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»Polizei und … «

Nach einer berliner Straßendemonstration.
Ein Mann: »Die verfluchten Grünen! Ihr habt mein Kind ermordet! Ihr habt mein Kind ermordet!«
Die Grünen: »Der Mann muß sofort festgestellt werden! Er hat Ihr zu uns gesagt – er hat Sie zu sagen!«

Wahre Geschichte

Als ich noch im Flügelkleide leider nicht in die Mädchenschule ging, da spielten die Kinderchen des öfteren auf Straßen, Höfen und Anlagen, in Tordurchgängen und in der Stube: »Polizist und Betrunkener.« Das lehrreiche Spiel endete gewöhnlich damit, dass der Betrunkene, der hervorragend zu torkeln hatte, auf die »Wache« gebracht und dort mit wüsten Faustschlägen in den Arrest gestoßen wurde. Seltsam, was die kindliche Phantasie nicht alles ersinnt –!

Da hat sich nun also verschiedenes geändert. Unsere Kleinen spielen dergleichen nicht mehr, das Spiel müßte auch heute anders heißen, etwa »Landespolizei in Sachsen« oder »Reichswehr in Thüringen« – aber die Kinder haben anderes zu tun, und der Ruf der Polizei hat sich wesentlich gebessert. Die Polizei auch –?

Sie will es uns glauben machen. Dazu hat sie vor allem einmal das Dunkel etwas gelichtet, das unter dem Seligen um sie gelagert hat – sie wußte damals, wie gut, wie nötig, wie wichtig dieses Dunkel gewesen ist. Heute weiß man schon ein wenig mehr über die Polizei; ja es soll sogar einige Republikaner geben, die ihre Rechte und Pflichten der Polizei gegenüber auch kennen. Daß die Polizei allerdings das Abzeichen der Kriminalbeamten den Leuten dauernd zur Kenntnis bringt, ist nicht bekannt geworden, wahrscheinlich tut sie so, damit es niemand fälscht … Und daher weiß niemand, ob ein echter Kriminalbeamter in die Wohnung kommt oder ein nachgemachter … doch, man merkts am feinen Ton. Kurz: es gibt heute etwas wie eine Propaganda für die Polizei, das Wort »Volkspolizei« ist gefallen, was sich wohl auf die Vorbereitungen der Polizei für den Bürgerkrieg bezieht – und um Interesse und Verständnis für die Aufgaben der Polizei zu vermehren, hat der Staatssekretär im preußischen Ministerium des Innern, Herr Abegg, eine Sammlung herausgegeben »Polizei in Einzeldarstellungen« (erschienen bei Gersbach & Sohn zu Berlin).

Mir liegen drei Bände vor: »Polizei und Politik«, »Polizei und Sitte«, »Polizei und Verbrechen«.

Herr Abegg ist ein vernünftiger und klar denkender Mann. Er hat immer wieder bewiesen, dass er das Gute will, er hat, natürlich vergeblich, gegen den grotesken Wahnsinn der polizeilichen Verordnungswut gekämpft, und er gibt sich, scheints, Mühe, die Polizei wenigstens einigermaßen dienen und nicht herrschen zu lassen. Daß er nicht für alles verantwortlich zu machen ist, was da geschieht, weiß jeder Kenner – es gibt eben Reformen, die auf dem Wege der Evolution niemals zu erreichen sind. Wenigstens nicht in Deutschland. Wenn aber die ganze Sammlung der Polizeibücher so sein sollte wie diese drei Bände, dann ist sie nicht sehr schön. Die sind so:

