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Jacob Voorhoeve Homöopathie in der Praxis III. Behandlung der Krankheiten und erste Hilfe XIII. Verschiedene andere Krankheiten

[31. Rheumatismus]

31. Rheumatismus kann sowohl akut als chronisch, sowohl in den Gelenken, als in den Muskeln auftreten. Die Ursachen dieses häufig vorkommenden Leidens sind folgende: heftige Erkältung, Durchnässung, besonders bei geschwitztem Körper, Verweilen in der Zugluft, Bewohnen feuchter oder neugebauter Häuser, zu üppige Lebensweise mit gleichzeitigem Mangel an Körperbewegung oder ärmliche Lebensweise mit übermäßiger Arbeit, besonders wenn diese in schlecht gelüfteten Räumen verrichtet werden muß. Neueren Untersuchungen zufolge soll der akute üelenkrheumatismus sein Entstehen der Wirkung bestimmter Spaltpilze verdanken; es kann jedoch nicht geleugnet werden, daß, wenigstens bei der chronischen Form, die Überladung des Blutes mit Harnsäure ebenso wie bei der Gicht eine große Rolle spielt. 

Beim akuten Gelenkrheumatismus schwellen die Gelenke an unter heftigen Schmerzen, welche durch Bewegung schlimmer werden und nachts schlimmer sind als am Tage. Dabei besteht hohes Fieber mit raschem Puls und Verdauungsstörungen; der Urin ist dunkelrot und weist einen rötlichen Satz auf. Der Kranke hat viel Durst und trotz vielem Schwitzen werden seine Beschwerden doch nicht gelindert, wie man es eigentlich erwarten sollte. Die Krankheit ist großem Wechsel unterworfen, so steigt zuweilen das Fieber unter Gehirnreizungserscheinungen auf gefahrdrohende Weise; am häufigsten wird jedoch das Herz mit seinen Klappen angegriffen, wodurch oft unheilbare Herzklappenfehler zurückbleiben (s. Seite 145). In vielen Fällen kommt es aber auch vor, daß bei geeigneter Behandlung alle Beschwerden innerhalb 2 bis 5 Wochen nach und nach völlig verschwinden, sodaß der Kranke, abgesehen von einer geringen Steifigkeit und Schmerzhaftigkeit der Gelenke, als gänzlich geheilt betrachtet werden kann.

Die Behandlung ist eine schwierige Aufgabe für den Arzt, sowohl der stets vorhandenen Gefahr einer Herzerkrankung wegen, als wegen des wechselnden Charakters der Krankheit und der Ungeduld der Kranken. Zur Heilung sind vollkommene Bettruhe, Fieberdiät (s. Seite 79), reichlicher Genuß von Obstsäften, besonders von Zitronensaft und Einwicklung der schmerzhaften Gelenke mit Wolle oder Flanell unbedingt nötig, während Kaltwasserprozeduren in den meisten Fällen nicht gut vertragen werden. Im Anfang sind Aconit. 4 und Bryon. 3 im Wechsel zu verabreichen; bei heftigen, nächtlichen Schmerzen paßt Colchic. 4; bei heftigem Schwitzen Mercur. solub. IV; bei größer Unruhe Rhus tox. 4; bei Kopfschmerzen, rotem Gesicht und hohem Fieber Bellad. 4; bei Herzbeschwerden Aconit. 4 und Spigel. 3. Gute Erfolge haben wir wiederholt mit dem 2-stündlichen Verabreichen von Benz. acid. III erzielt, welches Mittel besonders dann angezeigt ist, wenn der Urin sehr trübe und satzig ist; zur Linderung der Schmerzen haben uns Einreibungen mit einer nach ärztlichem Rezept anzufertigenden Salicylsalbe oft gute Dienste geleistet. Nach der Heilung muß der Patient sich warm kleiden und von Zeit zu Zeit eine Dosis Sulfur VI einnehmen.

Der chronische Gelenkrheumatismus, welcher sehr langwierig und hartnäckig ist, bleibt zuweilen nach dem akuten Rheumatismus zurück, entsteht aber in den meisten Fällen allmählich und zwar nur bei Personen, welche zu rheumatischen Erkrankungen besonders veranlagt sind. Im Verlauf dieses Leidens schwellen die Gelenke immer mehr an und werden schließlich steif oder gar völlig unbeweglich. Die Behandlung bestehe in ausgiebiger Körperbewegung im Freien und der Bestrahlung des ganzen Körpers durch die wohltätigen Sonnenstrahlen. Die Diät sollte mehr vegetarisch sein, wenigstens ist gesalzenes Fleisch und überhaupt viel Fleisch schädlich, während säuerliches Obst (Apfelsinen, Zitronen) von großem Nutzen ist. Heiße Bäder, Dampfbäder, Sand- oder Schlammbäder, Massage (besonders Einreibungen mit Rhus-Tinktur oder Ledum-Tinktur und Olivenöl zu gleichen Teilen), Trink- und Badekuren in Wiesbaden, Nauheim, Salzschlirf und elektrische Behandlung haben gute Erfolge aufzuweisen. Von den gebräuchlichsten homöopathischen Mitteln nennen wir: Rhus tox. 4 bei spannenden Schmerzen, welche sich bei fortgesetzter Bewegung bessern; Bryon. 3 bei stechenden Schmerzen, welche durch Bewegung schlimmer werden; Arsen. alb. 4—6 bei brennenden Schmerzen, welche nachts im Bett am schlimmsten sind; Caustic. 4, bei Schmerzen, welche im Bett und in der Wärme besser, durch Bewegung schlimmer werden; Mercur. solub. IV bei Schwellung der Gelenke und Schmerzen, welche nachts am schlimmsten sind und durch Schwitzen nicht gebessert werden; Caustic. 4, im Wechsel mit Thuja 6, bei großer Steifigkeit und teilweiser Lähmung; Ledum 3 beim Angegriffensein der kleinen Gelenke; Pulsat. 4 bei Schmerzen, welche von einem Gelenk auf das andere überspringen; Sulfur VI, Lycopod. VI und Kal. jod. 2 in langwierigen und veralteten Fällen.

Muskelrheumatismus entsteht sehr oft nach Erkältung, besonders bei rheumatisch veranlagten Personen; die Muskeln werden steif und schmerzhaft, jede Bewegung verursacht heftige Schmerzen. Am bekanntesten sind in dieser Hinsicht der steife Nacken und der Hexenschuß, auch die Muskeln des Brustkastens sind oft mit angegriffen, wodurch infolge der heftigen Schmerzen beim Atmen eine Rippenfellentzündung vorgetäuscht werden kann.

Die Behandlung ist dieselbe, wie die oben beschriebene. Bei Hexenschuß passen besonders Nux vom. 4 und Tart. emet. 4; Einreibungen mit Hamamelis-Extract, Arnica-Tinktur, Kampferspiritus, Chloroformöl und der oben erwähnten Salbe haben uns häufig die besten Dienste geleistet.

Die Vorbeugungsmaßregeln gegen alle Arten von Rheumatismus bestehen hauptsächlich in der Abhärtung des Körpers gegen Witterungseinflüsse durch tägliche Bewegung im Freien, kalte Waschungen, Luftbäder und poröse, warme Unterkleidung. Personen, welche leicht zu Rheumatismus neigen, sollten sich stets vor zu rascher Abkühlung des geschwitzten Körpers in acht nehmen, das Schlafen in feuchten Betten und Schlafzimmern und das Bewohnen feuchter Räume vermeiden, und die auf Seite 310 für Gichtkranke vorgeschriebene Diät befolgen.



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