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Jacob Voorhoeve Homöopathie in der Praxis II. Gesundheitslehre und Behandlungsweisen I. Kurz zusammengefasste Gesundheitslehre

[Die Ernährung]

Von der größten Wichtigkeit ist wohl in erster Linie die Ernährung, da die Wissenschaft bewiesen hat, daß die Gefahr krank zu werden, sowohl für den einzelnen, als für die Menschheit im allgemeinen um so geringer wird, jemehr der Körper durch eine zweckmäßige Ernährung eine größere Widerstandsfähigkeit gegen schädliche Einflüsse erlangt. Eine große Anzahl Krankheiten haben ihre Ursache in ungenügender oder verkehrter Ernährung des Körpers.

Zur Erhaltung unseres Körpers brauchen wir gesundes, normales Blut. Durch das Blut werden alle Organe und Gewebe des Körpers ernährt und erhalten. Das Blut muß demnach mit genügendem Nährmaterial versehen werden. Dieses ist in den fünf wichtigsten Nahrungsstoffen: "Eiweiß, Zucker, Stärkemehl, Fett und Nährsalzen enthalten, wozu noch Wasser kommt, welches zur Flüssigerhaltung des Blutes dient. Sind diese Stoffe nicht in genügender Menge und richtiger Zusammenstellung im Blute vorhanden, dann leiden alle Organe und Gewebe Schaden, und Erschlaffung und Kraftlosigkeit nehmen die Stelle von Energie und Gesundheit ein.

Die Beschaffenheit unserer täglichen Nahrung übt deshalb einen großen Einfluß auf unser Wohlbefinden aus. In der Tat sehen wir, daß durch verkehrte, einseitige Ernährung allerlei chronische Krankheiten entstehen können. Kinder mit großen Köpfen, dicken Bäuchen und dünnen Beinen sind oft das traurige Produkt einer beinahe ausschließlichen Ernährung mit Brot und Kartoffeln. Der übermäßige Gebrauch von Fleisch, Fleischbrühe, schweren Weinen und derartiger "kräftiger" Kost verursacht Gicht, Rheumatismus, Nervenleiden, Blasen- und Nierenkrankheiten. Der ausschließliche Gebrauch von Pflanzennahrung, wie er von fanatischen Vegetarianern empfohlen wird, schwächt den Körper und kann sogar zur Aderverkalkung beitragen.

Was ist nun die beste Nahrung?

Die Erfahrung, die Geschichte und die Wissenschaft bezeugen, daß wir uns am besten stehen bei einer gemischten Nahrung, bestehend aus tierischen und pflanzlichen Nahrungsmitteln, welche die oben genannten fünf Nahrungsstoffe in dem richtigen Verhältnis enthalten. Dabei bemerken wir, daß noch stets zuviel das Hauptgewicht auf das Eiweiß gelegt wird, während nach neueren Untersuchungen die Nährsalze, d.h. die mineralischen Bestandteile, welche besonders im Gemüse und im Obst enthalten sind, von nicht viel geringerer Wichtigkeit sind.

Wir befürworten die gemischte Nahrung und verwerfen demnach den Genuß des Fleisches im allgemeinen nicht, obwohl es sicher ist, daß man bei einer lactovegetabilen Diät, d.h. einer Ernährung, aus pflanzlichen Nahrungsmitteln in Verbindung mit Milch, Eiern, Butter und Käse bestehend, gesund und leistungsfähig bleiben kann. Wir tadeln aber den allzu reichlichen Gebrauch von Fleisch und Eiern, wie er von vielen als das beste Mittel, um gesund zu bleiben, empfohlen wird, und legen besonders großen Wert auf Gemüse und Obst als Bestandteile der täglichen Nahrung. Eiweiß, Fett und Stärkemehl sind höchst wichtige Stoffe für die Ernährung und Kräftigung aller unserer Organe und Gewebe, aber ohne mineralische Nährsalze ist keine dauernde Gesundheit möglich. Sehr lehrreich sind in dieser Hinsicht die Experimente von Forster an zwei gesunden Hunden: Dem einen gab er eine Nahrung, welche ihrer mineralischen Bestandteile beraubt war, und den anderen ernährte er mit Fett, Zucker und Mehl. Der erste starb nach 26 Tagen, der zweite nach 36 Tagen. Ganz ohne Nahrung können Hunde 40—60 Tage leben. Diese Tiere starben also viel schneller, wenn sie Nahrung ohne Nährsalze erhielten, als es der Fall gewesen wäre, wenn sie gar keine Nahrung bekommen hätten. Diese Versuche sprechen deutlich genug für den Wert der Nährsalze.

