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Demokratie und Tyrannei in der Grammatik

Die ältere Grammatik lehrte schlecht und recht, dass Regeln da seien, die wie andere Gesetze befolgt werden müssen, bei Strafe für ungebildet zu gelten. Gegenwärtig herrscht eine liberalere Anschauung, die in der Sprache einen Organismus sieht und die Herrschaft der Sprachgesetze weniger äußerlich macht. Man wird z. B. heutzutage von besseren Lehrern nicht mehr hören, dass die Präposition den Kasus "regiere". Man möchte gern in der Sprache einen anarchistischen oder wenigstens demokratischen Idealstaat sehen, in welchem jede Notdurft sich die passende Form selbstherrlich neu bildet.

Nun aber ist es doch nicht wegzuleugnen, dass es feststehende Formen gibt, dass es Präpositionen z. B. gibt, mit denen wir den Sinn einer gewissen Richtung verbinden, dass es Kasus gibt, die sich regelmäßig für einen gewissen Sinn zur Verfügung stellen. Ohne solche Formen wären die Sprachen nicht möglich. Sie bringen den unermeßlichen Gedächtnisstoff unserer Sinneseindrücke und der aller unserer Vorfahren ein bißchen in Ordnung, sie sind die Hilfen des Gedächtnisses. So muß man sagen, dass z. B. die Präpositionen ihren Kasus zwar nicht regieren, aber durch die Analogie so fest an ihn gebunden sind, dass der Einzelne sich ihrer Tyrannei nicht entziehen kann.