Kunst


Der augenfällige Beweis, daß der absolute Geist der sogenannte endliche, subjektive Geist ist, also jener nicht von diesem abgesondert werden kann und darf - ist die Kunst. Die Kunst geht aus dem Gefühl hervor, daß das diesseitige Leben das wahre Leben, das Endliche das Unendliche ist - aus der Begeisterung für ein bestimmtes, wirkliches Wesen als das höchste, das göttliche Wesen. Der christliche Monotheismus hat kein Prinzip der künstlerischen und wissenschaftlichen Bildung in sich. Nur der Polyteismus, der sogenannte Götzendienst ist die Quelle der Kunst und Wissenschaft. Die Griechen erhoben sich nur dadurch zur Vollendung der plastischen Kunst, daß ihnen unbedingt und unbedenklich die menschliche Gestalt für die höchste Gestalt, für die Gestalt der Gottheit galt. Die Christen kamen erst da zur Poesie, als sie die christliche Theologie praktisch negierten, das weibliche Wesen als göttliches Wesen verehrten. Die Christen waren im Widerspruch mit dem Wesen ihrer Religion, wie sie es vorstellten, wie es Gegenstand ihres Bewußtseins war, Künstler und Poeten. Petrarca bereute aus Religion die Gedichte, in denen er seine Laura vergöttert hatte. Warum haben die Christen nicht wie die Heiden ihren religiösen Vorstellungen adäquate Kunstwerke? Warum kein sie vollkommen befriedigendes Christusbild? Weil die religiöse Kunst der Christen scheitert an dem verderblichen Widerspruch zwischen ihrem Bewußtsein und der Wahrheit. Das Wesen der christlichen Religion ist in Wahrheit das menschliche, im Bewußtsein der Christen aber ein anderes, ein nicht menschliches. Christus soll Mensch und wieder nicht Mensch sein; er ist eine Amphibolie. Die Kunst kann aber nur das Wahre, Unzweideutige darstellen.

 


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Seite zuletzt aktualisiert: 25.08.2005 
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