es nicht nur unsern Freunden zeigen, denen, die schon Pazifisten sind, also nicht den alten Fehler wiederholen, der so oft gemacht wird: Missionare nach Rom zu schicken – sondern wir sollten es den Gegnern zeigen. In Versammlungen, in Schulen, in Vereinen, an Stammtischen – dieses Grauen kennt ja keiner von denen.

Und man sollte das Buch auch Frauen zeigen, grade Frauen zeigen. Möglich, dass eine in Ohnmacht fällt. Aber es ist besser, sie fällt beim Anblick eines Buches in Ohnmacht als nach Empfang eines Telegramms aus dem Felde …

Friedrichs lächerlichste Gegner standen, wie er selber erzählen kann, nicht auf der militaristischen Seite. Die Schwierigkeiten, die jedem radikalen Friedenssoldaten von den eignen Gesinnungsgenossen gemacht werden, von jenen, die aus den ›Bedenken‹ nicht herauskommen, sie sind uns allen bekannt. Weil er sie überwunden, soll man sich einer Waffe bedienen, die er uns geliefert hat.

Die Fotografien der Schlachtfelder, dieser Abdeckereien des Krieges, die Fotografien der Kriegsverstümmelten gehören zu den fürchterlichsten Dokumenten, die mir jemals unter die Augen gekommen sind. Es gibt kein kriminalistisches Werk, keine Publikation, die etwas Ähnliches an Grausamkeit, an letzter Wahrhaftigkeit, an Belehrung böte.

Das böse Gewissen, mit dem die Offiziere und Nationalisten aller Art verhindern und natürlich verhindern müssen, dass das wahre Gesicht des Krieges bekannt werde, zeigt, was sie von solchen Veröffentlichungen zu befürchten haben. Geschriebene Bücher schaffen es nicht. Kein Wortkünstler, und sei es der größte, kann der Waffe des Bildes gleichkommen.

Und weil im Reichsarchiv, das völlig in den Händen von Kriegspropagandisten ist, niemals eine derartige Publikation gegen den Krieg anzutreffen sein wird, weil dort Anreißerei für den Krieg in der schlimmsten Form eingestandenermaßen betrieben wird –: deshalb soll man sich einer Gegenwaffe bedienen, die die Bemühungen jenes von der Allgemeinheit bezahlten und überflüssigen Instituts lahm legt. Hier ist die Waffe. Wer das sieht und nicht schaudert, der ist kein Mensch. Der ist ein Patriot.

Denen, die mir so oft bejahend zugehört haben, lege ich nahe:

Das Buch in einem oder mehreren Exemplaren zu kaufen und für seine Verbreitung zu sorgen.

Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 23.02.1926, Nr. 8, S. 312.