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20) Verhütung schädlicher Luft

Die Verhütung der Entwicklung schädlicher Luft und deren Nachteile kann durch Anordnungen der Gesundheitspolizei nur mangelhaft geschehen, da die Ursachen davon so verschieden und häufig ganz unbekannt sind. Wer vermag es, die in einer Gegend durch örtliche Beschaffenheit des Bodens entstehenden Nachteile, die Temperatur, die Luft, den Wind, Ausdünstungen, das Abprallen des Windes, das Streichen desselben über Wüsten, Seen, Sümpfe unschädlich zu machen? Wer kann das ungesunde Klima in Holland, am Nil, Ganges u. s. w. verbessern? Die Überschwemmungen in manchen Gegenden sind ebenfalls nicht immer durch die einsichtsvollsten Wasserbauverständigen zu verhüten; die Sumpfluft, welche aus dem vermodernden, austrocknenden Schlamm, aus dem faulen tierischen und vegetabilischen Körper entsteht, oder auch bloß durch die Verdunstung des Wassers erzeugt wird, ist durch die Tätigkeit der Menschen nicht zu verhüten, in seltenen Fällen, auf beschränkten Räumen, ist der schädliche Einfluss derselben nur etwas zu vermindern. — Zimmermann (a. a. O. Thl. 2. S. 197) sagt mit Recht: „Krankheiten, die an sich nicht ansteckend sind, sieht man an jedem eingeschlossenen Orte ansteckend werden. Man darf nur auf die Erscheinungen merken. Herr Pringle sah, dass eine eingeschlossene Luft in einem Bett ein faules Fieber zu erregen vermag. Noch sind es keine zwei Jahre her, dass in einem großen deutschen Krankenhause mehrere junge Leute, an geringfügigen Verletzungen leidend, sämtlich den Abdominaltyphus bekamen und der Reihe nach starben. Die Sache erregte Aufmerksamkeit, und man fand, dass jene Verwundeten sukzessive ein Bett geteilt hatten, worin früher ein Typhuskranker gestorben war, ohne dass dasselbe durch wochenlanges Exponieren der frischen Luft gereinigt worden wäre. — Auch in Gebärhäusern ist das Bett oft der Träger des ansteckenden Kindbettfiebers geworden und an dem Tode mancher Wöchnerin Schuld. — Die ansteckende Natur der Schwindsucht ist sehr mild, und doch geht sie in dem Bett von dem Mann zu der Frau, oder der Beischläferin über. Die mildesten Pocken werden oft in verschlossenen Zimmern und endlich auch durch die Kleider ansteckend. Den Friesel zählt man sonst nach richtigen Wahrnehmungen nicht unter die ansteckenden Krankheiten, und doch wird er durch das verdammliche Einschließen der Luft nicht nur sehr ansteckend, sondern auch sehr viel schlimmer. Aus den schädlichen Eigenschaften einer nicht genug erfrischten Luft erklärt der Herr von Haen die ungemeine Schwachheit, über die sich eine unzählbare Menge Kranke im Anfange des Frieselfiebers beklagen und die fast jeder Arzt einer angeblichen Bösartigkeit zuschreibt, da doch durch die Entfernung aller frischen Luft und durch das übertriebene Zudecken des armen Kranken der Arzt oder die Umstehenden die Ursache dieser Schwachheit sind. — Die Ruhr wird durch den Gestank des Abgangs so ansteckend, dass die gesündesten Menschen, sogar die Tiere davon nicht frei bleiben. Im Laufe dieses Jahrhunderts brachte ein Kranker die Ruhr von Amsterdam nach Nimmwegen, und von da in fast fünfzig niederländische Städte, in welchen eine große Menge Menschen starben.“ „Vor 14 Jahren“ (im J. 1750) — sagt Zimmermann in seinem berühmten oben genannten Buche, — „herrschte die Ruhr bei uns so sehr, dass nach einiger Berechnung in einem nicht gar großen Bezirke des Kantons Bern an 3000 Menschen starben. Um Bern war sie am heftigsten, auch erzählte mir ein würdiger Geistlicher, der eine kleine Stunde von Bern Pfarrer gewesen, er sei oft in dem Dorfe Müri in Häuser gekommen, wo in der einzigen, sehr niedrigen, sehr kleinen und wohl verschlossenen Stube des Bauers, ein paar Totenkörper auf dem Tische und vier bis fünf an der Ruhr kranke Männer, Weiber und Kinder in ihren Betten lagen und neben sich offene Geschirre hatten, in welche sie ihre Notdurft verrichteten. Man sieht deutlich, dass diese Krankheit, die an sich leicht ansteckend wird, um so viel mehr um sich greifen muss, wenn man die Kranken von den Gesunden nicht absondert, und um die Kranken selbst die Luft nicht erneuert. Selbst in der Pest ist die Entfernung der Kranken von den Gesunden, nebst der Erneuerung und Erfrischung der Luft, die größte und beste Vorsorge.“

Es ist eine Tatsache, dass der Prozess der Fäulnis in eingeschlossener Luft viel schneller und stärker vor sich geht, als in freier Luft, welche durch den Windstrom stets bewegt und erneuert wird. Eben so bekannt ist es, dass der Körper des Menschen nicht allein durch die Lungen, sondern auch durch die Haut atmet, welche letztere nicht nur die Feuchtigkeit, sondern auch alle fremdartigen Bestandteile: schädliche Ausdünstungen faule Stoffe, giftige Gasarten, Sumpfluft, Kloakengas u. s. w., die sich der Luft beimischen, einsaugt. Hieraus erklären sich die schädlichen Wirkungen einer jeden mit faulen Dünsten verunreinigten, nicht erfrischten und erneuerten Luft, welche in Krankenzimmern sowohl auf den Kranken, als auch auf dessen Umgebung so nachteilige, tödliche Wirkungen hat. Sumpfluft ist die vorzüglichste Ursache der an manchen Orten endemisch herrschenden Wechselfieber. Ja, letztere haben oft nur einzelne Strassen oder Plätze einer Stadt, wo stehende Gewässer sind, in Anspruch genommen, und die Krankheit hörte auf, sobald man solche Sümpfe austrocknete oder einen stark fließenden Bach hinein- und hindurch ließ, so dass die angefaulte Luft mit dem gefaulten Wasser entfernt werden konnte. „Die Ausdünstungen der Sümpfe“ — sagt Zimmermann (a. a. O. II. S. 204) „bewirken in Deutschland Tertianfieber, in Ungarn Fleckfieber, in Ägypten und Äthiopien die Pest, — in Barbados ist der Schaum des stehenden Wassers ein heftiges Gift, welches Vögel, Schweine, sogar Ochsen tötet."