Das Kapitel »Polizei und Politik« hat Herr Weiß bearbeitet, der Vize-Polizeipräsident von Berlin. Ich weiß nicht, warum ich immer lachen muß, wenn ich an den Mann denke – aber ich muß. Also dieses Büchlein geht an. Es ist sehr sorgfältig gearbeitet, es hat ein ganz brillantes Illustrations-Material und hält sich politisch wenigstens einigermaßen neutral. Ganz ohne Schönheitsflecken geht ja so etwas nie ab. Jurowski heißt »der Mörder des Zaren« – aber es gibt nur einen »Feldwebel Klapproth«. Nun, mir ists recht, wenn unter der bösesten Fresse, die wir seit langem gesehen haben, »Feldwebel« steht – es deckt sich. Manchmal geht die Neutralität Weißens etwas weit. »Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die am 15. Januar 1919 in der Nähe des Eden-Hotels zu Berlin, dem damaligen Standquartier der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, in viehischer Roheit niedergeschlagen wurden« – von wem, Herr Doktor? »Erst«, schreiben Sie, »erst mordete man Arbeiterführer … « wer, Herr Doktor? Justav mußte damals zwar bleiben – aber es wäre hübsch gewesen, wenn Sie ausführlich erzählt hätten, wie es alles gewesen ist. Es sind auch echt polizeiliche Schwupper in dem Buch. Ich finde es einfach unanständig, heute, wo die Strafprozeßreform vor der Tür droht, einem politischen Abenteurer, der sicherlich nichts taugt, seine Homosexualität aufs Konto zu setzen. »Mit einem Laufjungen, den er für sein Bureau annimmt, tritt er in geschlechtliche Beziehungen.« Wäre es ein Laufmädel gewesen, so hätten Sie das nicht geschrieben – denn ich lese nichts davon, dass der Mann seine Stellung als Arbeitgeber mißbraucht habe. Homosexualität ist kein Delikt, Herr Vizepräsident – das Strafgesetzbuch macht sie nur dazu. Und da sie hier nicht zur Sache gehört, hätten Sie es fortlassen dürfen. Was Sie aber nicht hätten fortlassen sollen, ist dieses: Da haben Sie im Jahre 1921 einen Spanier und eine Spanierin in Berlin erwischt, die den spanischen Ministerpräsidenten Dato ermordet haben, eine Tat, die einwandfrei, auch von Ihnen, als politisches Delikt bezeichnet wird. Seite 153: »Daß den politisch Verfolgten ein Asylrecht im Ausland gebührt, d.h. dass sie von dort nicht dem verfolgenden Staat ausgeliefert zu werden brauchen, diesen Grundsatz des modernen Völkerrechts … « Ach? Und diese beiden spanischen Revolutionäre sind nach Spanien ausgeliefert worden! Natürlich nicht von der politischen Polizei, das weiß ich wohl – aber erstens ist nicht klar, welche Rolle die in dieser Sache dem Auswärtigen Amt gegenüber gespielt hat, und zweitens hätten Sie sagen müssen, dass man sie ausgeliefert hat. Darin ist Deutschland stets besonders schuftig gewesen.

Aus dem Buch geht hervor, was wir wußten, dass es schlimmere Einrichtungen gibt als die politische Polizei Preußens, wenn auch dort Dinge vorgekommen sind, wie die Erschießung des Arbeiterführers Sylt, die nicht zu den Ruhmesblättern dieser Institution gehören. An Schlauheit, Macht, Einfluß und gefährlicher Skrupellosigkeit ist diese Polizei mit der politischen Polizei der lateinischen Länder nicht zu vergleichen. Und das ist gut so.

Im ganzen also ist das Buch ein kleiner Fortschritt, aber so hört es auf: »Die heutige politische Polizei macht von solchen eigenen Nachrichtenorganen im Auslande keinen Gebrauch, da sie diese Einrichtung für entbehrlich hält. Der Grund für diese gewandelte Auffassung: Im gegenwärtigen Preußen wird den Staatsfeinden mit einem solchen Maß von Rechtlichkeit und Menschlichkeit begegnet, dass überhaupt nur selten ein politischer Verbrecher ins Ausland flüchtet.« Warum ich nur immer lachen muß, wenn ich an den Herrn Weiß denke … aber ich muß.

Laß man. Er ist der Schlimmste nicht. Der Schlimmste kommt erst. Das ist der p. Heindl, auf den ich neulich hingewiesen habe: als auf einen Schädling der Kriminalistik. Der hat »Polizei und Verbrechen« geschrieben, und so ist es auch.