Diese Nährsalze nun (besonders Natron und Kalk) finden wir hauptsächlich in Gemüsen, Salaten und Obst. Die beste Zusammenstellung und den größten Reichtum an Natron und Kalk treffen wir im Spinat an, der deshalb vom hygienischen Standpunkt aus ein ideales Gemüse genannt werden kann, während Erdbeeren und Stachelbeeren durch ihren Gehalt an organisch gebundenem Eisen und Kalk und Apfel durch ihren Gehalt an Natron und Phosphor (letzteres von großer Wichtigkeit für die Ernährung der Nerven und des Gehirns) als ideales Obst betrachtet werden können.

Neben Fleisch, Eiern, Brot, Fett und Milch ist deshalb der Genuß von Gemüse, Salat und Obst für jeden, der gesund bleiben will, unentbehrlich. Besonders für Kinder ist dies wichtig. Wein und Fleischbrühe sind für kleine Kinder unnötig, ja oft schädlich. Sie gedeihen am besten bei Milch, Brot, Eiern, Gemüse und Obst. Besonders erwähnt zu werden verdient die Hafergrütze, welche, zu dicklichem Brei gekocht und mit Milch und Zucker genossen, das beste Frühstück für Kinder, und zugleich eine Nahrung ist, welche starke Knochen und Muskeln bildet.

Durchaus nötig ist es, auf die richtige Art der Zubereitung der Gemüse hinzuweisen, da viele Hausfrauen in dieser Hinsicht ganz verkehrt zu Werke gehen. Denn was nützt es, ob wir ausgezeichnetes Gemüse, reich an Nährsalzen, vor uns haben, wenn es durch zu langes Abkochen und Wegwerfen gerade der wichtigsten Stoffe verdorben wird? Die beste Art der Zubereitung, wobei keine Nährsalze verloren gehen, ist das Dämpfen der Gemüse. Dies geschieht am besten, indem man das vorher gereinigte und zerkleinerte Gemüse mit wenig Wasser und etwas Salz in einem gut verschließbaren Topf auf eine mäßig warme Stelle des Herdes stellt und den Topf allmählich dem Feuer näher schiebt. Nachdem das Gemüse durch den sich entwickelnden Dampf genügend weich geworden ist, wird dasselbe mit etwas Butter oder Fleischbrühe versehen und ist dann zum Genuß fertig. Auf diese Weise geht nichts von dem Nährsalzgehalt verloren; das Gemüse schmeckt kräftiger und angenehmer, als das nach der alten Methode zubereitete und verursacht auch nicht so leicht Blähungen. Wirsing und Weißkraut auf diese Weise behandelt, bilden herrliche Speisen von kräftigem Geschmack und Aroma. Spinat und Grünkohl, die, entsprechend dem Boden, worauf sie gewachsen sind, oft einen .herben, strengen Geschmack haben, werden am besten auf die folgende Weise bereitet: Nachdem das Gemüse sorgfältig verlesen und gewaschen ist, lässt man es in kochendem Wasser einmal aufwallen und auf einem Sieb abtropfen; danach wird es fein gehackt und mit Butter und etwas Salzwasser langsam weich gedünstet. Spargel und Blumenkohl brauchen mehr Wasser zum Weichkochen, als sich zur Sauce verwenden läßt, das übrige kann man aber sehr gut zu Suppen benutzen, sodaß auch hier die Nährsalze nicht verloren zu gehen brauchen.

