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Blutstillende Mittel

Blutstillende Mittel (Styptica medicamina). So nennt man im engern Sinn solche Mittel, welche stark zusammenziehen und dadurch chemisch Blut stillen. Hierher gehören: Alaunauflösung, Essig, verdünnte Mineralsäuren, Kreosotwasser, kaltes Wasser, Schnee, Eis, frische, kalte Luft u. a. m. Auch die verleimenden, verklebenden Mittel (Agglutinantia medicamina), als arabisches Gummi, Tischlerleim, Amylum, weißer und roter Bolus, Kreide etc., welche nicht chemisch wirken, stillen leichte Blutungen. Die unschuldigsten und dennoch häufig auf psychische Weise wirksamen blutstillenden Mittel gegen leichte Blutungen aus der Nase, den Lungen, der Gebärmutter, aus frischen Wunden etc. sind indessen die sympathetischen, worüber ich anderswo geredet habe (s. Most G. F., Sympathetische Mittel und Kurmethoden. Gesammelt, geprüft etc. Rostock, 1842. S. 112). Sie passen bei allen Blutungen, schaden nie, und sind als beliebte Volksmittel dagegen bei uns noch sehr im Gebrauch. Ich führe hier nur einige der gebräuchlichsten und oft sehr wirksamen sympathetischen blutstillenden Mittel an:

1) Das Besprechen des Blutes. Man sagt einen Spruch aus der Bibel leise vor sich hin, und bekreuzt dreimal die blutende Stelle mit dem Zeigefinger.

2) Man nimmt einen kleinen reinen Stock oder Stein, lässt einige Tropfen des ausfließenden Blutes darauf laufen, verbindet dann Stock oder Stein stillschweigend mit reiner Leinewand, und legt ihn an einen trocknen, kühlen Ort, so dass weder Sonnen-, noch Mondschein, noch Zugluft daran kommt.

3) Man bindet ein rotes seidenes Bändchen um beide Hände und lässt sie dann einige Augenblicke in kaltes Wasser halten. Oder: man lässt dem Blutenden unerwartet eine halbe Obertasse voll kaltes Wasser in den Nacken und über den Rücken laufen.

4) Man bindet eine tote, zur Mumie eingetrocknete, in einen Beutel eingenähte Kröte auf den Nabel des Blutenden. Unter den teils chemisch, teils verklebend wirkenden blutstillenden Mitteln ist folgendes Pulvis stypticus Osianderi zu empfehlen:

Nr. 39. Nimm: arabisches Gummi, Alaun und Kolophonium, von jedem ein Lot, pulverisiere und mische es.

Auch gehört hierher Lentiris Pulvis stypticus, welches aus Kino ein Teil, und Gummi arabicum zwei Teilen, besteht. Beide passen besonders bei Blutungen aus kleinen Gefäßen und schwammigen Teilen. Man streuet davon in die Wunde oder den blutenden Teil, legt reine Charpie über und verbindet ihn mittels Kompresse und Binde.

Bei allen Blutungen aus großen Gefäßen, namentlich nach Verletzungen von Pulsadern (daran zu erkennen, dass das ausfließende Blut hellrot von Farbe ist und nicht in einem gleichen Strahle, wie beim Aderlass, sondern stoßweise ausströmt) sind die genannten Mittel sämtlich unzureichend. Hier muss das Blut durch Kompression des Gefäßes, oder durch die Ligatur, oder Umdrehung des Gefäßes (Torsion) vom Wundarzt gestillt werden. Durch die Ligatur gelangt man am sichersten zum Zweck. Man nimmt einen doppelten Zwirnsfaden, der neben einander, nicht gedreht liegt, und gut mit Wachs bestrichen worden ist, macht eine Schlinge davon, legt diese über die Blätter einer Pinzette, mit welcher man das blutende Gefäß hervorzieht, die Schlinge dann über dasselbe schiebt und dieses mit doppeltem Knoten zuschnürt.

Bei allen inneren oder aus nicht mechanischen, nicht durch Hieb, Stich, Schuss etc. entstandenen Blutungen muss man vorher genau untersuchen, ob sie gestillt werden dürfen oder nicht: denn oft sind sie kritisch, ein heilsames Bestreben der Natur, um die Grandkrankheit dadurch zu heben oder wenigstens zu mindern, oder sie sind auch vikariierend, d. h. sie entstehen an einem ungewöhnlichen Orte oder Organe, wenn dasjenige Organ, welches gewöhnlich das Blut hergeben sollte, leidet, z. B. ein Frauenzimmer bekommt ihre monatliche Reinigung nicht, weil diese trotz des Alters noch nicht eingetreten oder unterdrückt ist (Menstruatio retenta et suppressa). Sie leidet nun an Vollblütigkeit, Kopfweh, Schwindel, Röte und Hitze des Gesichts, zumal alle vier Wochen; nun tritt ein Nasenbluten oder eine Blutung aus einem anderen Körperteile ein, und alle Beschwerden verschwinden, kommen aber in den nächsten vier Wochen wieder. Solche Blutungen dürfen erst dann gestopft werden, nachdem die normale Blutung (hier die Menses) sich eingestellt hat und regelmäßig wiederkehrt.