Hier hat er sich etwas gemäßigt – so roh wie in seinen großen Wälzern ist er diesmal nicht. Aber es reicht auch so für sechs Personen und ein Kind. Ich bin gar kein Waschlappen, und ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass man in der Berufsarbeit des kriminalistischen Alltags nicht grade in lyrischen Tönen von den Verbrechern spricht – auch ein sehr hartes Wort rutscht da wohl hinaus. Aber das schreibt man nicht. Ich halte den Hohn, die schnoddrige Tonart dieses Heindl für unerträglich – wer ist der Mann, dass er sich herausnehmen darf, über Leute, die gesellschaftsschädliche Handlungen begangen haben, zu witzeln? Wer er ist? Aber ein mittelmäßiges Gehirn; niemals hätte er an die Stelle rücken dürfen, an die er gekommen ist. Er ist der typische Subalterne, der gut Bescheid weiß, der weiß, wo alles liegt, und wie man es alles macht – und der auch nicht den Schimmer einer Ahnung von Kriminalistik hat. Diesmal ist er schlau zu Werke gegangen.

Das Buch enthält eine Menge Fotografien von Ermordeten. Ein Teil der Aufnahmen ist instruktiv, bei einem andern Teil wird man ein etwas saures Gefühl nicht los. Soweit gut. An diese Fotografien nun, die in bunter Reihenfolge Opfer von Morden, Totschlägen, Unglücksfällen und Selbstmorden zeigen, knüpft der Schädling der Kriminalistik erneut »die Bitte an unsere Leser, in diesem nahen Endkampf zwischen der sogenannten ›klassischen Rechtsstrafe‹ und der von uns im ›Berufsverbrecher‹ verfochtenen ›Sicherungsstrafe‹ unsern Standpunkt zu unterstützen. Nur dann kann erreicht werden, dass auch ein anderer Kampf befriedigend endet; der Kampf zwischen Polizei und Verbrechen.«

Und hier darf Herr Abegg gefragt werden:

Das deckt er – ? Diesen Mißbrauch amtlichen Materials zur Propagierung einer höchst umstrittenen, höchst gefährlichen Strafrechts – … sagen wir, Idee – deckt er? Ich habe Briefe von Strafrechtspraktikern bekommen, die mir die Hand gedrückt haben, weil ich über Heindl ausgesagt habe, was zu sagen war. Der Mann ist deshalb eine so immense Gefahr, weil er den guten Willen der anständigen Beamten, die in der Strafvollzugspflege arbeiten, sabotiert; weil sich der roheste, der letzte, der übelste Sadistenlümmel auf ihn berufen kann und sagen darf: »Seht ihr! Natürlich behandele ich diese Kerls schlecht! Der Ministerialrat Heindl sagts ja auch – und das ist gewiß ein großer Kriminalist!« Das ist er mitnichten. Sondern er ist das typische Beispiel dafür, dass Fachkenntnisse allein noch gar nichts sind und dass eben für eine höhere Stellung jene »universitas« nötig ist, die Heindl nicht einmal dem Namen nach kennt. Die Daktyloskopie – die kennt er. Und wenn wiederum ich die Fingerabdrücke dieses Schreibers auf einem Papier sehe, dann weiß ich Bescheid. Die Theorie von der Sicherheitsverwahrung ist ein Wahnsinn und eine ungeheure politische Gefahr, die auszuschalten ist, sobald sie auftaucht. Sie darf nicht im geheimen über das Land verhängt werden.

Lasset uns freundlichere Töne anschlagen, lieben Freunde, – da ist das dritte Bändchen »Polizei und Sitte«. Vom Geheimen Sanitätsrat Doktor Albert Moll.

