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Der Geistige und der Sport

Er hat mir nichts gegeben – er hat mir nichts genommen – der Name des Sports sei gelobt.

Denn der Sport hat unendlich viel Gutes getan: er gewöhnt Büromenschen an die frische Luft; er veranlaßt die Leute aus den großen Städten, nicht immer in ihren Steinmauern zu hocken, und wandelt sie, nun sind sie frisch, jünger und lebendig. Daß er den nackten Körper wieder zu dem gemacht hat, was er eigentlich ist: nämlich ein Wunderwerk der Natur, das man zu pflegen und nicht zu begrinsen hat, nur nebenbei.

Als ich ein kleiner Junge war, da standen in Heringsdorf und Swinemünde die älteren Herren, mit einem Operngucker bewaffnet, etwa hundertfünfzig Meter vom Damenbad entfernt, und die Augen fielen ihnen fast aus dem Kopf- »welche Formen!«, murmelten sie, wie man damals sagte, um Anomalien zu bezeichnen, die von zu fetter Ernährung und zuwenig Bewegung herrührten … Wenn die Kirche das Frauenturnen verbietet oder einschränkt, so tut sie damit nichts Gutes – wir sind heute gewohnt, uns an einem schönen Frauenkörper zu erfreuen; aber mit gierigen Augen zu starren, wenn eine Frau badet, ist nichts als eine Geschmacklosigkeit. Das hat mit seinem Segen der Sport getan.

Die Haltung vieler europäischer Geistiger dem Sport gegenüber will mir weniger gefallen.

Ich habe zwar stets begriffen, wie einer Sport treiben kann: wie man aber nur und nichts als zusehen kann, wenn andere es tun, wird mir ewig verschlossen bleiben. Beim Pferdesport liegt die Sache ganz klar; beim Fußball bleibt mein Gehirnfach leer.

Was aber ganz und gar kindlich erscheint, das ist die fast würdelose Bauchkriecherei vieler Intellektueller, die atemlos alles tun, um nur ja der geistesschwachen amerikanischen Überschätzung des Sports nachzueifern. Ein Automobil verändert das Leben; der Sport verändert das Leben – daran ist kein Zweifel. Daraus aber eine, mit Verlaub zu sagen, »Weltanschauung« zu machen, das ist unsern Snobs vorbehalten. Sie haben noch nicht begriffen, dass man nur um solche Dinge lärmt, die noch nicht selbstverständlich geworden sind – ich möchte einmal sehen, ob einer von denen seinen Gasbadeofen besingt. Er nimmt Rechtens morgens ein Bad und schweigt im übrigen davon. Nur der besitzt den Sport, der nicht von ihm besessen ist.

Ist die amerikanische Geistesrichtung, die zunächst nur ihre Ungeistigkeit exportiert, wirklich stärker als Europa? Ich glaube, dass Europa und besonders das leicht zu irritierende Deutschland schwächer sind – sie haben solche Angst, nicht up to date zu sein, und wo die Précieuses Ridicules vergangener Zeiten französelten, da engländern sie heute, wie hier Karl Scheffler neulich so trefflich ausgeführt hat. Diese Snobs sind die Angelbliemchensachsen der Welt.

Peter Panter
Vossische Zeitung, 25.12.1928, Nr. 307, S. 1.