Bei jungen, vollsaftigen Personen ist das Nasenbluten oft kritisch, indem es die Zufälle von Vollblütigkeit mindert oder entfernt. Man eile daher ja nicht mit den äußerlichen blutstillenden Mitteln, sonst stellt sich früher oder später Blutspeien und Lungenschwindsucht ein. Eben so wenig darf das kritische, meist am fünften bis neunten Tage der Krankheit sich einstellende Nasenbluten bei hitzigen Fiebern (mit dumpfem Kopfschmerz, großer Hitze, Durst, Phantasmen) durch blutstillende Mittel unterdrückt, oder der Hämorrhoidalfluss robuster vollsaftiger Männer oder Frauenzimmer voreilig gestopft werden. — Sind die blutenden Personen aber mager, abgezehrt, tritt Leichenblässe des Gesichts, Kälte desselben und der Glieder, Ohnmacht ein, dann ist’s Zeit, durch geeignete Mittel die Blutung zu stillen. Vor Allem dient hier eine horizontale Lage des Kranken, frische Luft, Essig und Wasser zum Waschen des Gesichts, der Hände, innerlich Liquor anodynus, Zimttinktur. Ist dergleichen auf dem Lande nicht schnell genug zu haben, so gebe man als herzstärkendes blutstillendes Mittel Branntwein oder Rum, mit Wasser verdünnt oder rein, je nachdem es die kranke Person vorzieht (s. Osiander l. c. p. 469). Bei zarten, schwachen Frauenzimmern tritt zuweilen bald nach der Geburt eines Kindes ein Blutfluss aus den Genitalien ein, der nicht von selbst, wie der gewöhnliche nach Abgang der Aftergeburt, schnell aufhört, sondern anhält, und dann die genannten Zufälle der Verblutung: kaltes, blasses Antlitz, kalte Glieder, kleiner, kaum fühlbarer Puls, Ohnmachten, Konvulsionen, Bewusstlosigkeit, Schlummersucht etc. auftreten. Bei solchem gefährlichen Mutterblutfluss ist vom Geburtshelfer oder von der Hebamme die Nachgeburt, wenn sie sich von selbst nicht schon gelöst hat, kunstgerecht zu lösen und zu entfernen, alsdann hört die Blutung von selbst auf. Ist dieses aber nicht der Fall, ist die Nachgeburt schon abgegangen und blutet die Wöchnerin dennoch fort, so muss die Vagina bis hoch an den Muttermund mittels feiner Heede, Flachs oder Baumwollenwatte, nach und nach eingebracht, ausgestopft werden. Innerlich dienen hier, bis zur Ankunft des Arztes, als das beste Hausmittel, nach Osiander’s Rat (a. a. O. p. 469) ein Teelöffel voll gewöhnliches Zimtpulver oder gestoßener Kaneel, unter ein kleines Glas starken Wein oder Branntwein gemischt. Unter der Zeit schaffe man aus der Apotheke folgende Tropfen herbei:

Nr. 40. Nimm: safranhaltige Opiumtinktur, eine halbe Drachme, Haller’s Säure, zwei Drachmen, Zimttinktur, zwei Lot. Die Kranke nimmt davon alle Viertel- bis Halbestunde 25, 30 bis 40 Tropfen in einer Tasse Haferschleim, bis die Blutung aufhört.

Diese Tropfen dürfen jungen, vollblütigen Frauenzimmern, welche zu früh und zu starke monatliche Reinigung haben, sowie auch jungen Frauen mit Blutfluss aus den Genitalien als Vorbote des Abortus nicht gereicht werden. Hier sind kühlende Mittel, nicht selten ein Aderlass (s. Blutentziehungen) das beste.

Bei dem Blutspeien junger Personen, wo das ausgehustete Blut hcllrot von Farbe ist und nicht durch Erbrechen (wie bei dem Blutbrechen, wo das Blut dunkel aussieht) entleert wird, ist das Kochsalz ein gutes Hausmittel. Man gibt alle ein bis zwei Stunden einen Teelöffel voll in einem kleinen Glas Wasser, bis der Arzt das Weitere verordnet. Benjam. Bush lernte dieses Mittel von einer alten Frau kennen, die mit dem besten Erfolge pulverisiertes Salz Teelöffelweise nehmen und Wasser nachtrinken ließ. (S. Osiander I. c. p. 464). Ein westfälisches Volksmittel ist: frischer Schlehensaft, stündlich einen Teelöffel voll; auch der Saft von Wegwartblättern (Plantago) wird dagegen gelobt. Vor den kalten Umschlägen um die Brust ist zu warnen, besonders in den Fällen, wo das Blutspeien in Folge unterdrückter Hämorrhoiden oder solcher Menstruation, oder bei Schwindsüchtigen, nach starker Erhitzung des Körpers durch Reiten, Märsche, Tanzen u. s. w. entstand. — Bei Personen mit der Anlage zur Lungensucht ist oft das Blutspeien habituell. Strenge Diät, Vermeidung aller Gemüts- und Körperbewegung, des lauten Redens, aller geistigen Getränke, auch des Kaffees und Tees, sind hier zur Verhütung des Anfalls und zur Abkürzung desselben oft hinreichend. Der Kranke muss sich ruhig niederlegen und leichte, milde, schleimige Getränke: Gersten-, Graupen-, Haferschleim, Mandelmilch, Milch und Wasser, mit Honig versüßt, eine Abkochung von Alteewurzel (s. d.) u. s. w., aber Alles dies kalt genießen. Auch Selterwasser mit Milch, Buttermilch sind den Blutspeiern anzuraten. Außer den Anfällen dienen: tägliche massige Körperbewegung in freier Luft, Waschen des Körpers mit kaltem Wasser, strenges Vermeiden des Tanzes und jeder Art geistiger Getränke. (S. Andorn, weißer).

