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Gesetze Keplers

Auf vollständige Darlegung brauche ich mich nach allem Vorausgegangenen nicht einzulassen. Es handelt sich einfach darum, ob die drei Keplerschen Gesetze der Realgrund dafür seien, dass die Planeten in diesem Augenblicke just diese und keine anderen Örter im Himmelsraum einnehmen. Man müßte wirklich die Keplerschen Gesetze wie alle anderen Naturgesetze für Polizeiverordnungen eines außerweltlichen Gottes halten, um ernstlich zu behaupten: der Satz "die Bahnen der Planeten sind Ellipsen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht" sei die Ursache für die elliptische Bahn unserer Erde; oder der Satz "die Quadrate der Umlaufszeiten verhalten sich wie die Kuben der mittleren Entfernungen von der Sonne" sei die Ursache unserer Jahreslänge; oder der Satz "der Radius vector der Planeten überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächenräume" sei die Ursache dafür, dass die Erde in diesem Augenblicke diesen und keinen anderen Ort habe. Nur wenn die Keplerschen Gesetze durch Strafen geschützte Polizeiverordnungen wären, könnte man sie Ursachen nennen. Und selbst dann wäre ja ihre Befolgung unmöglich, wenn die Planeten nicht Mathematik studiert hätten1. Oder sollten die Strafen wegen Polizeiübertretung auch ohne Mathematik an ihnen vollstreckt werden nach dem Grundsatze: Unkenntnis schützt nicht vor dem Gesetze? Aber ich stoße vielleicht offene Türen ein? Man gibt mir vielleicht zu — nicht der Kerl im Wirtshaus, aber wohl jeder wissenschaftlich gebildete Mensch —, dass die Bezeichnung Gesetze für die Keplerschen Formeln nicht gut gewählt sei, eben darum, weil sie nicht die letzten Ursachen der Bewegungen seien, dsß also nicht die Bewegungen Wirkungen der Gesetze seien, sondern vielmehr die Beobachtungen der Bewegungen die Erkenntnisgründe der Gesetze. Der Begriff "Kas" ist nicht die Ursache, nicht der Realgrund des Stückchen Chesters auf dem Wirtshaustisch.1: Inzwischen habe ich erfahren, dass Kepler bezüglich der Ptolemäischen Gesetze den gleichen Scherz gemacht habe: der Planet müßte eigentlich Mathematik verstehen, um diese ideellen geometrischen Kategorien sich vorstellen zu können. (Goebel: Keplers astronomische Anschauungen S. 12.) — Die Vorstellungen Keplers sind "richtiger" als die Vorstellungen der Alten; aber das Verhältnis zwischen den Erscheinungen und ihren "Gesetzen" hat sich eben nicht verändert.