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Jacob Voorhoeve Homöopathie in der Praxis III. Behandlung der Krankheiten und erste Hilfe XII. Kinderkrankheiten

[44. Scharlach]

44. Scharlach ist eine äußerst ansteckende Krankheit, welche meistens Kinder, zuweilen aber auch Erwachsene, befällt und sich in hohem Fieber, heftiger Halsentzündung und scharlachrotem Hautausschlag kundgibt. Ebenso wie bei Masern gibt es gut- und bösartige Scharlach-Epidemien; im allgemeinen aber ist Scharlach eine unberechenbare und heimtückische Krankheit, da selbst bei scheinbar gutartigem Verlauf gefährliche Komplikationen oder Nachkrankheiten vorkommen.

Die Ansteckung erfolgt durch einen spezifischen Krankheitsstoff, welcher selbst von Gesunden, welche mit den Kranken in Berührung kommen, auf andere übertragen werden kann. Ungefähr 3—6 Tage nach erfolgter Ansteckung treten die Vorboten auf: Fieber (39—40° C.) Erbrechen, Kopf- und Halsschmerzen, sogar Phantasieren und Krämpfe. Der Hals und die Mandeln sind rot und geschwollen, die Zunge ist weiß belegt und zeigt eine dunkel-rote Spitze. Es dauert nun nicht mehr lange, bis der Ausschlag, welcher der Krankheit ihren Namen gibt, zuerst am Halse, hernach am ganzen übrigen Körper zum Vorschein kommt. Dieser Ausschlag besteht aus kleinen, unregelmäßigen, roten Flecken, welche ineinander fließen und der Haut das Ansehen geben, als ob sie mit Himbeersaft bestrichen wäre. Nachdem der Ausschlag 3—4 Tage gewährt hat, blaßt er ab und verschwindet allmählich, worauf eine Abschuppung stattfindet, wodurch die Haut, besonders an Händen und Füßen, in großen Fetzen abgestoßen wird. Erst nach 6 Wochen kann der Kranke in gewöhnlichen Fällen als geheilt betrachtet werden. Gefährliche Erscheinungen, wodurch die Krankheit manchmal sehr in die Länge gezogen wird, sind: sehr hohes Fieber, plötzliches Verschwinden des Ausschlags, diphtheritischer Mandelbelag, Anschwellung und Vereiterung der Hals- oder Ohrspeicheldrüsen und Nierenentzündung. Letztere Komplikation tritt gewöhnlich in der 3. oder 4. Woche auf; sie ist an einer Schwellung des Gesichts und der Augen, noch früher aber durch wiederholte Untersuchung des Urins auf Eiweiß zu erkennen.

Es versteht sich von selbst, daß die Behandlung einer derartigen ernsten Krankheit stets dem Arzte überlassen werden muß. Von der größten Wichtigkeit ist es, den Kranken zu isolieren und in einem gut gelüfteten, erwärmten Zimmer zu Bett zu bringen. Die Diät muß flüssig sein und besonders Milch und Obstsäfte enthalten. Zu empfehlen ist es, öfters mit verdünntem Zitronensaft oder Honigwasser zu gurgeln. Kaltwasserprozeduren sind zu unterlassen, dagegen ist es von Nutzen, besonders im Anfang der Krankheit, lauwarme Abwaschungen des ganzen Körpers zu machen oder auch warme Vollbäder zu nehmen, und, sobald der Ausschlag herausgekommen ist, den Körper mit Olivenöl oder einem Gemisch von 2 Teilen Lanolin und 1 Teil Wasser, 1 bis 2 mal täglich einzureiben.

Als innerliches Mittel ist in normal verlaufenden Fällen Bellad. 4, alle 2 Stunden 5 Tropfen in Wasser angezeigt; will der Ausschlag nicht so recht zum Vorschein kommen, oder ist er, nachdem er herausgekommen war, wieder plötzlich verschwunden, dann paßt Sulfur VI, nötigenfalls mit Apis 3 im Wechsel genommen; über Anschwellung der Hals- und Ohrspeicheldrüsen wolle man auf Seite 223, über diphtheritische Halsentzündung auf Seite 295 und über Nierenentzündung auf Seite 242 nachlesen.

Die Vorbeugungsmaßregeln bestehen in dem möglichsten Vermeiden jeglichen Umgangs mit Scharlachkranken. Die Pflegerin muß stets für peinliche Reinlichkeit im Krankenzimmer Sorge tragen, sie sollte sich öfters die Hände mit warmem Wasser und Seife waschen und im Krankenzimmer weder essen noch trinken. Gesunde Kinder entferne man, wenn irgend möglich, aus dem Hause und gebe ihnen, wie auch allen Kindern, während einer Scharlach-Epidemie, täglich 3 Tropfen oder Körnchen Bellad. 4, wodurch die Ansteckung zwar nicht immer verhütet wird, aber die Krankheit meistens einen milderen Verlauf nimmt. Die Kinder dürfen erst nach Ablauf der 6. Krankheitswoche wieder in die Schulelgehen, nachdem eine gründliche Desinfektion des Bettzeugs, der Kleider und des ganzen Krankenzimmers stattgefunden hat.



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