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Gedenkmäler

Die atavistische Sitte, für Verdienste Denkmäler zu setzen, die nachher keiner anguckt, ist immer noch im Schwange, und was sich unter dem Seligen romantisch gab, hats heute mit der schlichten Sachlichkeit: trutzig-karg recken sich da Stahlhelmsoldaten, kantigen Kinns werfen sie marmorne Handgranaten auf Marktplätze, und kein anständiger Ort, der nicht ein Reklame-Kriegerdenkmal sein eigen nennt: ›Immer wieder Krieg!‹ Auch werden gern sogenannte Individuen mit Mälern gefeiert, und weil der Cut ein unkleidsames Kleidungsstück für Statuen ist und weil man nicht jeden Fraktionssekretär in eine Toga hüllen kann, die ihm anstände wie ein Nachthemd, so tuts auch eine Marmortafel und irgend etwas Allegorisches, bei dem sich jeder jedes und keiner nichts denken kann. Soweit gut und schön.

Aber warum feiern wir immer nur das Andenken der guten Menschen, wie: Generale, Reichspräsidenten, Könige, Kaiser, Professoren? Warum nicht auch einmal das Andenken der bösen Menschen wie: Generale, Reichspräsidenten, Könige, Kaiser, Professoren? Das wäre so übel eben nicht. Zum Beispiel:

Marmorstatue auf dem Platz vor einem Gericht. Ein alter, verhungerter Sträfling, auf einem kleinen Sockel, unten Frau und Kind, die der Schmerz zu Boden geworfen hat, die Gesichter in den Staub gewühlt, die ohnmächtigen Arme nach oben gestreckt. Inschrift: ›Zum Andenken an die Justizopfer des Landgerichtsrat Brausewetter.‹

Erztafel im Gang eines Polizeipräsidiums: ›An dieser Stelle wurde der widerrechtlich verhaftete Untersuchungsgefangene Schulz von einem toll gewordenen Beamten auf der Flucht erschossen.‹ Und ein Kränzchen aus immergrünen Blättern …

Reiterstatue: ›Dieser Verwaltungsbeamte zog sich im Jahre 1914 eine Uniform an und jagte sinnlos achttausend junge Menschen in den Maschinengewehrtod. Ehre seinem Andenken. Die dankbaren Mütter.‹

Warum immer lobende Denkmäler? Warum nicht einmal solche voller sanften Tadels? Warum nicht –?

Weil die Diktatur, unter der wir leben, nur ein Sittengesetz kennt: das ihre. Weil dieses Gesetz schlecht ist. Weil die Verdienste, die der Staat anerkennt und durch Sandstein, Erz und marmornen Tortenaufsatz feiert, die Unwahrheit sagt. Weil wir die Wahrheit nicht sagen dürfen. Die ewige Wahrheit, dass Menschen gemartert, unterdrückt, gepeinigt werden, solange ein Lump sich hinter ein Amt verkriechen darf.

Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 15.03.1927, Nr. 11, S. 432,
wieder in: Mit 5 PS.