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Jacob Voorhoeve Homöopathie in der Praxis III. Behandlung der Krankheiten und erste Hilfe VI. Krankheiten des Nervensystems

[12. Gehirnhautentzündung]

12. Gehirnhautentzündung, gewöhnlich "Gehirnentzündung" genannt, ist eine äußerst gefährliche Krankheit, welche in einer eitrigen oder tuberkulösen Entzündung der Gehirnhäute besteht. Sie kann durch eine Gehirnerschütterung, durch Sonnenstich, Erkältung und Naßwerden des ganzen Körpers, oder durch vernachlässigte Mittelohrentzündung veranlaßt werden. Die tuberkulöse Form kommt vor im Anschluß an Tuberkulose der Lungen oder der Knochen und ist besonders bei Kindern gefürchtet (s. 10. Abschnitt). In den letzten Jahren ist eine epidemische Form, Genickstarre genannt, vielfach aufgetreten, welche besonders unter Kindern und jugendlichen Personen viele Opfer gefordert hat; sie ist besonders durch große Schmerzhaftigkeit und Steifheit des Nackens, verbunden mit den übrigen Erscheinungen der Gehirnhautentzündung, gekennzeichnet.

Diese Erscheinungen sind anfänglich hohes Fieber, sehr heftige Kopfschmerzen, rascher Puls, große Empfindlichkeit gegen Licht, Geräusche und Berührung, Pupillenverengung, Erbrechen, Unruhe, Schlaflosigkeit, Rückwärtsbiegen. des Kopfes, Beben und Krämpfe. Dieser Zustand, welcher eine Äußerung von Gehirnreiz ist, geht nach einigen Tagen in Bewußtlosigkeit, Schlafsucht und Lähmung einzelner Muskeln über. Der Puls wird langsamer, die Pupillen erweitern sich. Erbrechen und Verstopfung bestehen gewöhnlich bis zum Ende fort. Der Tod tritt meistens in der 2. oder 3. Woche ein. Ungünstige Vorzeichen sind: Ungleichheit der Pupillen und röchelnde Atmung. Günstige Zeichen, welche auf beginnende Heilung hin­weisen, sind: Ausbruch warmen Schweißes, erquickender Schlaf, Wiederkehr des Bewußtseins. Oft bleiben nach der Genesung Gedächtnisschwäche, Taubheit oder Lähmungen zurück; es gibt jedoch auch Fälle, in denen die Gesundheit gänzlich wiederhergestellt wird.

Die Behandlung muß natürlich dem Arzte überlassen bleiben. Ist dieser nicht bald, oder garnicht zu haben, dann sorge man für absolute Ruhe in der Umgebung des Kranken, verdunkle das Zimmer, halte Fieberdiät ein und wende das Bettdampfbad an. Kalte Aufschläge auf den Kopf oder eine Eisblase mit kaltem Wasser unter den Hinterkopf sind zu empfehlen. Einige Gaben Aconit. 4 sind gut für den Anfang; sobald sich jedoch Erscheinungen von Gehirnreizung zeigen, ist der abwechselnde Gebrauch von Bellad. 4 und Apis 3, stündlich 5 Tropfen in Wasser, am Platze. Zuweilen ist es möglich, durch diese Behandlung die Krankheit zu brechen, sodaß das Lähmungsstadium nicht eintritt. Ist letzteres dennoch der Fall, dann gebe man 2 stündlich eine Messerspitze Zinc. cyanat. IV, womit längere Zeit fortgefahren werden muß. Für regelmäßigen Stuhlgang muß durch lauwarme Klistiere Sorge getragen werden. Die Ernährung muß in diesem Stadium kräftiger sein: Eiweiß, Fleischbrühe mit Ei, viel Milch. Ist die Aufnahme der Nahrung durch Schlundlähmung oder heftiges Erbrechen durch den Mund nicht möglich, dann suche man durch Nährklistiere die Kräfte so lange wie möglich zu erhalten. Als Zwischenmittel kommen noch in Betracht: Bryonia 3 bei Darmlähmung; Hyoscyam. 6, Stramon. 6 bei Delirien; Opium 6 bei seufzender Atmung; Pulsat. 3, wenn die Krankheit mit Ohrenleiden in Verbindung steht. Bei der Genickstarre sind dieselben Mittel angezeigt, besonders Beilad. in niedrigen Verdünnungen, und ferner Argent. nitr. 3—6 in vernachlässigten Fällen und Natr. nitr. II in Fällen, welche im Anschluß an eine Influenza-Epidemie auftreten. Rekonvaleszenten müssen vor allem gehütet werden, was das Gehirn anstrengen könnte, man spreche deshalb so wenig wie möglich mit ihnen und sorge für Ruhe in der Umgebung.



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