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Hausarznei- und Volksmittel

Hausarznei- und Volksmittel. Ihr Wert ist von den besten Ärzten aller Zeiten anerkannt, und auch noch gegenwärtig sehen die tüchtigsten Praktiker es immer mehr ein, dass sie vom Volk und aus dem Leben desselben, früher den einzigen Quellen der Heilmittellehre, noch Vieles schöpfen und manchen guten Fund tun können, — dass es höchst falsch und einseitig sei, die Haus- und Volksarzneimittel zu verachten oder gar vornehm zu ignorieren, und dass Sammlungen derselben, wie die vorliegende, gewiss als mühevolle und schätzenswerte Arbeiten Anerkennung verdienen, worüber ein Mehreres schon oben gesagt worden ist (s. die Vorrede).

Alle Haus- und Volksarzneimittel teile ich in zwei Klassen: in unsichtbare, rein geistige, immaterielle, und in sichtbare, mehr oder weniger körperliche, materielle. Welche von beiden den Vorzug verdienen, will ich hier nicht entscheiden. Wir haben die erstem eben so nötig zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit, als die letzteren, welche daher einen Hauptgegenstand dieser Enzyklopädie ausmachen und die meisten Spalten derselben füllen. — Zu den unsichtbaren Haus- und Volksheilmitteln, welche Hauptobjekt dieses Artikels sind, zähle ich: Frohsinn, Heiterkeit, Seelenruhe und Zufriedenheit, welche nach Hufeland’s so trefflicher Bemerkung, die Grundlagen alles Glücks, aller Gesundheit und des langen Lebens sind. Sich in ihrem Besitze zu erhalten, ist eine der Hauptregeln aller Diätetik. Auch die sieben unentgeltlichen Hausmittel zur Erhaltung der Gesundheit, deren ich schon vor langer Zeit gedacht (s. mein Handbuch: Gesundheit und Krankheit. S. 25), gehören hierher. Eine tausendfältige Erfahrung vieler Jahrhunderte spricht dafür, dass sie wahrhaft die Gesundheit erhalten und das Leben sowohl verschönern und verlängern, als auch glücklich und zufrieden machen, und dennoch kann sie sich jeder Mensch umsonst verschaffen, wenn er nur ernstlich will. Sie sind folgende:

*Erstes Hausmittel.*

Halte Ordnung in allen Dingen. Sei pünktlich und ordentlich in deinem Berufe als Mensch und als Staatsbürger. Lebe stets nach der Uhr. Zur rechten Zeit Essen und Trinken, Schlafen und Wachen, Arbeiten und Ruhen, das erhält gesund.

*Zweites Hausmittel*.

Halte auf Treue und Redlichkeit in deinem Dienst als Mensch und Staatsbürger. Wer treu seine Pflichten, die er Gott und Menschen schuldig ist, erfüllt, der hat Ruhe im Gemüte; wer es nicht tut, wer sich Vergehungen gegen alles, was Unrecht, was verboten ist, erlaubt, der gerät in Unruhe und Angst, wodurch er unter Umständen in Fieber, Krämpfe, selbst Schlagfluss verfallen kann. Das böse“ Gewissen, das Gefühl, dass er schuldig sei, die Vorstellung und die Furcht vor der Schande und Strafe, — alles dies wirkt schädlich aufs Nervensystem und aufs Gehirn, und kann daher nicht allein jene Krankheiten, nein, es kann auch Schwäche des Geistes und eine unheilbare Gemütskrankheit erregen.

*Drittes Hausmittel*.

Suche das Wahre in der Welt zu erforschen. Wer sich von allen Dingen der Welt eine genaue und richtige Vorstellung zu machen bestrebt, unparteiisch das Wahre an jeder Sache sucht und den Irrtum hasset, wer bei seinen Handlungen, worüber wir unparteiisch richten sollen, stets als Mensch denkt und die rein menschliche Natur, die als solche göttlich ist, nicht verleugnet, den wird weder Stolz, noch falsche Ehrliebe, noch Selbstsucht noch falsche Scham, noch irgend eine andere Schwäche oder Leidenschaft der Seele beunruhigen oder krank machen. Er wird bei fremden, wie bei eignen Schwächen stets bedenken: homo sum, nihil humani a me alienum puto, und die Weltgeschichte wird ihn lehren, dass das wahrhaft Gute, Grosse, Schöne und Achtungswerte nicht immer auf der Konvenienz der Menschen beruht, sondern im Herzen wohnen muss.

*Viertes Hausmittel*.

