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19) Eingeschlossene Luft

Jede eingeschlossene, lange nicht erneuerte Luft in Erdhöhlen, Brunnen, Gruben, unbewohnten und verschlossenen Wohn- und Schlafzimmern, Kellern, Gewölben, Gefängnissen u. s. w. wird für den Menschen, der sie atmet, ein oft schnell tötendes Gift. „Man hat Beispiele von Leuten“ — sagt Zimmermann (a. a. O. II. 180) — „die wenige Tage in einen Ofen eingeschlossen waren und starben. Feuchte und verschlossene Zimmer nehmen diese Eigenschaft an. Ich erinnere mich, dass ich unweit Bern im Frühling in einen den ganzen Winter verschlossen gewesenen und auf dem untersten Boden gelegenen großen Saal trat, und in demselben Augenblick die Kraft zum Atemholen unter einem unaussprechlichen Spannen anf der Brust verlor. Ich rettete mich natürlich durch die Flucht, hatte aber noch unter freiem Himmel große Mühe, Atem zu finden.“ — Die Wirkungen eingeschlossener Luft sind besonders fürchterlich, wenn viele Menschen im engen Raum sie einatmen, wodurch sie immer weniger Prozent Sauerstoff, Immer mehr Stick- und Kohlenstoff erhält. Hier erzählt Zimmermann das schreckliche Ereignis, welches im Sommer 1756 in der englischen Faktorei, Fort Wilhelm, in Kalkutta stattfand, wo der Unterkönig von Bengalen, nachdem er das Fort erobert, 145 Männer und ein Frauenzimmer als Gefangene in die sogenannte schwarze Höhle, welches Gefängnis 18 Fuß lang und 18 Fuß breit war, einsperren ließ. Sie fanden alle, 23 Personen ausgenommen, den schauderhaftesten Erstickungstod! — In früheren Zeiten, wo leider! auf die Salubrität der Gefängnisse bis auf die verdienstvollen Männer: V. von Paula, John Howard, Will. Allen, Sam. Hoorn u. a. m. gar nicht gesehen wurde, wo die eingeschlossene, durch die Menge der Gefangenen verfaulte, giftige Luft darin die gefährlichsten, ansteckenden Kerkerfieber, Faul- und Fleckfieber u. s. w. so häufig erregte, ereignete es sich nicht selten, dass einzelne Gefangene die pestartige Luft und den Ansteckungsstoff in ihren Kleidern fortschleppten und dadurch Anderen mitteilten. So ward, wie Zimmermann (a. a. O. S. 190) erzählt, einst im Jahr 1577 zu Oxford über einige Übeltäter in einem Zimmer Gericht gehalten, in welchem die Richter, der Adel und fast alle anwesende Personen, 300 an der Zahl, schnell erkrankten und starben; daher auch die Engländer diesen Tag den schwarzen Gerichtstag nennen. Im Jahre 1724 ereignete sich etwas ganz Ähnliches unter gleichen Umständen zu Taunton. Im Sommer 1750 brach in London bei der Verurteilung einiger Übeltäter unter den Richtern und Anwesenden gleichfalls ein gefährliches Fieber aus, welches selbst durch die Kleider ansteckend ward; auch starben Viele davon auf der Stelle. Die Entstehung des so gefährlichen Kerkerfiebers schreibt Pringle der Unreinlichkeit der Menge Leute, in engem Raum mit eingeschlossener Luft, und der dadurch bewirkten Fäulnis zu. In den Gefängnissen Englands sind gegenwärtig durch die oben beschriebenen zweckmäßigen Luftventilatoren, durch größere Räumlichkeit, durch bessere Aufsicht auf Reinlichkeit der Kleidung, der Zimmer u. s. w. die Gefangenen in eine gesundere Lage versetzt worden und die Sterblichkeit darin hat sich bedeutend vermindert.

Auf den Schiffen wirkt die eingeschlossene Luft eben so schädlich, als auf dem Lande. Die Geldgier der verworfenen Schiffer, welche sich mit dem Sklavenhandel früher bereicherten, war an der Goldküste von Afrika oft so groß, dass sie ihre Schiffe wörtlich mit Negern vollpackten, die, gleich eingesalzenen Heringen, eingekerkert in niedrigem Verdeck, krumm zusammengedrückt liegen mussten, in Schmutz und Unrat sich wälzend, ohne gesunde Luft, ohne Bewegung auf dem Verdeck, ohne Reinlichkeit und gutes Trinkwasser. Nach Dr. Audouard (Moniteur francais. 1836. Oct. Nr. 317) scheint es aber nicht unwahrscheinlich zu sein, dass der Negerhandel die Entstehung und Verbreitung des gelben Fiebers begünstigt, indem die Krankheit aus einer, den Negerschiffen eigentümlichen Infektion entspringt, und sich, wie der Typhus, das Kerker- und Hospitalfieber, durch Kontagion fortpflanzt (s. Most’s Enzyklopädie d. Staatsarzneikunde. Bd. 2. S. 777—779). Ein heißes, feuchtes Klima, zumal in der Nähe der See, und die schädlichen Ausdünstungen an Orten, wo viele Menschen in engem, schlecht gelüftetem, unreinem, mit Menschenkot und anderen tierischen Ausdünstungen verpestetem Raum zusammengedrängt sind, hält man allgemein für Ursachen der Entstehung des gelben Fiebers oder der Krankheit von Siam. Folgende Tatsache, die sich vor ein paar Dezennien auf der See zutrug, scheint das Gesagte außer Zweifel zu setzen. Es war nämlich im Hafen zu Marseille ein Schiff mit Poudrette (getrocknetem Menschenkot) beladen worden und nach Guadeloupe bestimmt. Unterwegs wurde der trockne Stoff feucht, die Temperatur der Luft im Schiffsraum stieg immer mehr und differierte mit der Temperatur auf dem Verdeck um zehn und mehrere Grade. Die pestilenzialischen Dünste verbreiteten sich durchs ganze Schiff. Die Mannschaft erkrankte nach und nach; sie wurde von einem bösartigen Typhus befallen, der sie alle, ehe das Schiff seinen Bestimmungsort erreichte, dahinraffte, nur der Steuermann allein blieb am Leben, um die Kunde von der durch verpestete Luft entstandenen schrecklichen Seuche zu geben.