Da muß etwas ganz Lustiges vor sich gegangen sein. »Nachwort. Leider sind einige Druckfehler durch die Schuld des Verlegers … stehen geblieben und ebenso einige Bilder hineingekommen, die ich nicht für unbedingt notwendig halte. Der Verlag hat zu meinem tiefsten Bedauern seinerzeit sich für berechtigt gehalten, das Buch ohne meine Imprimatur auszudrucken.« Abgesehen davon, dass »Imprimatur« kein Substantiv ist, sondern eine Verbalform, die also nur Neutrum sein kann: die Bilder sind allerdings finster. Ihr braucht euch das Ding nicht zu kaufen – das kennt ihr alles schon von Eduard Fuchs her; dies hier ist eine Sammlung von höchst kitschigen, dummen und albernen Halb-Pornographien, die deshalb so komisch wirken, weil sie für eine Geilheit berechnet sind, die Gott sei Dank immer mehr abstirbt. Der Sport tötet das – hier gespenstert noch der Mann durch die Seiten, der mit dem Operngucker das Damenbad beobachtet … Die Bildunterschriften sind noch schlimmer als bei Fuchs, der auch alles rational ausdeuten will, und hier haben sie auch glücklich wieder Beardsley hineingenommen, weil der doch so, verstehen Sie, also, nicht wahr … also so einer ist das! Ein paar Nutten werden »Moderne Demimondainen« genannt, es ist die Welt, wie sie sich in der Landsberger Straße spiegelt, ich habe das nicht gern. George Grosz hat ein paar Unterschriften hingedonnert bekommen, die schlicht albern zu nennen sind, und was an braver Bürgererotik zu sehen ist, steht eben nicht in Anführungsstrichen da, sondern höchst ernsthaft. Mit den Bildern ist kein Staat zu machen.

Mit dem Text aber auch nicht. Moll ist ein sehr kenntnisreicher Mann, er tritt auch an vielen Stellen des Buches für eine liberalere Gestaltung des Sexual-Strafrechts ein – aber die richtige Liebe ist das nicht. Daß er so einen herrlichen preußischen Satz prägt wie: »Die gegenwärtige Strafbestimmung des § 175 ist für die Polizei selbst eine große Belästigung«, soll ihm nicht angekreidet werden, niemand kann aus seiner Haut heraus, und nächstens werden wir noch den Henker bedauern, weil er immer so früh aufstehen muß. Aber trotzdem ich doch weiß, dass so ein kleines Büchlein nun nicht das Weiseste vom Weisesten sein kann –: ich werde ein peinliches Gefühl nicht los. Was ist es … ? Ja … lassen Sie mich noch mal schmecken – also es schmeckt … jetzt hab ichs.

Es schmeckt nach 1890. Es ist eine Generationenfrage – aber das da ist nicht mehr unsre Sexualität, deren Form sich ja dauernd wandelt. Es ist ein Aberglaube der betreffenden Professoren, zu glauben, die jeweilige Epoche sei die letzte Formung der Geschlechtsbeziehungen – sie stellt immer nur eine Epoche dar, und in zwanzig oder fünzig Jahren sieht das dann anders aus. In allem, was Moll schreibt und sagt und tut, ist noch so viel Schummer und Halbdunkel und eine ganz, ganz leise, fast unmerkliche Spekulation, ob wir das auch alles ja hübsch unheimlich finden – Kinder, ein Puff ist doch keine Prärie! Ein Bordell und der Masochismus und die Zuhälter und die Voyeure … das sind Erscheinungen, die man medizinisch ansehen kann und, was alle die Herren Einzeldarsteller der Polizei überhaupt nicht tun, soziologisch; aber romantisch? Moll schwafelt nicht, er schreibt sogar diesen recht trocknen Polizeistil, der da glaubt, er habe eine Sache eingefangen, wenn er sie mit der etwas verqueren Grammatik des Gerichtsprotokolls ins »Amtliche« übersetzt, ihm so den Ludergeruch der Sünde nehmend – Moll ist nicht Edschmid. Aber er ist eben doch von gestern; es ist nicht viel mit ihm. Ich weiß nicht, ob er gestern ein gar so großer Mann gewesen ist – heute ist er gewiß ein kleiner. »Man soll nicht etwa glauben, dass in der Ehe Aufrichtigkeit der beiden Gatten gegeneinander identisch ist mit vollkommener seelischer und körperlicher Entblößung. So ist es eine Tatsache, dass sich wohl die meisten Eheleute überhaupt niemals vollkommen nackend sehen, und dass selbst bei dem intimsten Liebesakt die Dunkelheit der Beleuchtung vorgezogen wird. Aber die Tatsache, dass heute die Sitten erheblich geändert sind, ist nicht zu bestreiten, und dass in der Unterhaltung junger Männer und Mädchen manches erlaubt ist, was früher vollkommen unzulässig war, ist nicht zu bestreiten.« Das ist Gesinnungsbier, helles Lagerbräu. Ich bin für Wein. Franz Blei hat einmal auf das schönste dargetan, dass der Mord unter den Menschen dann aufhören würde, wenn der Mörder ausgelacht wird! Das ist gar kein Paradoxon: er meinte natürlich die geistige Überwindung der Mordtat, die darin liegt, dass der, der einen Mord begehen will, einsieht: es ist ja in höherm Sinne sinnlos, was ich hier tun will – es ändert ja nichts, ob der lebt oder nicht! Und so etwas Ähnliches liegt auch hier vor. Diese durch die unendliche Schuld der Kirche anerzogene Fixierung der Geschlechtsteile … also grade das schaffen wir ab, indem wir den sportlichen Körper als ganzen sehen – ja, die Frau hat schöne Hüften – na und? Ja, sie hat einen zu dicken Popo – na und? Ich weiß, dass Moll wie alle Spezialisten sein Gebiet überwertig ansieht, sonst könnte ers nicht beackern; ich weiß, dass sich dieses Buch mit der »Sitte« befaßt, also nicht über den Anbau von Teltower Rübchen sprechen kann … und doch ist ein fataler Dunst darin von der alten Friedrichstraße, von gestern, von vorgestern … ein paar Bilder zeigen das deutlich, was ich meine. Es sind Fotos aus einem Bordell: ein unendlich trauriges, mäßig möbliertes Zimmer, mit einem breiten Bett, darauf sitzt ein Teddybär, am Bett ist ein langer Spiegel – und man möchte weinen, wenn man das sieht! Es ist so melancholisch – aus so einem Topf sollte man trinken? So viel Durst kann es ja gar nicht geben.