Von großem Nachteil ist der übermäßige Gebrauch von Salz bei der Zubereitung der Speisen, wie dies besonders in Hotels und Restaurants, aber auch noch in vielen Haushaltungen geschieht. Dies scheint im Widerspruch zu stehen mit dem, was wir oben über den Nutzen der Nährsalze sagten. Das ist aber dennoch nicht so. Das Salz nämlich, welches wir als Genußmittel bei der Zubereitung der Speisen verwenden, das sogenannte Kochsalz oder Natrum chloratum, ist schon in den genannten Nährsalzen enthalten. Wir haben also, bei der richtigen Zubereitung der Speisen, nur noch eine geringe Menge Salz zur Geschmacksverbesserung nötig. Das übermäßige Salzen der Speisen ist für die Gesundheit nachteilig, schadet den Nieren und verschlechtert das Blut. Der Physiologe Bunge hat durch Versuche gezeigt, daß täglich einige wenige Gramm Kochsalz genügen, um den Körper mit dem nötigen Bedarf dieses Mineralstoffes zu versehen. Statt dessen gebrauchen viele Menschen täglich 20—30 Gramm Salz und noch mehr. All dieses überflüssige Kochsalz verläßt den Körper in unveränderter Form durch die Nieren und kann sogar noch Veranlassung zu chronischen Nierenkrankheiten geben.

Noch ein Punkt, der hiermit in enger Verbindung steht, nämlich der Nachteil übermäßigen Trinkens muß hier besprochen werden. Werden die Speisen zu stark gesalzen und außerdem noch mit scharfen Gewürzen versehen, dann entsteht viel Durst, welcher als eine unwillkürliche Äußerung des Organismus zu betrachten ist, um durch Trinken von viel Wasser das überflüssige Salz aus dem Körper zu entfernen. Nun hat man berechnet, daß ein erwachsener Mann in 24 Stunden nicht mehr als 2800 Gramm Wasser zu sich nehmen soll. Ungefähr die Hälfte hiervon befindet sich schon in den Nahrungsmitteln (Brot, Gemüse, Suppe, Fleisch u. s. w.), sodaß der normale Verbrauch von Wasser oder anderen Getränken sich täglich nur noch auf ungefähr anderthalb Liter belaufen darf. Rechnet man nun aber zusammen, was mancher tagsüber an Kaffee, Tee, Wein und Bier trinkt, so kommt ein viel größeres Quantum heraus. Wenn wir aber mehr als 87 % unserer Nahrung in der Form von Wasser zu uns nehmen, verdünnen wir dieselbe und dementsprechend auch unser Blut zu stark. Das Blut wird dann reicher an Wasser und ärmer an festen Bestandteilen und ist nicht mehr imstande, alle Organe und Gewebe genügend zu ernähren. Durch übermäßiges Biertrinken wird wohl Fett angesetzt, die Kraft des Organismus nimmt jedoch ab, und oft genug sind Herz- und Nierenkrankheiten die Folge.

Die kurze Zusammenfassung unserer Ansicht über die Ernährung ist also die, daß wir eine gemischte, aus tierischen und pflanzlichen Nährstoffen bestehende Nahrung befürworten, wobei der Nutzen reichlichen Genusses von Gemüsen, Salaten und Obst besonders betont und vor Salzmißbrauch und übermäßigem Trinken gewarnt werden muß.

Nun noch einige Worte über die Genußmittel. Hierzu gehören die nahrhaften Genußmittel, welche, wie Zucker, Schokolade, Kakao, Fett und Öl, empfehlenswert sind, da sie einen hohen Nährwert haben, ferner die Gewürze, welche, wenn nicht im Übermaß genossen, nützlich und nötig sind, um den Speisen ihren eigentümlichen, appetitanregenden Geschmack zu verleihen und endlich die aromatischen und alkoholischen Genußmittel, welche teils reizend, teils betäubend auf das Nervensystem wirken.

Zu den aromatischen Genußmitteln gehören Kaffee, Tee und Tabak. Über das schädliche dieser Genußmittel ist viel geschrieben worden und es ist sicher, daß ihr übermäßiger Gebrauch ernste Nachteile für die Gesundheit nach sich zieht. Zu viel und zu starker Kaffee und Tee verursachen Herzklopfen, Nervosität, Zittern und Schlaflosigkeit; Mißbrauch von Tabak und Zigarren kann sogar Lähmungen und Schwächung der Sehkraft als Folge von Nikotinvergiftung hervorrufen. Es hieße jedoch das Kind mit dem Bade ausschütten, wenn man auch den mäßigen Gebrauch dieser Genußmittel ganz verbieten wollte, da die menschliche Natur das Bedürfnis hat, ab und zu auch etwas anderes zu genießen, als nur das unumgänglich notwendige. Auch können diese Genußmittel, unter der Bedingung, daß sie nicht im Übermaß gebraucht werden, zur Belebung und Erhöhung des Kraftgefühls beitragen. Bemerkt man jedoch in irgend einer Weise schädliche Wirkungen, dann ist es besser, den Gebrauch dieser Genußmittel ganz zu unterlassen. Wir brauchen wohl nicht zu sagen, daß der Gebrauch von Kaffee, Tee und Tabak seitens kranker und schwacher Personen ganz anders beurteilt werden muß, als bei Gesunden. Solche werden am besten tun, hierüber den Rat ihres Arztes einzuholen. Herzkranke z. B. werden Kaffee und Tee vermeiden müssen, während das Rauchen Kehlkopf-, Magen- und Augenleidenden verboten werden muß.