Gegen das aus dem Magen kommende Blutbrechen (Vomitus cruenius), welches meist Folge von Blutstockung in der Milz und von Leberfehlern, von unterdrückten Menses und Goldaderfluss ist, und dann alle zwei, drei, sechs, ja zehn und mehrere Monate plötzlich (meist bei Männern und Frauen zwischen 44 und 60 Jahren) sich einzustellen pflegt, dienen, nach fremden und eigenen Erfahrungen, folgende Mittel:

1) Im Anfalle gleich nach Entleerung des schwarzen, oft selbst schokoladefarbenen Blutes ist, nach Stark (s. Osiander l. c. p. 467) frische Buttermilch das beste Getränk; denn sie kühlt, demulziert und führt gelinde ab. Ich habe den kalten Melissen- und Pfefferminztee bei solchem Blutbrechen, wenn durch große Mengen ausgeleerten Blutes die Kranken sehr erschöpft waren, besonders nützlich gefunden. Hinterher, unmittelbar nach dem Anfalle, auch noch ein paar Tage nachher, bekommt das Trinken von Kristallwasser (s. Ananas) sehr gut.

2) Gegen das Grundübel in der Leber und Milz ist eine gute Diät, kein Branntwein, Rum, keine gebrannte Wasser, keine sitzende Lebensweise, keine Gemütsbewegungen, der mäßige Genuss eines guten Weines, die Obst-, Weintrauben-, Erdbeerenkur, auch wohl die Milchdiät auf dem Lande, anzuraten. Dabei darf Leibesverstopfung nicht geduldet werden. Man trinke deshalb Morgens nüchtern, zwei Stunden nach Tische und Abends vor dem Schlafengehen ein bis zwei Gläser frisch geschöpftes Quellwasser. (s. Wasser). Reicht dieses nicht hin, so nehme man Abends spät ein bis zwei Teelöffel voll Cremor tartari und, sind Hämorrhoiden mit im Spiel, auch noch einen Teelöffel voll Schwefelblumen. Eine Frühlingskur: frische Molken, frische Kräutersäfte von Löwenzahn, Schafgarbe, Bitterklee, Schöllkraut, Brunnenkresse, hinterher die Thermen von Karlsbad, Marienbad u. a. m. sind noch zu empfehlen.

Bei chronischen Gebärmutterblutflüssen und übermäßig starker Menstruation älterer, magerer, blasser, spastischer Frauenzimmer (die zuweilen auch von Mutterkrebs und Polypen herrühren), umgürten sich die Weiber in der Ukraine mit einem Gürtel von Bärlappmoos (Lycopodium); auch lobt schon Serapion dagegen die sehr wirksamen Lohebäder. Zur Zeit der Blutung hilft oft schon das Einreiben des Leibes mit Branntwein, noch besser Eau de Cologne. Nach Osiander (a. a. O. p. 470) gehört auch ein Glas heißgemachter roter Wein mit Eigelb und Zucker, alle Morgen getrunken, zu den zweckmäßigen Volksmitteln hei chronischen Gebärmutterflüssen. Martini rühmt hier die schwarze Kirschbaumrinde, mit Wein abgekocht und kalt getrunken, Andere eine Abkochung von unreifen Pomeranzen, von jungen Eichenblättern, Brennnesseln, Schafgarbe u. s. w. De Meza lernte von einer alten Dänin gegen einen heftigen Menstruationsblutfluss, der bei einem jungen Frauenzimmer während des Tanzes entstanden war, folgendes Mittel kennen, welches die Blutung, nachdem der Arzt China und viele andere Mittel fruchtlos angewandt hatte, in kurzer Zeit stillte. Es besteht darin, dass man frisches Täschchenkraut (Thlaspi barsae pastoris), welches wir auch als wirksames Fiebermittel kennen gelernt haben (s. Binden, S. 59), um die Lendengegend der Kranken bindet. (S. Osiander l. c. p. 473).