Grade, weil das neue Strafgesetz drohend über unsern Köpfen hängt, brauchen wir andre Darstellungen dieser Materie. In der die Polizei übrigens fast immer wie der Ochse im Porzellanladen wirkt: mit tödlich sicherm Instinkt den Falschen erwischend, am Richtigen vorbeiwandelnd, plumpfingrig, ungeschickt, ahnungslos – es ist ein Kreuz. Die grauenhaften Folgen der Rechtsprechung des Reichsgerichtspräsidenten Herrn Joel, nein, nicht: Herr Simons! Herr Joel; die gradezu sträflich gemeinen Auffassungen von der »Unsittlichkeit des unehelichen Verkehrs«; der Hexenhammer-Wahnsinn, der in der Auslegung des § 175 waltet; die Dummheit, mit der der Gonorrhoe dadurch Vorschub geleistet wird, dass auch heute, nach dem neuen Gesetz, der Verkauf von Schutzmitteln sehr eingeschränkt bleibt, statt dass man überall Automaten mit Präservativen zuläßt, worüber nur jemand grinsen kann, der noch nie in einer Hautklinik gewesen ist –: alles das ist vom Zentrum ins Zentrum geschossen. Es wirft schon in diesem Buch seine Schatten vorauf; übrigens macht Moll fast immer auf die Doppelschneidigkeit dieser Gesetzesbestimmungen aufmerksam. Die öffentliche Anpreisung von Gummi also ist verboten; aber das neue Strafgesetz ist aus nichts anderm. Wie nun nicht mehr nötig sein soll, dass öffentliches Ärgernis erregt ist, sondern wie es schon genügen soll, dass die Handlung geeignet ist, öffentliches Ärgernis zu erregen – ihr kriegt ein schönes Strafgesetz! Aber jeder bekommt das Gesetz, das er verdient. Wenn ihr schweigt, haben die Dunkelmänner-Kommissionen mit Herrn Kahl an der Spitze recht, und ihr seid die Dummen.

Ja, nun habe ich also aus den Fotografien von »Severing als Subjekt und Objekt der preußischen Polizei« und Fingerabdrücken und »Behördlich nicht beanstandete Aktaufnahme« gelernt, soviel ich daraus lernen konnte. Sehr viel wars nicht. Immerhin: die Polizei modernisiert sich.

Sie lasse sich gesagt sein:

Die besten Einzeldarstellungen der Polizei sind ihre Beamten.

Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 26.03.1929, Nr. 13, S. 473.