Über den Nachteil des Mißbrauchs alkoholischer Getränke viele Worte zu verlieren, ist gewiß nicht nötig, denn dies ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist es, daß auch der anhaltende Gebrauch mäßiger Quantitäten Alkohol auf die Dauer auf alle Organe und Gewebe des menschlichen Körpers ungünstig wirkt. Am schädlichsten sind in dieser Hinsicht Branntwein und Liköre, weniger schädlich Wein, und am wenigsten schädlich leichtes Bier. Die folgenden Angaben können dies verdeutlichen.

 

Leichtes Bier  enthält 1—3%  Alkohol.
Schweres, bayrisches Bier " 3—5% "
Englisches Bier (Ale und Porter) " 7—8% "
Johannisbeerwein " 5—6% "
Rheinwein " 8—10% "
Bordeauxwein " 9—10% "
Champagner " 10—12% "
Madera " 18—19% "
Sherry " 20—22% "
Likör " 25—60% "
Branntwein " 45—60% "
Kognak " 60—65% "

  

Einige Vorschriften, die Hygiene unserer Verdauungsorgane betreffend, mögen hier noch folgen.

I. Im allgemeinen gilt die Regel, daß Mäßigkeit eins der besten Mittel ist, eine gute Gesundheit zu bewahren. Wenige Menschen sterben an Hunger, aber viele infolge von Unmäßigkeit. Besonders Menschen, welche eine sitzende Lebensweise führen und keine körperliche Arbeit verrichten, essen oft zu viel. Dasselbe gilt von alten Leuten, die nicht selten durch ein Übermaß von "kräftiger" Kost an allerhand Störungen der Gesundheit leiden. Mit zunehmendem Alter müssen die zwei Hauptmahlzeiten in vier kleinere, aus leicht verdaulichen Speisen bestehende Mahlzeiten verteilt werden. Für gesunde, kräftige Leute sind drei Mahlzeiten täglich genügend; will man dazwischen noch etwas genießen, dann sind Brot und Obst am meisten zu empfehlen.

II. Man esse langsam und kaue ordentlich. "Gut gekaut ist halb verdaut."

III.  Man trinke nicht viel während der Mahlzeit, weil hierdurch der Magensaft zuviel verdünnt wird und von seiner Verdauungskraft einbüßt.

IV. Man esse und trinke nicht zu heiß! Sowohl für die Zähne als für den Magen ist der Genuß zu heißer Speisen schädlich, besonders wenn damit der Genuß eiskalter Getränke Hand in Hand geht. Nicht zum mindesten durch Vernachlässigung dieser Regel leiden so viele Amerikaner an Dyspepsie und Zahnkaries.

V. Man esse abends kurz vor dem Schlafengehen nicht viel, weil die Überladung des Magens sich durch unruhigen Schlaf und schwere Träume rächt.

VI. Man vermeide es, sofort nach einer Überanstrengung des Körpers oder des Geistes, oder nach einer heftigen Gemütsbewegung, z. B. nach einem Schrecken, zu essen, da durch die genannten Veranlassungen die Absonderung des Magensaftes für kurze Zeit behindert ist und infolgedessen die Nahrung wie ein Stein im Magen liegt. VII. Man vermeide große körperliche oder geistige Anstrengungen sofort nach der Hauptmahlzeit. Für ältere Leute ist ein kurzer Schlaf nach dem Essen zu empfehlen, während die Jugend denselben entbehren kann. Ein halbstündiger Schlummer erfrischt den ganzen Körper, langes Schlafen nach dem Essen ist dagegen schädlich, da die Verdauung dadurch verlangsamt wird.



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