Halte auf Reinlichkeit. Ein reinlicher Mensch hat Achtung und Ehre! Ein unreinlicher Mensch wird nicht geachtet! Die Reinlichkeit deines Hauses, deines Körpers und deiner Kleidung stärkt die Gesundheit, und Wasser zum Waschen und Baden kostet kein Geld! Die Unreinlichkeit macht mager und elend, träge, faul, mürrisch, zänkisch, gibt Krätze, Flechten, Gicht und andere Krankheiten.

*Fünftes Hausmittel*.

Rede stets die Wahrheit. Der Lügner spielt eine elende Rolle, die seiner Seele und seinem Körper schadet; denn diesen Nachteil hat die Verstellung. — Bei der Wahrheit befinden wir uns eben so behaglich und vergnügt, als bei einem Kleide, das uns passt. Die Lüge ist ein Kleid, das uns nicht passt, das allenthalben drückt und kneipt. Selbst sogenannte Scherzlügen, die unschädlich für Andere sind, können der Gesundheit schaden, wenn man sie nicht bald selbst widerruft. — Lügner werden oft krank, weil sie ihre Nerven zu sehr reizen und ihr Blut dadurch in Wallung bringen. Was aber die Erzlügner betrifft, so steht diesen das traurige Loos bevor, zuletzt geisteskrank, selbst verrückt zu werden, wie ich mehrere solcher Beispiele aus Irrenhäusern kenne. Sie verirren sich alsdann in ein Labyrinth von Trugbildern, glauben ihre eignen Lügen und führen eine höchst traurige Existenz.

*Sechstes Hausmittel*.

Hasse den Zank und die Uneinigkeit unter deinen Nebenmenschen. Friede ernährt, Unfriede verzehrt. Die Zanksucht hat die schrecklichsten Folgen für die Gesundheit. Sie erregt und vermehrt Ärger, Zorn und Wut, kurz alle die schädlichen Leidenschaften, die so häufig Gallenfieber, Schlagfluss, selbst Epilepsie und Wahnsinn zur Folge haben. Ein kluger Mensch vermeidet daher alle Ursachen und Gelegenheiten zum Zank, um sich und Anderen an Leib und Leben nicht zu schaden. Denn in der Hitze ist der Verstand fort; man tut nicht, was Recht ist, und zu spät kommen hernach Verstand und Reue.

Es ist besser, Unrecht dulden, als Unrecht tun. Wer sich mäßigt, der wird geachtet, aber über den Hitzkopf lacht der Zuschauer. Er betrachtet die Zankenden als ein Paar wütende Tiere. Doch der Mensch soll sich über das Tier erheben, sonst verliert er seine Würde. — Eine häufige Ursache des Streites ist das Necken; darum vermeide dies, denn oft wird aus Scherz Ernst.

*Siebentes Hausmittel*.

Bezähme deine Leidenschaften und sei Herr über dich! — Die Leidenschaften sind es, die in der Welt das größte Unglück, Elend und die zahlreichsten Gebrechen an Seele und Körper stets zur Folge hatten und noch haben. Höchst wichtig ist daher eine genaue Kenntnis derselben und eine richtige Anweisung, wie wir ihrer Herr werden. Sie verkürzen vor Allem das Leben! — Jeder Mensch hat zwei geistige Prinzipien, einen von Gott gegebenen vernünftigen Geist und eine niedere, irdische Tierseele in sich. Jener ist das Höchste, diese das Niedere, das Unvollkommene in uns. Beide sind sich entgegengesetzt, sie kämpfen mit einander, aber Religion und Vernunft gebieten uns stets, die Sinnlichkeit dem Geiste unterzuordnen.

Aus der Tierseele entspringen nun die rohen Triebe, Affekte und Leidenschaften, als: die sinnliche Wollust, der Hang zu sinnlichen Genüssen aller Art, der Zorn, die Rachsucht, die Selbstsucht, die Unzufriedenheit mit sich und der Welt, die Modesucht und Eitelkeit, die Geldgier, die übermäßige Traurigkeit, der Stolz, die Prunksucht, der Ehrgeiz, der Geiz u. a. m.

Bei genauer Beobachtung und bei einigem Nachdenken werden wir finden, dass alle Menschen, die solchen Trieben anhängen, sich dadurch ein höchst unzufriedenes und trauriges Leben bereiten, dass keine Ruhe in ihrem Herzen wohnt, dass sie sich selbst den Himmel eines dauernden Glückes zerstört haben. —

Über diesen Gegenstand sind folgende nähere Bestimmungen zu berücksichtigen: